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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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die er mir anfänglich geheim hielt, welche ich aber im entschei¬
denden Augenblicke so lange bezahlte, bis ich es nicht mehr im
Stande und er auf dem Punkte war, vor Gericht gezogen zu
werden. In diesen entsetzlichen Tagen", schloß sie aufathmend,
"waren es Sie, mein Herr, der ihn gerettet."

Es entstand eine Pause; dann fuhr sie in schmerzlich ge¬
dämpftem Tone fort: "Schon früher glaubte ich zu bemerken,
daß sich zwischen Alexis und meiner jüngsten Schwester eine
Neigung entspinne. Aber ich wollte es mir nicht eingestehen,
und in meiner gewaltsamen Selbstverblendung begünstigte ich
diese Umwandlung noch insofern, als ich Vieles absichtlich
übersah, um dem Vorwurfe thörichter Eifersucht zu entgehen.
Es wäre auch vielleicht nicht zum Aeußersten gekommen, wenn
sich Alexis' Verhältnisse nicht plötzlich wie mit einem Schlage
verändert hätten. Er war nämlich in Folge früherer Bekannt¬
schaften wieder in die Gesellschaft vornehmer junger Leute
gerathen, die ihn nun als Vermittler hoher Darlehen zu be¬
nützen suchten. Da er mit der Zahlungsfähigkeit jedes Ein¬
zelnen so ziemlich vertraut war, fiel es ihm nicht schwer, Geld¬
speculanten zu finden, die sich gegen riesigen Gewinn auf
derlei Unternehmungen einließen. Einige solcher Geschäfte
hatten sich bald glänzend abgewickelt -- und seit dieser Zeit
ist Alexis ein von beiden Seiten gesuchter Mann. Sein Zim¬
mer wird nicht leer von Besuchern, die zu Roß und Wagen
vor dem Hause anlangen; überraschend hohe Summen fliegen

die er mir anfänglich geheim hielt, welche ich aber im entſchei¬
denden Augenblicke ſo lange bezahlte, bis ich es nicht mehr im
Stande und er auf dem Punkte war, vor Gericht gezogen zu
werden. In dieſen entſetzlichen Tagen“, ſchloß ſie aufathmend,
„waren es Sie, mein Herr, der ihn gerettet.“

Es entſtand eine Pauſe; dann fuhr ſie in ſchmerzlich ge¬
dämpftem Tone fort: „Schon früher glaubte ich zu bemerken,
daß ſich zwiſchen Alexis und meiner jüngſten Schweſter eine
Neigung entſpinne. Aber ich wollte es mir nicht eingeſtehen,
und in meiner gewaltſamen Selbſtverblendung begünſtigte ich
dieſe Umwandlung noch inſofern, als ich Vieles abſichtlich
überſah, um dem Vorwurfe thörichter Eiferſucht zu entgehen.
Es wäre auch vielleicht nicht zum Aeußerſten gekommen, wenn
ſich Alexis' Verhältniſſe nicht plötzlich wie mit einem Schlage
verändert hätten. Er war nämlich in Folge früherer Bekannt¬
ſchaften wieder in die Geſellſchaft vornehmer junger Leute
gerathen, die ihn nun als Vermittler hoher Darlehen zu be¬
nützen ſuchten. Da er mit der Zahlungsfähigkeit jedes Ein¬
zelnen ſo ziemlich vertraut war, fiel es ihm nicht ſchwer, Geld¬
ſpeculanten zu finden, die ſich gegen rieſigen Gewinn auf
derlei Unternehmungen einließen. Einige ſolcher Geſchäfte
hatten ſich bald glänzend abgewickelt — und ſeit dieſer Zeit
iſt Alexis ein von beiden Seiten geſuchter Mann. Sein Zim¬
mer wird nicht leer von Beſuchern, die zu Roß und Wagen
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[222/0238] die er mir anfänglich geheim hielt, welche ich aber im entſchei¬ denden Augenblicke ſo lange bezahlte, bis ich es nicht mehr im Stande und er auf dem Punkte war, vor Gericht gezogen zu werden. In dieſen entſetzlichen Tagen“, ſchloß ſie aufathmend, „waren es Sie, mein Herr, der ihn gerettet.“ Es entſtand eine Pauſe; dann fuhr ſie in ſchmerzlich ge¬ dämpftem Tone fort: „Schon früher glaubte ich zu bemerken, daß ſich zwiſchen Alexis und meiner jüngſten Schweſter eine Neigung entſpinne. Aber ich wollte es mir nicht eingeſtehen, und in meiner gewaltſamen Selbſtverblendung begünſtigte ich dieſe Umwandlung noch inſofern, als ich Vieles abſichtlich überſah, um dem Vorwurfe thörichter Eiferſucht zu entgehen. Es wäre auch vielleicht nicht zum Aeußerſten gekommen, wenn ſich Alexis' Verhältniſſe nicht plötzlich wie mit einem Schlage verändert hätten. Er war nämlich in Folge früherer Bekannt¬ ſchaften wieder in die Geſellſchaft vornehmer junger Leute gerathen, die ihn nun als Vermittler hoher Darlehen zu be¬ nützen ſuchten. Da er mit der Zahlungsfähigkeit jedes Ein¬ zelnen ſo ziemlich vertraut war, fiel es ihm nicht ſchwer, Geld¬ ſpeculanten zu finden, die ſich gegen rieſigen Gewinn auf derlei Unternehmungen einließen. Einige ſolcher Geſchäfte hatten ſich bald glänzend abgewickelt — und ſeit dieſer Zeit iſt Alexis ein von beiden Seiten geſuchter Mann. Sein Zim¬ mer wird nicht leer von Beſuchern, die zu Roß und Wagen vor dem Hauſe anlangen; überraſchend hohe Summen fliegen

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/238>, abgerufen am 27.11.2024.