Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.mir schien, mehr aus pflichtschuldiger Höflichkeit, als aus Er hatte schon während dieser letzten Worte zu spielen, In tiefes Lauschen versunken, saß ich da. Von draußen Als jetzt der Pater mit einer lang nachhallenden Cadenz "Ja," sagte er, indem er gleichfalls aufstand und mich mir ſchien, mehr aus pflichtſchuldiger Höflichkeit, als aus Er hatte ſchon während dieſer letzten Worte zu ſpielen, In tiefes Lauſchen verſunken, ſaß ich da. Von draußen Als jetzt der Pater mit einer lang nachhallenden Cadenz „Ja,“ ſagte er, indem er gleichfalls aufſtand und mich <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0045" n="29"/> mir ſchien, mehr aus pflichtſchuldiger Höflichkeit, als aus<lb/> Ueberzeugung miteinſtimmte.“</p><lb/> <p>Er hatte ſchon während dieſer letzten Worte zu ſpielen,<lb/> begonnen. Es waren zuerſt leiſe Töne, die er anſchlug; aber<lb/> immer voller, immer mächtiger rauſchten ſie unter ſeinen Hän¬<lb/> den auf. Er ſchien kein beſtimmtes Muſikſtück vorzutragen,<lb/> ſondern ganz einer innern Eingebung zu folgen. Sein Haupt<lb/> war leicht zurückgebogen, den Blick halb durch die geſenkte<lb/> Wimper verſchleiert; auf ſeiner blaſſen Stirn lag der Reflex<lb/> des Lampenlichtes wie ein Glorienſchein.</p><lb/> <p>In tiefes Lauſchen verſunken, ſaß ich da. Von draußen<lb/> drang der Duft der Lindenblüthen in's Gemach herein und<lb/> quoll mit den feierlichen Schwingungen der Töne zuſammen.</p><lb/> <p>Als jetzt der Pater mit einer lang nachhallenden Cadenz<lb/> ſchloß, machte ich meinen Gefühlen in den Worten Luft:<lb/> „Wahrlich, Sie ſind beneidenswerth! Welch' ein herrliches,<lb/> reiches Daſein führen Sie in ihrer Abgeſchiedenheit. Geſtehen<lb/> Sie,“ fuhr ich, mich erhebend, fort, „daß Sie glücklich ſind,<lb/> ſo glücklich, als es nur irgend eine ſtillbegnügte Menſchenſeele<lb/> ſein kann!“</p><lb/> <p>„Ja,“ ſagte er, indem er gleichfalls aufſtand und mich<lb/> mit leuchtenden Augen anſah, „ich <hi rendition="#g">bin</hi> glücklich. Aber auch ich<lb/> war es nicht immer. Denn das Kleid, das ich trage, iſt kein<lb/> dreifaches Erz und wappnet die Bruſt nicht immer gegen die<lb/> Gewalten des Lebens. Wenn wir, wie ich hoffe, näher mit<lb/></p> </body> </text> </TEI> [29/0045]
mir ſchien, mehr aus pflichtſchuldiger Höflichkeit, als aus
Ueberzeugung miteinſtimmte.“
Er hatte ſchon während dieſer letzten Worte zu ſpielen,
begonnen. Es waren zuerſt leiſe Töne, die er anſchlug; aber
immer voller, immer mächtiger rauſchten ſie unter ſeinen Hän¬
den auf. Er ſchien kein beſtimmtes Muſikſtück vorzutragen,
ſondern ganz einer innern Eingebung zu folgen. Sein Haupt
war leicht zurückgebogen, den Blick halb durch die geſenkte
Wimper verſchleiert; auf ſeiner blaſſen Stirn lag der Reflex
des Lampenlichtes wie ein Glorienſchein.
In tiefes Lauſchen verſunken, ſaß ich da. Von draußen
drang der Duft der Lindenblüthen in's Gemach herein und
quoll mit den feierlichen Schwingungen der Töne zuſammen.
Als jetzt der Pater mit einer lang nachhallenden Cadenz
ſchloß, machte ich meinen Gefühlen in den Worten Luft:
„Wahrlich, Sie ſind beneidenswerth! Welch' ein herrliches,
reiches Daſein führen Sie in ihrer Abgeſchiedenheit. Geſtehen
Sie,“ fuhr ich, mich erhebend, fort, „daß Sie glücklich ſind,
ſo glücklich, als es nur irgend eine ſtillbegnügte Menſchenſeele
ſein kann!“
„Ja,“ ſagte er, indem er gleichfalls aufſtand und mich
mit leuchtenden Augen anſah, „ich bin glücklich. Aber auch ich
war es nicht immer. Denn das Kleid, das ich trage, iſt kein
dreifaches Erz und wappnet die Bruſt nicht immer gegen die
Gewalten des Lebens. Wenn wir, wie ich hoffe, näher mit
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