Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.überkam mich eine Art Blödigkeit, jener eines Verliebten nicht "Sie sind sehr gütig, geistlicher Herr," erwiederte ich, noch "Er steht mir ja jederzeit zu Gebote. Ein um so größeres überkam mich eine Art Blödigkeit, jener eines Verliebten nicht „Sie ſind ſehr gütig, geiſtlicher Herr,“ erwiederte ich, noch „Er ſteht mir ja jederzeit zu Gebote. Ein um ſo größeres <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0032" n="16"/> überkam mich eine Art Blödigkeit, jener eines Verliebten nicht<lb/> unähnlich, der, mit dem feſten Vorſatze, ſich heute oder nie<lb/> mehr zu erklären, ſcheu und verwirrt an dem Gegenſtande<lb/> ſeiner Sehnſucht vorüberſchleicht. Ich trat unwillkürlich ſo<lb/> leiſe auf, daß mich der Prieſter gar nicht hören konnte, und<lb/> als er jetzt doch aufſah und mich, wie es ſchien, mit wohl¬<lb/> wollender Ueberraſchung betrachtete, hatte ich ſchon den rechten<lb/> Moment, ihn zu grüßen, verſäumt. Ich trat an die Bruſt¬<lb/> wehr, um meine Verlegenheit hinter dem Bewundern der Aus¬<lb/> ſicht zu verbergen. Als ich ſo daſtand, wurde es mir immer<lb/> klarer, wie wenig es mir ziemen mochte, meine Perſon dem<lb/> ſtillen, in ſich abgeſchloſſenen Manne aufzudringen; und mit<lb/> dem beſchämenden Gefühle, bald eine Taktloſigkeit begangen<lb/> zu haben, ſchickte ich mich wieder zum Fortgehen an. Da<lb/> hörte ich mich plötzlich von dem Pater im reinſten, nur etwas<lb/> hart klingenden Deutſch angeſprochen. „Herr Officier,“ ſagte<lb/> er, indem er aufſtand, „beliebt es Ihnen nicht, den Platz hier<lb/> im Schatten einzunehmen. Die Sonne verweilt bis zum Unter¬<lb/> gange über dieſem Theil des Forts; Sie würden nirgend eine<lb/> Stelle finden, die Ihnen, gleich dieſer, den behaglichen Genuß,<lb/> der Ausſicht auf die Dauer geſtattet.“</p><lb/> <p>„Sie ſind ſehr gütig, geiſtlicher Herr,“ erwiederte ich, noch<lb/> immer befangen, „daß Sie meinetwegen auf dieſen Genuß<lb/> verzichten wollen.“</p><lb/> <p>„Er ſteht mir ja jederzeit zu Gebote. Ein um ſo größeres<lb/></p> </body> </text> </TEI> [16/0032]
überkam mich eine Art Blödigkeit, jener eines Verliebten nicht
unähnlich, der, mit dem feſten Vorſatze, ſich heute oder nie
mehr zu erklären, ſcheu und verwirrt an dem Gegenſtande
ſeiner Sehnſucht vorüberſchleicht. Ich trat unwillkürlich ſo
leiſe auf, daß mich der Prieſter gar nicht hören konnte, und
als er jetzt doch aufſah und mich, wie es ſchien, mit wohl¬
wollender Ueberraſchung betrachtete, hatte ich ſchon den rechten
Moment, ihn zu grüßen, verſäumt. Ich trat an die Bruſt¬
wehr, um meine Verlegenheit hinter dem Bewundern der Aus¬
ſicht zu verbergen. Als ich ſo daſtand, wurde es mir immer
klarer, wie wenig es mir ziemen mochte, meine Perſon dem
ſtillen, in ſich abgeſchloſſenen Manne aufzudringen; und mit
dem beſchämenden Gefühle, bald eine Taktloſigkeit begangen
zu haben, ſchickte ich mich wieder zum Fortgehen an. Da
hörte ich mich plötzlich von dem Pater im reinſten, nur etwas
hart klingenden Deutſch angeſprochen. „Herr Officier,“ ſagte
er, indem er aufſtand, „beliebt es Ihnen nicht, den Platz hier
im Schatten einzunehmen. Die Sonne verweilt bis zum Unter¬
gange über dieſem Theil des Forts; Sie würden nirgend eine
Stelle finden, die Ihnen, gleich dieſer, den behaglichen Genuß,
der Ausſicht auf die Dauer geſtattet.“
„Sie ſind ſehr gütig, geiſtlicher Herr,“ erwiederte ich, noch
immer befangen, „daß Sie meinetwegen auf dieſen Genuß
verzichten wollen.“
„Er ſteht mir ja jederzeit zu Gebote. Ein um ſo größeres
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