Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun gut. Und dann, was fangen wir sonst an? Karten sind keine da! -- Also will ich -- aber nein -- und doch -- bedenken Sie -- ein guter Vogel beschmutzt sein Nest nicht. Das sagt jeder Bauer bei uns. Aber ich bin kein guter Vogel; ich bin ein leichter Vogel, ein lustiger Vogel! Noch eine Flasche Tokai, Moschku! -- Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen.

Er stützte seinen Kopf in die Hände und dachte nach. Es war still. Wieder tönte das grauenhafte Lied der Bauernwache wie eine Todtenklage aus weiter Ferne, bald ganz nahe und leise, als schwinge die Seele des fremden Mannes in verzweifelten; herzzerreißend süßen Melodieen.

Sie sind also verheirathet?

Ja.

Glücklich?

Er lachte. Sein Lachen klang eigenthümlich harmlos, wie das Lachen eines Kindes, aber mich machte es schauern, ich weiß nicht, warum.

Glücklich? sagte er. Was soll ich sagen? Thun Sie mir die Gnade und bedenken Sie einmal, was das ist: Glück! -- Sind Sie Landwirth?

Nein.

Aber Sie verstehen etwas von der Landwirthschaft? Gewiß. Nun, sehen Sie, das Glück, möchte ich so sagen, ist nicht ein Dorf oder Gut, das einem gehört, sondern wie eine Pacht. Ich bitte, verstehen Sie mich, wie eine Pacht. Wer sich da einrichten will für die

Nun gut. Und dann, was fangen wir sonst an? Karten sind keine da! — Also will ich — aber nein — und doch — bedenken Sie — ein guter Vogel beschmutzt sein Nest nicht. Das sagt jeder Bauer bei uns. Aber ich bin kein guter Vogel; ich bin ein leichter Vogel, ein lustiger Vogel! Noch eine Flasche Tokai, Moschku! — Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen.

Er stützte seinen Kopf in die Hände und dachte nach. Es war still. Wieder tönte das grauenhafte Lied der Bauernwache wie eine Todtenklage aus weiter Ferne, bald ganz nahe und leise, als schwinge die Seele des fremden Mannes in verzweifelten; herzzerreißend süßen Melodieen.

Sie sind also verheirathet?

Ja.

Glücklich?

Er lachte. Sein Lachen klang eigenthümlich harmlos, wie das Lachen eines Kindes, aber mich machte es schauern, ich weiß nicht, warum.

Glücklich? sagte er. Was soll ich sagen? Thun Sie mir die Gnade und bedenken Sie einmal, was das ist: Glück! — Sind Sie Landwirth?

Nein.

Aber Sie verstehen etwas von der Landwirthschaft? Gewiß. Nun, sehen Sie, das Glück, möchte ich so sagen, ist nicht ein Dorf oder Gut, das einem gehört, sondern wie eine Pacht. Ich bitte, verstehen Sie mich, wie eine Pacht. Wer sich da einrichten will für die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0024"/>
        <p>Nun gut. Und dann, was fangen wir sonst an? Karten sind keine da! &#x2014; Also will ich &#x2014; aber nein      &#x2014; und doch &#x2014; bedenken Sie &#x2014; ein guter Vogel beschmutzt sein Nest nicht. Das sagt jeder Bauer      bei uns. Aber ich bin kein guter Vogel; ich bin ein leichter Vogel, ein lustiger Vogel! Noch      eine Flasche Tokai, Moschku! &#x2014; Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen.</p><lb/>
        <p>Er stützte seinen Kopf in die Hände und dachte nach. Es war still. Wieder tönte das      grauenhafte Lied der Bauernwache wie eine Todtenklage aus weiter Ferne, bald ganz nahe und      leise, als schwinge die Seele des fremden Mannes in verzweifelten; herzzerreißend süßen      Melodieen.</p><lb/>
        <p>Sie sind also verheirathet?</p><lb/>
        <p>Ja.</p><lb/>
        <p>Glücklich?</p><lb/>
        <p>Er lachte. Sein Lachen klang eigenthümlich harmlos, wie das Lachen eines Kindes, aber mich      machte es schauern, ich weiß nicht, warum.</p><lb/>
        <p>Glücklich? sagte er. Was soll ich sagen? Thun Sie mir die Gnade und bedenken Sie einmal, was      das ist: Glück! &#x2014; Sind Sie Landwirth?</p><lb/>
        <p>Nein.</p><lb/>
        <p>Aber Sie verstehen etwas von der Landwirthschaft? Gewiß. Nun, sehen Sie, das Glück, möchte      ich so sagen, ist nicht ein Dorf oder Gut, das einem gehört, sondern wie eine Pacht. Ich bitte,      verstehen Sie mich, wie eine Pacht. Wer sich da einrichten will für die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] Nun gut. Und dann, was fangen wir sonst an? Karten sind keine da! — Also will ich — aber nein — und doch — bedenken Sie — ein guter Vogel beschmutzt sein Nest nicht. Das sagt jeder Bauer bei uns. Aber ich bin kein guter Vogel; ich bin ein leichter Vogel, ein lustiger Vogel! Noch eine Flasche Tokai, Moschku! — Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen. Er stützte seinen Kopf in die Hände und dachte nach. Es war still. Wieder tönte das grauenhafte Lied der Bauernwache wie eine Todtenklage aus weiter Ferne, bald ganz nahe und leise, als schwinge die Seele des fremden Mannes in verzweifelten; herzzerreißend süßen Melodieen. Sie sind also verheirathet? Ja. Glücklich? Er lachte. Sein Lachen klang eigenthümlich harmlos, wie das Lachen eines Kindes, aber mich machte es schauern, ich weiß nicht, warum. Glücklich? sagte er. Was soll ich sagen? Thun Sie mir die Gnade und bedenken Sie einmal, was das ist: Glück! — Sind Sie Landwirth? Nein. Aber Sie verstehen etwas von der Landwirthschaft? Gewiß. Nun, sehen Sie, das Glück, möchte ich so sagen, ist nicht ein Dorf oder Gut, das einem gehört, sondern wie eine Pacht. Ich bitte, verstehen Sie mich, wie eine Pacht. Wer sich da einrichten will für die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/24
Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/24>, abgerufen am 24.11.2024.