Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Umstände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag,
an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬
schah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen
und sagte, er sei des Militärdienstes satt und nunmehr geson¬
nen, sich der Künstlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche
Sachverhalt war, daß er bei seinem Hange zur Verschwendung,
den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬
funden, eine Schuldenlast aufgehäuft hatte, welche seine Ent¬
lassung nach sich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich
es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬
gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er sich
nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er
sich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper
aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬
ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten
mit Glück aufzutreten; ja er wurde sogar einmal nach London
berufen. Inzwischen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬
halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er sei ein
leichtsinniger, gewissenloser Mensch, hieß es, der seine Familie
an den Bettelstab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu
Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben
führe, welches für seine Zukunft das Schlimmste befürchten
lasse. Ich erkannte in all' diesen Warnungen bloße Verläum¬
dungen und niedrige Umtriebe einiger Bewerber um meine
Hand, welche ich zwar nicht übermüthig, aber mit ruhigem

Umſtände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag,
an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬
ſchah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen
und ſagte, er ſei des Militärdienſtes ſatt und nunmehr geſon¬
nen, ſich der Künſtlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche
Sachverhalt war, daß er bei ſeinem Hange zur Verſchwendung,
den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬
funden, eine Schuldenlaſt aufgehäuft hatte, welche ſeine Ent¬
laſſung nach ſich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich
es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬
gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er ſich
nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er
ſich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper
aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬
ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten
mit Glück aufzutreten; ja er wurde ſogar einmal nach London
berufen. Inzwiſchen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬
halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er ſei ein
leichtſinniger, gewiſſenloſer Menſch, hieß es, der ſeine Familie
an den Bettelſtab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu
Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben
führe, welches für ſeine Zukunft das Schlimmſte befürchten
laſſe. Ich erkannte in all' dieſen Warnungen bloße Verläum¬
dungen und niedrige Umtriebe einiger Bewerber um meine
Hand, welche ich zwar nicht übermüthig, aber mit ruhigem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0236" n="220"/>
Um&#x017F;tände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag,<lb/>
an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬<lb/>
&#x017F;chah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen<lb/>
und &#x017F;agte, er &#x017F;ei des Militärdien&#x017F;tes &#x017F;att und nunmehr ge&#x017F;on¬<lb/>
nen, &#x017F;ich der Kün&#x017F;tlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche<lb/>
Sachverhalt war, daß er bei &#x017F;einem Hange zur Ver&#x017F;chwendung,<lb/>
den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬<lb/>
funden, eine Schuldenla&#x017F;t aufgehäuft hatte, welche &#x017F;eine Ent¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung nach &#x017F;ich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich<lb/>
es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬<lb/>
gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er &#x017F;ich<lb/>
nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er<lb/>
&#x017F;ich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper<lb/>
aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬<lb/>
ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten<lb/>
mit Glück aufzutreten; ja er wurde &#x017F;ogar einmal nach London<lb/>
berufen. Inzwi&#x017F;chen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬<lb/>
halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er &#x017F;ei ein<lb/>
leicht&#x017F;inniger, gewi&#x017F;&#x017F;enlo&#x017F;er Men&#x017F;ch, hieß es, der &#x017F;eine Familie<lb/>
an den Bettel&#x017F;tab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu<lb/>
Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben<lb/>
führe, welches für &#x017F;eine Zukunft das Schlimm&#x017F;te befürchten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e. Ich erkannte in all' die&#x017F;en Warnungen bloße Verläum¬<lb/>
dungen und niedrige Umtriebe einiger Bewerber um meine<lb/>
Hand, welche ich zwar nicht übermüthig, aber mit ruhigem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0236] Umſtände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag, an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬ ſchah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen und ſagte, er ſei des Militärdienſtes ſatt und nunmehr geſon¬ nen, ſich der Künſtlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche Sachverhalt war, daß er bei ſeinem Hange zur Verſchwendung, den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬ funden, eine Schuldenlaſt aufgehäuft hatte, welche ſeine Ent¬ laſſung nach ſich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬ gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er ſich nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er ſich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬ ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten mit Glück aufzutreten; ja er wurde ſogar einmal nach London berufen. Inzwiſchen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬ halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er ſei ein leichtſinniger, gewiſſenloſer Menſch, hieß es, der ſeine Familie an den Bettelſtab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben führe, welches für ſeine Zukunft das Schlimmſte befürchten laſſe. Ich erkannte in all' dieſen Warnungen bloße Verläum¬ dungen und niedrige Umtriebe einiger Bewerber um meine Hand, welche ich zwar nicht übermüthig, aber mit ruhigem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/236
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/236>, abgerufen am 27.11.2024.