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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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händlers einfinden. Er selbst würde auch dort sein, da die
Leiche vorher bei Sankt Carl eingesegnet werden müsse.

Als ich wieder allein war, legte ich die Hand auf die
Stirne. Es war mir, als erwache ich aus einem schweren
Traum. Wie Schatten löste es sich nach und nach von allen
Dingen im Zimmer, das mir schon ganz fremd geworden war.
Jeder Stuhl, jeder Schrank, jedes Buch auf den Gestellen
schien mich vertraut anzulächeln, und über dem Tische dort am
Fenster lag es wie ein Sonnenstrahl aus früheren, glücklichen
Tagen.

Ich überlas aufmerksam die Sterbedocumente und dachte,
während ich auf- und abschritt, den Fall in seiner Besonder¬
heit durch. Und je mehr mir die volle Bedeutung desselben
klar wurde, desto leichter und freier fühlte ich mich, ich wußte
selbst nicht warum. Ich bemühte mich jetzt, mich aus die Ver¬
storbene zu besinnen, mir nach den Andeutungen des Kirchen¬
dieners ein Bild von ihr zu entwerfen: aber seltsam, es floß
mir immer mit jenem Ludmilla's zusammen. Ein leiser Duft,
der sich im Zimmer verbreitet hatte, mahnte mich endlich
wieder an den Strauß. Ich nahm das Tuch davon, füllte
ein Glas und stellte ihn hinein. Draußen lagerte eine dumpfe
Schwüle, die sich still zu schweren Wolken zusammenballte.
Eine süße Müdigkeit überkam mich; ich hatte so viele Nächte
bloß im wüsten, entnervenden Halbschlummer zugebracht. Nun
gab ich der Schläfrigkeit, die sich wohlthuend auf meine Au¬

händlers einfinden. Er ſelbſt würde auch dort ſein, da die
Leiche vorher bei Sankt Carl eingeſegnet werden müſſe.

Als ich wieder allein war, legte ich die Hand auf die
Stirne. Es war mir, als erwache ich aus einem ſchweren
Traum. Wie Schatten löſte es ſich nach und nach von allen
Dingen im Zimmer, das mir ſchon ganz fremd geworden war.
Jeder Stuhl, jeder Schrank, jedes Buch auf den Geſtellen
ſchien mich vertraut anzulächeln, und über dem Tiſche dort am
Fenſter lag es wie ein Sonnenſtrahl aus früheren, glücklichen
Tagen.

Ich überlas aufmerkſam die Sterbedocumente und dachte,
während ich auf- und abſchritt, den Fall in ſeiner Beſonder¬
heit durch. Und je mehr mir die volle Bedeutung deſſelben
klar wurde, deſto leichter und freier fühlte ich mich, ich wußte
ſelbſt nicht warum. Ich bemühte mich jetzt, mich aus die Ver¬
ſtorbene zu beſinnen, mir nach den Andeutungen des Kirchen¬
dieners ein Bild von ihr zu entwerfen: aber ſeltſam, es floß
mir immer mit jenem Ludmilla's zuſammen. Ein leiſer Duft,
der ſich im Zimmer verbreitet hatte, mahnte mich endlich
wieder an den Strauß. Ich nahm das Tuch davon, füllte
ein Glas und ſtellte ihn hinein. Draußen lagerte eine dumpfe
Schwüle, die ſich ſtill zu ſchweren Wolken zuſammenballte.
Eine ſüße Müdigkeit überkam mich; ich hatte ſo viele Nächte
bloß im wüſten, entnervenden Halbſchlummer zugebracht. Nun
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[62/0078] händlers einfinden. Er ſelbſt würde auch dort ſein, da die Leiche vorher bei Sankt Carl eingeſegnet werden müſſe. Als ich wieder allein war, legte ich die Hand auf die Stirne. Es war mir, als erwache ich aus einem ſchweren Traum. Wie Schatten löſte es ſich nach und nach von allen Dingen im Zimmer, das mir ſchon ganz fremd geworden war. Jeder Stuhl, jeder Schrank, jedes Buch auf den Geſtellen ſchien mich vertraut anzulächeln, und über dem Tiſche dort am Fenſter lag es wie ein Sonnenſtrahl aus früheren, glücklichen Tagen. Ich überlas aufmerkſam die Sterbedocumente und dachte, während ich auf- und abſchritt, den Fall in ſeiner Beſonder¬ heit durch. Und je mehr mir die volle Bedeutung deſſelben klar wurde, deſto leichter und freier fühlte ich mich, ich wußte ſelbſt nicht warum. Ich bemühte mich jetzt, mich aus die Ver¬ ſtorbene zu beſinnen, mir nach den Andeutungen des Kirchen¬ dieners ein Bild von ihr zu entwerfen: aber ſeltſam, es floß mir immer mit jenem Ludmilla's zuſammen. Ein leiſer Duft, der ſich im Zimmer verbreitet hatte, mahnte mich endlich wieder an den Strauß. Ich nahm das Tuch davon, füllte ein Glas und ſtellte ihn hinein. Draußen lagerte eine dumpfe Schwüle, die ſich ſtill zu ſchweren Wolken zuſammenballte. Eine ſüße Müdigkeit überkam mich; ich hatte ſo viele Nächte bloß im wüſten, entnervenden Halbſchlummer zugebracht. Nun gab ich der Schläfrigkeit, die ſich wohlthuend auf meine Au¬

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/78>, abgerufen am 24.11.2024.