Tische. Dürfte ich einstweilen um Ihre Karte bitten, um die¬ selbe Seiner Excellenz überbringen zu lassen." Ich war also dem Geschicke verfallen. Widerstandslos übergab ich dem Manne die Karte und schritt, nachdem er sich entfernt hatte, im Zimmer auf und nieder, wobei ich gedankenlos die Land¬ schafts- und Schlachtenbilder im Geschmacke Salvator Rosa's betrachtete, die an den Wänden hingen. Dann trat ich an's nächste Fenster. Es ging auf das wohlgepflegte Parterre des Schloßparkes hinaus, in dessen Mitte ein hochstämmiger Rosen¬ flor seine duftige Pracht entfaltete. Nachdem ich eine Zeit lang in das funkelnde Farbengemisch von Blumen und Rasen, von Himmel und Baumwipfeln hinein geblickt hatte, nahm ich etwas von den bereitstehenden Erfrischungen und streckte mich endlich auf ein bequemes Sopha hin, zuvor noch meinem Die¬ ner auftragend, sich in einer Stunde wieder bei mir einzufin¬ den. Ich gedachte, ein wenig zu schlummern; aber war es nun Uebermüdung oder innere Erregung -- es wollte mir nicht gelingen. Während ich mich so eine Weile unruhig hin und her bewegte, vernahm ich, wie über mir ein Flügel ange¬ schlagen wurde. Nach einem kurzen, ernsten Präludium begann eine klangvolle Altstimme ein Lied zu singen, in welchem ich alsbald, der Melodie und dem deutlich vernehmbaren lateini¬ schen Texte nach, ein geistliches erkannte. Mit jener tiefen, leidenschaftlichen Inbrunst, welche die katholische Kirchenmusik kennzeichnet, drangen die Töne in den Park hinaus und
Tiſche. Dürfte ich einſtweilen um Ihre Karte bitten, um die¬ ſelbe Seiner Excellenz überbringen zu laſſen.“ Ich war alſo dem Geſchicke verfallen. Widerſtandslos übergab ich dem Manne die Karte und ſchritt, nachdem er ſich entfernt hatte, im Zimmer auf und nieder, wobei ich gedankenlos die Land¬ ſchafts- und Schlachtenbilder im Geſchmacke Salvator Roſa's betrachtete, die an den Wänden hingen. Dann trat ich an's nächſte Fenſter. Es ging auf das wohlgepflegte Parterre des Schloßparkes hinaus, in deſſen Mitte ein hochſtämmiger Roſen¬ flor ſeine duftige Pracht entfaltete. Nachdem ich eine Zeit lang in das funkelnde Farbengemiſch von Blumen und Raſen, von Himmel und Baumwipfeln hinein geblickt hatte, nahm ich etwas von den bereitſtehenden Erfriſchungen und ſtreckte mich endlich auf ein bequemes Sopha hin, zuvor noch meinem Die¬ ner auftragend, ſich in einer Stunde wieder bei mir einzufin¬ den. Ich gedachte, ein wenig zu ſchlummern; aber war es nun Uebermüdung oder innere Erregung — es wollte mir nicht gelingen. Während ich mich ſo eine Weile unruhig hin und her bewegte, vernahm ich, wie über mir ein Flügel ange¬ ſchlagen wurde. Nach einem kurzen, ernſten Präludium begann eine klangvolle Altſtimme ein Lied zu ſingen, in welchem ich alsbald, der Melodie und dem deutlich vernehmbaren lateini¬ ſchen Texte nach, ein geiſtliches erkannte. Mit jener tiefen, leidenſchaftlichen Inbrunſt, welche die katholiſche Kirchenmuſik kennzeichnet, drangen die Töne in den Park hinaus und
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Tiſche. Dürfte ich einſtweilen um Ihre Karte bitten, um die¬
ſelbe Seiner Excellenz überbringen zu laſſen.“ Ich war alſo
dem Geſchicke verfallen. Widerſtandslos übergab ich dem
Manne die Karte und ſchritt, nachdem er ſich entfernt hatte,
im Zimmer auf und nieder, wobei ich gedankenlos die Land¬
ſchafts- und Schlachtenbilder im Geſchmacke Salvator Roſa's
betrachtete, die an den Wänden hingen. Dann trat ich an's
nächſte Fenſter. Es ging auf das wohlgepflegte Parterre des
Schloßparkes hinaus, in deſſen Mitte ein hochſtämmiger Roſen¬
flor ſeine duftige Pracht entfaltete. Nachdem ich eine Zeit
lang in das funkelnde Farbengemiſch von Blumen und Raſen,
von Himmel und Baumwipfeln hinein geblickt hatte, nahm ich
etwas von den bereitſtehenden Erfriſchungen und ſtreckte mich
endlich auf ein bequemes Sopha hin, zuvor noch meinem Die¬
ner auftragend, ſich in einer Stunde wieder bei mir einzufin¬
den. Ich gedachte, ein wenig zu ſchlummern; aber war es
nun Uebermüdung oder innere Erregung — es wollte mir
nicht gelingen. Während ich mich ſo eine Weile unruhig hin
und her bewegte, vernahm ich, wie über mir ein Flügel ange¬
ſchlagen wurde. Nach einem kurzen, ernſten Präludium begann
eine klangvolle Altſtimme ein Lied zu ſingen, in welchem ich
alsbald, der Melodie und dem deutlich vernehmbaren lateini¬
ſchen Texte nach, ein geiſtliches erkannte. Mit jener tiefen,
leidenſchaftlichen Inbrunſt, welche die katholiſche Kirchenmuſik
kennzeichnet, drangen die Töne in den Park hinaus und
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/268>, abgerufen am 23.11.2024.
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