Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.ausnehmen; man müßte denn voraussetzen, daß ich es mit "Und hiezu," sagte ich von dem warmen und dabei Er sah mich etwas überrascht an. "Nun, dieser Vorzug "Deren Sie sich doch nicht selbst anklagen werden?" rief "Muß es denn nicht Jeder, dessen Leben ohne bestimmtes, 2*
ausnehmen; man müßte denn vorausſetzen, daß ich es mit „Und hiezu,“ ſagte ich von dem warmen und dabei Er ſah mich etwas überraſcht an. „Nun, dieſer Vorzug „Deren Sie ſich doch nicht ſelbſt anklagen werden?“ rief „Muß es denn nicht Jeder, deſſen Leben ohne beſtimmtes, 2*
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0035" n="19"/> ausnehmen; man müßte denn vorausſetzen, daß ich es mit<lb/> dem empörten Feuereifer eines Inquiſitors durchſtöbre. Ich<lb/> geſtehe, dies iſt nicht der Fall. Ich bin vielmehr dieſer Schrift<lb/> bis jetzt mit vielem Vergnügen gefolgt; denn ich intereſſire<lb/> mich für jede wiſſenſchaftliche Leiſtung, wiche ſie auch noch ſo<lb/> ſehr von meinen eigenen Anſichten und Ueberzeugungen ab.<lb/> Ich habe ſeit jeher dem Satze gehuldigt: Prüfe Alles und<lb/> behalte von Jedem das Beſte.“</p><lb/> <p>„Und hiezu,“ ſagte ich von dem warmen und dabei<lb/> ſchlichten Ton ſeiner Worte hingeriſſen, „hiezu iſt auch die<lb/> glückliche Einſamkeit, in der Sie leben, wie geſchaffen. Hier<lb/> iſt es Ihnen vergönnt, in erhabener Ruhe an Alles, was im<lb/> Lärm des Tages hervorgebracht wird, und daher faſt ohne<lb/> Ausnahme mehr oder minder von Parteileidenſchaften gefärbt<lb/> und verfälſcht iſt, den Prüfſtein des reinen Erkennens zu<lb/> legen, und ſo recht eigentlich die Spreu vom Weizen zu<lb/> ſondern.“</p><lb/> <p>Er ſah mich etwas überraſcht an. „Nun, dieſer Vorzug<lb/> erſcheint mir denn doch kein ſo beſonderer und wünſchens¬<lb/> werther. Er iſt das gewöhnliche Attribut müßiger Beſchaulichkeit.“</p><lb/> <p>„Deren Sie ſich doch nicht ſelbſt anklagen werden?“ rief<lb/> ich aus.</p><lb/> <p>„Muß es denn nicht Jeder, deſſen Leben ohne beſtimmtes,<lb/> in irgend einer Richtung förderliches Wirken oder Hervorbrin¬<lb/> gen verläuft?“ fragte er ruhig.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">2*<lb/></fw> </body> </text> </TEI> [19/0035]
ausnehmen; man müßte denn vorausſetzen, daß ich es mit
dem empörten Feuereifer eines Inquiſitors durchſtöbre. Ich
geſtehe, dies iſt nicht der Fall. Ich bin vielmehr dieſer Schrift
bis jetzt mit vielem Vergnügen gefolgt; denn ich intereſſire
mich für jede wiſſenſchaftliche Leiſtung, wiche ſie auch noch ſo
ſehr von meinen eigenen Anſichten und Ueberzeugungen ab.
Ich habe ſeit jeher dem Satze gehuldigt: Prüfe Alles und
behalte von Jedem das Beſte.“
„Und hiezu,“ ſagte ich von dem warmen und dabei
ſchlichten Ton ſeiner Worte hingeriſſen, „hiezu iſt auch die
glückliche Einſamkeit, in der Sie leben, wie geſchaffen. Hier
iſt es Ihnen vergönnt, in erhabener Ruhe an Alles, was im
Lärm des Tages hervorgebracht wird, und daher faſt ohne
Ausnahme mehr oder minder von Parteileidenſchaften gefärbt
und verfälſcht iſt, den Prüfſtein des reinen Erkennens zu
legen, und ſo recht eigentlich die Spreu vom Weizen zu
ſondern.“
Er ſah mich etwas überraſcht an. „Nun, dieſer Vorzug
erſcheint mir denn doch kein ſo beſonderer und wünſchens¬
werther. Er iſt das gewöhnliche Attribut müßiger Beſchaulichkeit.“
„Deren Sie ſich doch nicht ſelbſt anklagen werden?“ rief
ich aus.
„Muß es denn nicht Jeder, deſſen Leben ohne beſtimmtes,
in irgend einer Richtung förderliches Wirken oder Hervorbrin¬
gen verläuft?“ fragte er ruhig.
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