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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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mit dem päpstlichen Stuhle abgeschlossen hatte. Dabei war er
ob seines verletzend stolzen und finsteren Wesens, das er wie
absichtlich zur Schau trug, auch persönlich sehr unbeliebt; selbst
bei Solchen, die seine Anschauungen theilten, und wenn er
sich bei gewissen feierlichen Gelegenheiten öffentlich zeigte, so
rief sein Erscheinen, da man sich damals nicht laut zu äußern
wagte, stets das dumpfe Schweigen des Grolles und Mi߬
muthes hervor. Nicht minder als er -- freilich in ganz an¬
derer Weise -- war seine Gemahlin bekannt und berüchtigt.
Einem alten Grafengeschlechte entstammend und von einer
Schönheit, die in Folge höchst eigenthümlicher Verschmelzung
des Hoheitsvollen mit dem Reizenden geradezu einzig genannt
werden konnte: stand sie in dem Ruf, eine Art Messalina zu
sein. Das Tagesgespräch wurde nicht müde, von ihren Aben¬
teuern das Unglaublichste in Umlauf zu bringen; ja man be¬
zeichnete sogar die Männer, welche sich, allen Schichten der
Gesellschaft angehörend, ihrer Gunst sollten erfreut haben.
Trotzdem war sie nicht etwa der Gegenstand sittlicher Ent¬
rüstung; sie zählte vielmehr zu den bewundertsten Frauen der
Residenz. Wenn sie, und zwar in der Regel allein, oder doch
nur an der Seite ihres Gatten, der sich mit seinen weißen
Haaren und den harten, unfreundlichen Zügen seltsam genug
neben ihr ausnahm, im offenen Wagen durch die Alleen des
Praters fuhr: da bildeten die Fußgänger, wie gebannt, nur eine
dichtgedrängte Reihe, um sich an dem unvergleichlichen Adel

mit dem päpſtlichen Stuhle abgeſchloſſen hatte. Dabei war er
ob ſeines verletzend ſtolzen und finſteren Weſens, das er wie
abſichtlich zur Schau trug, auch perſönlich ſehr unbeliebt; ſelbſt
bei Solchen, die ſeine Anſchauungen theilten, und wenn er
ſich bei gewiſſen feierlichen Gelegenheiten öffentlich zeigte, ſo
rief ſein Erſcheinen, da man ſich damals nicht laut zu äußern
wagte, ſtets das dumpfe Schweigen des Grolles und Mi߬
muthes hervor. Nicht minder als er — freilich in ganz an¬
derer Weiſe — war ſeine Gemahlin bekannt und berüchtigt.
Einem alten Grafengeſchlechte entſtammend und von einer
Schönheit, die in Folge höchſt eigenthümlicher Verſchmelzung
des Hoheitsvollen mit dem Reizenden geradezu einzig genannt
werden konnte: ſtand ſie in dem Ruf, eine Art Meſſalina zu
ſein. Das Tagesgeſpräch wurde nicht müde, von ihren Aben¬
teuern das Unglaublichſte in Umlauf zu bringen; ja man be¬
zeichnete ſogar die Männer, welche ſich, allen Schichten der
Geſellſchaft angehörend, ihrer Gunſt ſollten erfreut haben.
Trotzdem war ſie nicht etwa der Gegenſtand ſittlicher Ent¬
rüſtung; ſie zählte vielmehr zu den bewundertſten Frauen der
Reſidenz. Wenn ſie, und zwar in der Regel allein, oder doch
nur an der Seite ihres Gatten, der ſich mit ſeinen weißen
Haaren und den harten, unfreundlichen Zügen ſeltſam genug
neben ihr ausnahm, im offenen Wagen durch die Alleen des
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[250/0266] mit dem päpſtlichen Stuhle abgeſchloſſen hatte. Dabei war er ob ſeines verletzend ſtolzen und finſteren Weſens, das er wie abſichtlich zur Schau trug, auch perſönlich ſehr unbeliebt; ſelbſt bei Solchen, die ſeine Anſchauungen theilten, und wenn er ſich bei gewiſſen feierlichen Gelegenheiten öffentlich zeigte, ſo rief ſein Erſcheinen, da man ſich damals nicht laut zu äußern wagte, ſtets das dumpfe Schweigen des Grolles und Mi߬ muthes hervor. Nicht minder als er — freilich in ganz an¬ derer Weiſe — war ſeine Gemahlin bekannt und berüchtigt. Einem alten Grafengeſchlechte entſtammend und von einer Schönheit, die in Folge höchſt eigenthümlicher Verſchmelzung des Hoheitsvollen mit dem Reizenden geradezu einzig genannt werden konnte: ſtand ſie in dem Ruf, eine Art Meſſalina zu ſein. Das Tagesgeſpräch wurde nicht müde, von ihren Aben¬ teuern das Unglaublichſte in Umlauf zu bringen; ja man be¬ zeichnete ſogar die Männer, welche ſich, allen Schichten der Geſellſchaft angehörend, ihrer Gunſt ſollten erfreut haben. Trotzdem war ſie nicht etwa der Gegenſtand ſittlicher Ent¬ rüſtung; ſie zählte vielmehr zu den bewundertſten Frauen der Reſidenz. Wenn ſie, und zwar in der Regel allein, oder doch nur an der Seite ihres Gatten, der ſich mit ſeinen weißen Haaren und den harten, unfreundlichen Zügen ſeltſam genug neben ihr ausnahm, im offenen Wagen durch die Alleen des Praters fuhr: da bildeten die Fußgänger, wie gebannt, nur eine dichtgedrängte Reihe, um ſich an dem unvergleichlichen Adel

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/266>, abgerufen am 23.11.2024.