Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Anna erröthete.

"Nicht doch", sagte ich; "es ist ein ansprechendes Bild
häuslichen Fleißes."

"Ja, fleißig ist sie, das muß man ihr lassen", fuhr
Mimi fort. "Sie ist unsere Mama; besorgt den Haushalt,
fertigt uns Kleider und Hüte an --"

"Und ihr dankt es mir nicht", sagte Anna ernst.

"Nicht böse werden!" lachte die Kleine, indem sie auf¬
sprang und die Schwester mehr muthwillig als herzlich umfing.
"Du Grausame verlässest uns ohnehin bald -- um Herrn
Berger zu heirathen."

Anna und der junge Kaufmann errötheten jetzt gemeinsam.

"Nun, schämt euch nicht! Ich gebe euch meinen Segen!"
rief Mimi mit komischem Pathos und ausgebreiteten Armen.
"Aber bedenkt, was wir und das Damentrio verlieren."

"Ich bedenke nur, was ich gewinne", sagte Berger, in¬
dem er die etwas große Hand seiner Verlobten zart an die
Lippen führte.

Das Gespräch nahm nun eine allgemeinere Wendung und
gab Alexis Gelegenheit, sich als gebildeten und geistvollen
Mann darzustellen. Obgleich er kaum über dreißig Jahre
zählen konnte, schien er bereits doch so manche Lebenserfahrung hin¬
ter sich zu haben und viel in der Welt herumgekommen zu
sein. Wie aus seinen Reden hervorging, hatte er sich in den
verschiedenartigsten Berufszweigen, zuletzt auch in der Kunst

Anna erröthete.

„Nicht doch“, ſagte ich; „es iſt ein anſprechendes Bild
häuslichen Fleißes.“

„Ja, fleißig iſt ſie, das muß man ihr laſſen“, fuhr
Mimi fort. „Sie iſt unſere Mama; beſorgt den Haushalt,
fertigt uns Kleider und Hüte an —“

„Und ihr dankt es mir nicht“, ſagte Anna ernſt.

„Nicht böſe werden!“ lachte die Kleine, indem ſie auf¬
ſprang und die Schweſter mehr muthwillig als herzlich umfing.
„Du Grauſame verläſſeſt uns ohnehin bald — um Herrn
Berger zu heirathen.“

Anna und der junge Kaufmann errötheten jetzt gemeinſam.

„Nun, ſchämt euch nicht! Ich gebe euch meinen Segen!“
rief Mimi mit komiſchem Pathos und ausgebreiteten Armen.
„Aber bedenkt, was wir und das Damentrio verlieren.“

„Ich bedenke nur, was ich gewinne“, ſagte Berger, in¬
dem er die etwas große Hand ſeiner Verlobten zart an die
Lippen führte.

Das Geſpräch nahm nun eine allgemeinere Wendung und
gab Alexis Gelegenheit, ſich als gebildeten und geiſtvollen
Mann darzuſtellen. Obgleich er kaum über dreißig Jahre
zählen konnte, ſchien er bereits doch ſo manche Lebenserfahrung hin¬
ter ſich zu haben und viel in der Welt herumgekommen zu
ſein. Wie aus ſeinen Reden hervorging, hatte er ſich in den
verſchiedenartigſten Berufszweigen, zuletzt auch in der Kunſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0228" n="212"/>
        <p>Anna erröthete.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht doch&#x201C;, &#x017F;agte ich; &#x201E;es i&#x017F;t ein an&#x017F;prechendes Bild<lb/>
häuslichen Fleißes.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, fleißig i&#x017F;t &#x017F;ie, das muß man ihr la&#x017F;&#x017F;en&#x201C;, fuhr<lb/>
Mimi fort. &#x201E;Sie i&#x017F;t un&#x017F;ere Mama; be&#x017F;orgt den Haushalt,<lb/>
fertigt uns Kleider und Hüte an &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und ihr dankt es mir nicht&#x201C;, &#x017F;agte Anna ern&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht bö&#x017F;e werden!&#x201C; lachte die Kleine, indem &#x017F;ie auf¬<lb/>
&#x017F;prang und die Schwe&#x017F;ter mehr muthwillig als herzlich umfing.<lb/>
&#x201E;Du Grau&#x017F;ame verlä&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t uns ohnehin bald &#x2014; um Herrn<lb/>
Berger zu heirathen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Anna und der junge Kaufmann errötheten jetzt gemein&#x017F;am.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, &#x017F;chämt euch nicht! Ich gebe euch meinen Segen!&#x201C;<lb/>
rief Mimi mit komi&#x017F;chem Pathos und ausgebreiteten Armen.<lb/>
&#x201E;Aber bedenkt, was wir und das Damentrio verlieren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bedenke nur, was ich gewinne&#x201C;, &#x017F;agte Berger, in¬<lb/>
dem er die etwas große Hand &#x017F;einer Verlobten zart an die<lb/>
Lippen führte.</p><lb/>
        <p>Das Ge&#x017F;präch nahm nun eine allgemeinere Wendung und<lb/>
gab Alexis Gelegenheit, &#x017F;ich als gebildeten und gei&#x017F;tvollen<lb/>
Mann darzu&#x017F;tellen. Obgleich er kaum über dreißig Jahre<lb/>
zählen konnte, &#x017F;chien er bereits doch &#x017F;o manche Lebenserfahrung hin¬<lb/>
ter &#x017F;ich zu haben und viel in der Welt herumgekommen zu<lb/>
&#x017F;ein. Wie aus &#x017F;einen Reden hervorging, hatte er &#x017F;ich in den<lb/>
ver&#x017F;chiedenartig&#x017F;ten Berufszweigen, zuletzt auch in der Kun&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0228] Anna erröthete. „Nicht doch“, ſagte ich; „es iſt ein anſprechendes Bild häuslichen Fleißes.“ „Ja, fleißig iſt ſie, das muß man ihr laſſen“, fuhr Mimi fort. „Sie iſt unſere Mama; beſorgt den Haushalt, fertigt uns Kleider und Hüte an —“ „Und ihr dankt es mir nicht“, ſagte Anna ernſt. „Nicht böſe werden!“ lachte die Kleine, indem ſie auf¬ ſprang und die Schweſter mehr muthwillig als herzlich umfing. „Du Grauſame verläſſeſt uns ohnehin bald — um Herrn Berger zu heirathen.“ Anna und der junge Kaufmann errötheten jetzt gemeinſam. „Nun, ſchämt euch nicht! Ich gebe euch meinen Segen!“ rief Mimi mit komiſchem Pathos und ausgebreiteten Armen. „Aber bedenkt, was wir und das Damentrio verlieren.“ „Ich bedenke nur, was ich gewinne“, ſagte Berger, in¬ dem er die etwas große Hand ſeiner Verlobten zart an die Lippen führte. Das Geſpräch nahm nun eine allgemeinere Wendung und gab Alexis Gelegenheit, ſich als gebildeten und geiſtvollen Mann darzuſtellen. Obgleich er kaum über dreißig Jahre zählen konnte, ſchien er bereits doch ſo manche Lebenserfahrung hin¬ ter ſich zu haben und viel in der Welt herumgekommen zu ſein. Wie aus ſeinen Reden hervorging, hatte er ſich in den verſchiedenartigſten Berufszweigen, zuletzt auch in der Kunſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/228
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/228>, abgerufen am 23.11.2024.