Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

sie weist Alles zurück und zieht es vor, von Musikstunden zu
leben. Was sie fordert, ist Liebe und wieder Liebe -- und
die kann ich ihr nicht geben."

"Nun, dann wäre es Ihre Pflicht, Ludovica zart und
schonungsvoll nach und nach mit ihrer Lage vertraut zu machen,
in welcher sie sich, von Schmerz und Leidenschaft verwirrt,
nicht allsogleich zurecht finden kann. Keineswegs aber durften
Sie die Aermste ungeduldig und grausam von sich stoßen und
ihr auf's unwürdigste drohen."

"Das that ich, weil sie nach unwürdigen Mitteln griff,
mich wieder zu gewinnen. Sie hat ihre Schwester vor mir
herabgesetzt, hat den Verdacht in mir erwecken wollen, daß
mich Mimi nicht liebt."

"Und wenn sie Recht hätte", sagte ich ernst.

Er zuckte zusammen und blieb stehen. "Sie sprechen in
Ludovica's Interesse!" rief er.

"Mein Herr", sagte ich, indem ich mich jetzt gleichfalls
erhob und auf ihn zutrat, "es mag sein, daß der Schritt, den
ich unternommen, Sie einigermaßen berechtigt, Zweifel in die
völlige Aufrichtigkeit meiner Worte zu setzen. Allein, wenn
Sie in meiner Seele lesen könnten, so würden Sie die Ueber¬
zeugung gewinnen, wie ehrlich, wie wahr ich es, nicht blos
mit Ludovica, sondern auch mit Ihnen meine. Ich wieder¬
hole es: Marie Mensfeld liebt Sie nicht." Und da er
schmerzlich betroffen zu Boden sah, fuhr ich rasch fort: "Nicht

ſie weiſt Alles zurück und zieht es vor, von Muſikſtunden zu
leben. Was ſie fordert, iſt Liebe und wieder Liebe — und
die kann ich ihr nicht geben.“

„Nun, dann wäre es Ihre Pflicht, Ludovica zart und
ſchonungsvoll nach und nach mit ihrer Lage vertraut zu machen,
in welcher ſie ſich, von Schmerz und Leidenſchaft verwirrt,
nicht allſogleich zurecht finden kann. Keineswegs aber durften
Sie die Aermſte ungeduldig und grauſam von ſich ſtoßen und
ihr auf's unwürdigſte drohen.“

„Das that ich, weil ſie nach unwürdigen Mitteln griff,
mich wieder zu gewinnen. Sie hat ihre Schweſter vor mir
herabgeſetzt, hat den Verdacht in mir erwecken wollen, daß
mich Mimi nicht liebt.“

„Und wenn ſie Recht hätte“, ſagte ich ernſt.

Er zuckte zuſammen und blieb ſtehen. „Sie ſprechen in
Ludovica's Intereſſe!“ rief er.

„Mein Herr“, ſagte ich, indem ich mich jetzt gleichfalls
erhob und auf ihn zutrat, „es mag ſein, daß der Schritt, den
ich unternommen, Sie einigermaßen berechtigt, Zweifel in die
völlige Aufrichtigkeit meiner Worte zu ſetzen. Allein, wenn
Sie in meiner Seele leſen könnten, ſo würden Sie die Ueber¬
zeugung gewinnen, wie ehrlich, wie wahr ich es, nicht blos
mit Ludovica, ſondern auch mit Ihnen meine. Ich wieder¬
hole es: Marie Mensfeld liebt Sie nicht.“ Und da er
ſchmerzlich betroffen zu Boden ſah, fuhr ich raſch fort: „Nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="230"/>
&#x017F;ie wei&#x017F;t Alles zurück und zieht es vor, von Mu&#x017F;ik&#x017F;tunden zu<lb/>
leben. Was &#x017F;ie fordert, i&#x017F;t Liebe und wieder Liebe &#x2014; und<lb/>
die kann ich ihr nicht geben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, dann wäre es Ihre Pflicht, Ludovica zart und<lb/>
&#x017F;chonungsvoll nach und nach mit ihrer Lage vertraut zu machen,<lb/>
in welcher &#x017F;ie &#x017F;ich, von Schmerz und Leiden&#x017F;chaft verwirrt,<lb/>
nicht all&#x017F;ogleich zurecht finden kann. Keineswegs aber durften<lb/>
Sie die Aerm&#x017F;te ungeduldig und grau&#x017F;am von &#x017F;ich &#x017F;toßen und<lb/>
ihr auf's unwürdig&#x017F;te drohen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das that ich, weil &#x017F;ie nach unwürdigen Mitteln griff,<lb/>
mich wieder zu gewinnen. Sie hat ihre Schwe&#x017F;ter vor mir<lb/>
herabge&#x017F;etzt, hat den Verdacht in mir erwecken wollen, daß<lb/>
mich Mimi nicht liebt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wenn &#x017F;ie Recht hätte&#x201C;, &#x017F;agte ich ern&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Er zuckte zu&#x017F;ammen und blieb &#x017F;tehen. &#x201E;Sie &#x017F;prechen in<lb/>
Ludovica's Intere&#x017F;&#x017F;e!&#x201C; rief er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Herr&#x201C;, &#x017F;agte ich, indem ich mich jetzt gleichfalls<lb/>
erhob und auf ihn zutrat, &#x201E;es mag &#x017F;ein, daß der Schritt, den<lb/>
ich unternommen, Sie einigermaßen berechtigt, Zweifel in die<lb/>
völlige Aufrichtigkeit meiner Worte zu &#x017F;etzen. Allein, wenn<lb/>
Sie in meiner Seele le&#x017F;en könnten, &#x017F;o würden Sie die Ueber¬<lb/>
zeugung gewinnen, wie ehrlich, wie wahr ich es, nicht blos<lb/>
mit Ludovica, &#x017F;ondern auch mit <hi rendition="#g">Ihnen</hi> meine. Ich wieder¬<lb/>
hole es: Marie Mensfeld liebt Sie <hi rendition="#g">nicht</hi>.&#x201C; Und da er<lb/>
&#x017F;chmerzlich betroffen zu Boden &#x017F;ah, fuhr ich ra&#x017F;ch fort: &#x201E;Nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0246] ſie weiſt Alles zurück und zieht es vor, von Muſikſtunden zu leben. Was ſie fordert, iſt Liebe und wieder Liebe — und die kann ich ihr nicht geben.“ „Nun, dann wäre es Ihre Pflicht, Ludovica zart und ſchonungsvoll nach und nach mit ihrer Lage vertraut zu machen, in welcher ſie ſich, von Schmerz und Leidenſchaft verwirrt, nicht allſogleich zurecht finden kann. Keineswegs aber durften Sie die Aermſte ungeduldig und grauſam von ſich ſtoßen und ihr auf's unwürdigſte drohen.“ „Das that ich, weil ſie nach unwürdigen Mitteln griff, mich wieder zu gewinnen. Sie hat ihre Schweſter vor mir herabgeſetzt, hat den Verdacht in mir erwecken wollen, daß mich Mimi nicht liebt.“ „Und wenn ſie Recht hätte“, ſagte ich ernſt. Er zuckte zuſammen und blieb ſtehen. „Sie ſprechen in Ludovica's Intereſſe!“ rief er. „Mein Herr“, ſagte ich, indem ich mich jetzt gleichfalls erhob und auf ihn zutrat, „es mag ſein, daß der Schritt, den ich unternommen, Sie einigermaßen berechtigt, Zweifel in die völlige Aufrichtigkeit meiner Worte zu ſetzen. Allein, wenn Sie in meiner Seele leſen könnten, ſo würden Sie die Ueber¬ zeugung gewinnen, wie ehrlich, wie wahr ich es, nicht blos mit Ludovica, ſondern auch mit Ihnen meine. Ich wieder¬ hole es: Marie Mensfeld liebt Sie nicht.“ Und da er ſchmerzlich betroffen zu Boden ſah, fuhr ich raſch fort: „Nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/246
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/246>, abgerufen am 27.11.2024.