Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.mein stilles Leben fort; mehr und mehr verblaßte und ver¬ "Und welches nun schon lange eine glückliche Gattin und "Ja," erwiederte er; "ich habe sie getraut und ihre Kin¬ mein ſtilles Leben fort; mehr und mehr verblaßte und ver¬ „Und welches nun ſchon lange eine glückliche Gattin und „Ja,“ erwiederte er; „ich habe ſie getraut und ihre Kin¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0089" n="73"/> mein ſtilles Leben fort; mehr und mehr verblaßte und ver¬<lb/> flüchtigte in mir die Erinnerung an jene Nacht, und immer<lb/> ſeltener und ſchwächer zuckte mein Herz beim Anblicke des<lb/> Mädchens, deſſen blondes Haar ich einſt mit brennender Lippe<lb/> geſtreift.“</p><lb/> <p>„Und welches nun ſchon lange eine glückliche Gattin und<lb/> Mutter iſt,“ ſagte ich leiſe.</p><lb/> <p>„Ja,“ erwiederte er; „ich habe ſie getraut und ihre Kin¬<lb/> der getauft. Und da fällt mir ein, daß es gerade die Schrecken<lb/> des Krieges waren, was ihr Glück begründete oder doch be¬<lb/> ſchleunigte. Sie hatte ihr Herz einem jungen Soldaten ge¬<lb/> ſchenkt. Jedoch konnte, wie dies meiſtens unter ähnlichen<lb/> Umſtänden der Fall iſt, an eine Verbindung kaum gedacht wer¬<lb/> den. Beide waren arm, und der Geliebte hatte keine Ausſicht,<lb/> ſobald vom Militär loszukommen und ſich eine andere Lebens¬<lb/> ſtellung zu erwerben. Da geſchah es noch, daß er plötzlich<lb/> verſetzt wurde, und ſo brach nun auch über Ludmilla das Leid<lb/> des Lebens herein. Man ſah es, wie ſie ſich ſtill härmte und<lb/> die Tage ihrer ſchönſten Jugend in öder, hoffnungsloſer Sehn¬<lb/> ſucht verlebte. Ich hatte inzwiſchen angefangen, von meinen<lb/> geringen Ordensbezügen das Möglichſte zurückzulegen, um den<lb/> liebenden doch wenigſtens nach Jahren eine gewiſſe Summe<lb/> zur erſten Beſchaffung eines einfachen Hausweſens übergeben<lb/> zu können. Da kam das Jahr achtundvierzig mit ſeinen Re¬<lb/> volutionsſtürmen, und der Entfernte zeichnete ſich auf dem<lb/></p> </body> </text> </TEI> [73/0089]
mein ſtilles Leben fort; mehr und mehr verblaßte und ver¬
flüchtigte in mir die Erinnerung an jene Nacht, und immer
ſeltener und ſchwächer zuckte mein Herz beim Anblicke des
Mädchens, deſſen blondes Haar ich einſt mit brennender Lippe
geſtreift.“
„Und welches nun ſchon lange eine glückliche Gattin und
Mutter iſt,“ ſagte ich leiſe.
„Ja,“ erwiederte er; „ich habe ſie getraut und ihre Kin¬
der getauft. Und da fällt mir ein, daß es gerade die Schrecken
des Krieges waren, was ihr Glück begründete oder doch be¬
ſchleunigte. Sie hatte ihr Herz einem jungen Soldaten ge¬
ſchenkt. Jedoch konnte, wie dies meiſtens unter ähnlichen
Umſtänden der Fall iſt, an eine Verbindung kaum gedacht wer¬
den. Beide waren arm, und der Geliebte hatte keine Ausſicht,
ſobald vom Militär loszukommen und ſich eine andere Lebens¬
ſtellung zu erwerben. Da geſchah es noch, daß er plötzlich
verſetzt wurde, und ſo brach nun auch über Ludmilla das Leid
des Lebens herein. Man ſah es, wie ſie ſich ſtill härmte und
die Tage ihrer ſchönſten Jugend in öder, hoffnungsloſer Sehn¬
ſucht verlebte. Ich hatte inzwiſchen angefangen, von meinen
geringen Ordensbezügen das Möglichſte zurückzulegen, um den
liebenden doch wenigſtens nach Jahren eine gewiſſe Summe
zur erſten Beſchaffung eines einfachen Hausweſens übergeben
zu können. Da kam das Jahr achtundvierzig mit ſeinen Re¬
volutionsſtürmen, und der Entfernte zeichnete ſich auf dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |