Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

träumerisch die Flügel regten, während hin und wieder aus
der Tiefe kurze, geheimnißvolle Laute heraufdrangen.

Nachdem ich das schlummernde Wasserreich langsam um¬
schritten hatte, trat ich in ein nahes Bosquet, in welchem ich
eine Bank vermuthete und auch wirklich am Sockel einer Na¬
jade aus Sandstein antraf. Und wie ich jetzt unter den
schweigenden Wipfeln saß und dem leisen Weben der Nacht
lauschte, da wurde, was ich vorgestern hier erlebt, wieder in
meinem Geiste lebendig. Ich sah die Gestalten der Schlo߬
bewohner vor mir bis auf den kleinsten, feinsten Zug: den
stolzen, finsteren Freiherrn; das schöne, blühende Weib mit
den dunklen Sammetaugen; das ernste blonde Mädchen --
und den jungen Grafen, der den Kahn dort auf der stillen
Wasserfläche gelenkt hatte . . . . .

Da glaubte ich mit einmal ferne Tritte zu hören. Ich hatte
mich nicht getäuscht; sie kamen näher und näher -- und schon
klangen bekannte Stimmen an mein Ohr, zwar gedämpft, doch
deutlich vernehmbar in der Stille der Nacht.

"Ich sage Dir nur, daß sie Dich liebt!"

"Wenn auch. Meine Schuld ist es nicht; Du weißt
doch, daß ich sie stets mit der größten Gleichgiltigkeit behan¬
delt habe."

"Das ist wahr; aber mich dauert das arme Kind. Sie
hat viel von ihrem Vater, nimmt Alles ernst und schwer;

träumeriſch die Flügel regten, während hin und wieder aus
der Tiefe kurze, geheimnißvolle Laute heraufdrangen.

Nachdem ich das ſchlummernde Waſſerreich langſam um¬
ſchritten hatte, trat ich in ein nahes Bosquet, in welchem ich
eine Bank vermuthete und auch wirklich am Sockel einer Na¬
jade aus Sandſtein antraf. Und wie ich jetzt unter den
ſchweigenden Wipfeln ſaß und dem leiſen Weben der Nacht
lauſchte, da wurde, was ich vorgeſtern hier erlebt, wieder in
meinem Geiſte lebendig. Ich ſah die Geſtalten der Schlo߬
bewohner vor mir bis auf den kleinſten, feinſten Zug: den
ſtolzen, finſteren Freiherrn; das ſchöne, blühende Weib mit
den dunklen Sammetaugen; das ernſte blonde Mädchen —
und den jungen Grafen, der den Kahn dort auf der ſtillen
Waſſerfläche gelenkt hatte . . . . .

Da glaubte ich mit einmal ferne Tritte zu hören. Ich hatte
mich nicht getäuſcht; ſie kamen näher und näher — und ſchon
klangen bekannte Stimmen an mein Ohr, zwar gedämpft, doch
deutlich vernehmbar in der Stille der Nacht.

„Ich ſage Dir nur, daß ſie Dich liebt!“

„Wenn auch. Meine Schuld iſt es nicht; Du weißt
doch, daß ich ſie ſtets mit der größten Gleichgiltigkeit behan¬
delt habe.“

„Das iſt wahr; aber mich dauert das arme Kind. Sie
hat viel von ihrem Vater, nimmt Alles ernſt und ſchwer;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0283" n="267"/>
träumeri&#x017F;ch die Flügel regten, während hin und wieder aus<lb/>
der Tiefe kurze, geheimnißvolle Laute heraufdrangen.</p><lb/>
          <p>Nachdem ich das &#x017F;chlummernde Wa&#x017F;&#x017F;erreich lang&#x017F;am um¬<lb/>
&#x017F;chritten hatte, trat ich in ein nahes Bosquet, in welchem ich<lb/>
eine Bank vermuthete und auch wirklich am Sockel einer Na¬<lb/>
jade aus Sand&#x017F;tein antraf. Und wie ich jetzt unter den<lb/>
&#x017F;chweigenden Wipfeln &#x017F;aß und dem lei&#x017F;en Weben der Nacht<lb/>
lau&#x017F;chte, da wurde, was ich vorge&#x017F;tern hier erlebt, wieder in<lb/>
meinem Gei&#x017F;te lebendig. Ich &#x017F;ah die Ge&#x017F;talten der Schlo߬<lb/>
bewohner vor mir bis auf den klein&#x017F;ten, fein&#x017F;ten Zug: den<lb/>
&#x017F;tolzen, fin&#x017F;teren Freiherrn; das &#x017F;chöne, blühende Weib mit<lb/>
den dunklen Sammetaugen; das ern&#x017F;te blonde Mädchen &#x2014;<lb/>
und den jungen Grafen, der den Kahn dort auf der &#x017F;tillen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erfläche gelenkt hatte . . . . .</p><lb/>
          <p>Da glaubte ich mit einmal ferne Tritte zu hören. Ich hatte<lb/>
mich nicht getäu&#x017F;cht; &#x017F;ie kamen näher und näher &#x2014; und &#x017F;chon<lb/>
klangen bekannte Stimmen an mein Ohr, zwar gedämpft, doch<lb/>
deutlich vernehmbar in der Stille der Nacht.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich &#x017F;age Dir nur, daß &#x017F;ie Dich liebt!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn auch. Meine Schuld i&#x017F;t es nicht; Du weißt<lb/>
doch, daß ich &#x017F;ie &#x017F;tets mit der größten Gleichgiltigkeit behan¬<lb/>
delt habe.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t wahr; aber mich dauert das arme Kind. Sie<lb/>
hat viel von ihrem Vater, nimmt Alles ern&#x017F;t und &#x017F;chwer;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0283] träumeriſch die Flügel regten, während hin und wieder aus der Tiefe kurze, geheimnißvolle Laute heraufdrangen. Nachdem ich das ſchlummernde Waſſerreich langſam um¬ ſchritten hatte, trat ich in ein nahes Bosquet, in welchem ich eine Bank vermuthete und auch wirklich am Sockel einer Na¬ jade aus Sandſtein antraf. Und wie ich jetzt unter den ſchweigenden Wipfeln ſaß und dem leiſen Weben der Nacht lauſchte, da wurde, was ich vorgeſtern hier erlebt, wieder in meinem Geiſte lebendig. Ich ſah die Geſtalten der Schlo߬ bewohner vor mir bis auf den kleinſten, feinſten Zug: den ſtolzen, finſteren Freiherrn; das ſchöne, blühende Weib mit den dunklen Sammetaugen; das ernſte blonde Mädchen — und den jungen Grafen, der den Kahn dort auf der ſtillen Waſſerfläche gelenkt hatte . . . . . Da glaubte ich mit einmal ferne Tritte zu hören. Ich hatte mich nicht getäuſcht; ſie kamen näher und näher — und ſchon klangen bekannte Stimmen an mein Ohr, zwar gedämpft, doch deutlich vernehmbar in der Stille der Nacht. „Ich ſage Dir nur, daß ſie Dich liebt!“ „Wenn auch. Meine Schuld iſt es nicht; Du weißt doch, daß ich ſie ſtets mit der größten Gleichgiltigkeit behan¬ delt habe.“ „Das iſt wahr; aber mich dauert das arme Kind. Sie hat viel von ihrem Vater, nimmt Alles ernſt und ſchwer;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/283
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/283>, abgerufen am 23.11.2024.