Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Kleinen wie rasend im Zimmer umherflog. Ludovica preßte Inzwischen war unter der Obsorge Anna's ein einfaches Aber der Mensch ist ein seltsames Geschöpf. Nachdem Kleinen wie raſend im Zimmer umherflog. Ludovica preßte Inzwiſchen war unter der Obſorge Anna's ein einfaches Aber der Menſch iſt ein ſeltſames Geſchöpf. Nachdem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0231" n="215"/> Kleinen wie raſend im Zimmer umherflog. Ludovica preßte<lb/> die Lippen zuſammen und ſchlug mit aller Macht in die Taſten.<lb/> Plötzlich jedoch hielt ſie inne und drückte, in ein lautes Schluch¬<lb/> zen ausbrechend, die Hände vor das Antlitz. Alexis ſtampfte<lb/> den Boden und blickte mit ſchlecht verhehltem Aerger nach ihr<lb/> hin. Die Kleine zog die Brauen empor; Anna ging hinaus.<lb/> Es war ein peinlicher, häßlicher Moment und ich hätte am<lb/> liebſten nach meinem Hute gegriffen und mich ſtill entfernt.<lb/> Ludovica ſchien es zu bemerken. Sie ſtand auf und trat mir<lb/> entgegen. „Stoßen Sie ſich nicht daran, ich bitte“, ſagte ſie.<lb/> „Es iſt nichts; ein plötzlicher Weinkrampf. Das Geigenſpielen<lb/> greift die Nerven fürchterlich an. Ich habe oft ſolche Zufälle.“</p><lb/> <p>Inzwiſchen war unter der Obſorge Anna's ein einfaches<lb/> Mahl aufgetragen worden, an das wir verſtimmt und einſilbig<lb/> gingen. Berger und Alexis verſuchten hin und wieder ein<lb/> ſcherzhaftes Wort; aber es ſchlug nicht durch. Endlich war<lb/> es Zeit, mich zu empfehlen. Ludovica zeigte ſich beim Abſchied<lb/> zurückhaltend und zerſtreut; Alexis jedoch überbot ſich an Herz¬<lb/> lichkeit. „Es freut mich außerordentlich, Sie kennen gelernt<lb/> zu haben“, ſagte er. „Ich hoffe“, fuhr er mit einem raſchen<lb/> Blicke auf Ludovica fort, „Sie recht oft hier zu treffen.“ Un¬<lb/> ten am Thore athmete ich auf und trank in langen Zügen<lb/> die klare Frühlingsnachtluft ein. Es ſtand bei mir feſt, dieſe<lb/> Schwelle nie mehr zu betreten. —</p><lb/> <p>Aber der Menſch iſt ein ſeltſames Geſchöpf. Nachdem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [215/0231]
Kleinen wie raſend im Zimmer umherflog. Ludovica preßte
die Lippen zuſammen und ſchlug mit aller Macht in die Taſten.
Plötzlich jedoch hielt ſie inne und drückte, in ein lautes Schluch¬
zen ausbrechend, die Hände vor das Antlitz. Alexis ſtampfte
den Boden und blickte mit ſchlecht verhehltem Aerger nach ihr
hin. Die Kleine zog die Brauen empor; Anna ging hinaus.
Es war ein peinlicher, häßlicher Moment und ich hätte am
liebſten nach meinem Hute gegriffen und mich ſtill entfernt.
Ludovica ſchien es zu bemerken. Sie ſtand auf und trat mir
entgegen. „Stoßen Sie ſich nicht daran, ich bitte“, ſagte ſie.
„Es iſt nichts; ein plötzlicher Weinkrampf. Das Geigenſpielen
greift die Nerven fürchterlich an. Ich habe oft ſolche Zufälle.“
Inzwiſchen war unter der Obſorge Anna's ein einfaches
Mahl aufgetragen worden, an das wir verſtimmt und einſilbig
gingen. Berger und Alexis verſuchten hin und wieder ein
ſcherzhaftes Wort; aber es ſchlug nicht durch. Endlich war
es Zeit, mich zu empfehlen. Ludovica zeigte ſich beim Abſchied
zurückhaltend und zerſtreut; Alexis jedoch überbot ſich an Herz¬
lichkeit. „Es freut mich außerordentlich, Sie kennen gelernt
zu haben“, ſagte er. „Ich hoffe“, fuhr er mit einem raſchen
Blicke auf Ludovica fort, „Sie recht oft hier zu treffen.“ Un¬
ten am Thore athmete ich auf und trank in langen Zügen
die klare Frühlingsnachtluft ein. Es ſtand bei mir feſt, dieſe
Schwelle nie mehr zu betreten. —
Aber der Menſch iſt ein ſeltſames Geſchöpf. Nachdem
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