Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.aussehender Mann auf mich zu kam. Er gab sich, höflich "Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg", antwortete "Der Staatsrath Reichegg?" fuhr ich überrascht "Ja wohl. Seine Excellenz sind auch gegenwärtig mit Ich versank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen; ausſehender Mann auf mich zu kam. Er gab ſich, höflich „Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg“, antwortete „Der Staatsrath Reichegg?“ fuhr ich überraſcht „Ja wohl. Seine Excellenz ſind auch gegenwärtig mit Ich verſank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0265" n="249"/> ausſehender Mann auf mich zu kam. Er gab ſich, höflich<lb/> grüßend, als Verwalter des Schloſſes zu erkennen und hatte<lb/> ein leichtes, mit kräftigen Braunen beſpanntes Gefährt mitge¬<lb/> bracht, welches ich auf ſeine Einladung mit ihm und meinem<lb/> Diener beſtieg. Während er nun, an meiner Seite ſitzend,<lb/> den Pferden die Zügel ſchießen ließ, und wir auf einem be¬<lb/> quemen Parkwege die Höhe hinanrollten, fragte ich ihn, wer<lb/> denn eigentlich der Herr des Schloſſes ſei.</p><lb/> <p>„Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg“, antwortete<lb/> er mit einer gewiſſen beſcheidenen Wichtigkeit.</p><lb/> <p>„<hi rendition="#g">Der Staatsrath Reichegg</hi>?“ fuhr ich überraſcht<lb/> fort. —</p><lb/> <p>„Ja wohl. Seine Excellenz ſind auch gegenwärtig mit<lb/> Gemahlin und Tochter hier anweſend.“</p><lb/> <p>Ich verſank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen;<lb/> auf eine ſolche Begegnung war ich nicht vorbereitet geweſen.<lb/> Der Freiherr gehörte zu den bekannteſten und genannteſten<lb/> politiſchen Perſönlichkeiten jener Zeit. Im Staatsdienſte und<lb/> in der Schule Metternich's ergraut, ſtand er mit an der Spitze<lb/> aller rückläufigen Beſtrebungen, welche in Oeſterreich nach dem<lb/> Jahre Achtundvierzig mehr und mehr Platz griffen. Seine ſtreng<lb/> ariſtokratiſchen und feudalen Grundſätze, ſo wie ſeine unter¬<lb/> würfige Hinneigung zu den Gewalten der Kirche waren ſprich¬<lb/> wörtlich geworden und er wurde allgemein als einer der<lb/> Haupturheber des Concordates bezeichnet, das man vor Kurzem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0265]
ausſehender Mann auf mich zu kam. Er gab ſich, höflich
grüßend, als Verwalter des Schloſſes zu erkennen und hatte
ein leichtes, mit kräftigen Braunen beſpanntes Gefährt mitge¬
bracht, welches ich auf ſeine Einladung mit ihm und meinem
Diener beſtieg. Während er nun, an meiner Seite ſitzend,
den Pferden die Zügel ſchießen ließ, und wir auf einem be¬
quemen Parkwege die Höhe hinanrollten, fragte ich ihn, wer
denn eigentlich der Herr des Schloſſes ſei.
„Seine Excellenz, der Freiherr von Reichegg“, antwortete
er mit einer gewiſſen beſcheidenen Wichtigkeit.
„Der Staatsrath Reichegg?“ fuhr ich überraſcht
fort. —
„Ja wohl. Seine Excellenz ſind auch gegenwärtig mit
Gemahlin und Tochter hier anweſend.“
Ich verſank in ein eigenthümlich bewegtes Schweigen;
auf eine ſolche Begegnung war ich nicht vorbereitet geweſen.
Der Freiherr gehörte zu den bekannteſten und genannteſten
politiſchen Perſönlichkeiten jener Zeit. Im Staatsdienſte und
in der Schule Metternich's ergraut, ſtand er mit an der Spitze
aller rückläufigen Beſtrebungen, welche in Oeſterreich nach dem
Jahre Achtundvierzig mehr und mehr Platz griffen. Seine ſtreng
ariſtokratiſchen und feudalen Grundſätze, ſo wie ſeine unter¬
würfige Hinneigung zu den Gewalten der Kirche waren ſprich¬
wörtlich geworden und er wurde allgemein als einer der
Haupturheber des Concordates bezeichnet, das man vor Kurzem
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