Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.sich ein breiter Fußpfad hin. Er schien zu den äußersten Ich verließ die Schanze und ging dem Wiesengrunde zu. Drüben um das Priesterhaus wehte eine melancholische Als ich um die Kirche bog, die gleichfalls geschlossen war, ſich ein breiter Fußpfad hin. Er ſchien zu den äußerſten Ich verließ die Schanze und ging dem Wieſengrunde zu. Drüben um das Prieſterhaus wehte eine melancholiſche Als ich um die Kirche bog, die gleichfalls geſchloſſen war, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0022" n="6"/> ſich ein breiter Fußpfad hin. Er ſchien zu den äußerſten<lb/> Werken des Forts zu führen, über welchen, verhüllend, tief¬<lb/> gelber Sonnenduft lag.</p><lb/> <p>Ich verließ die Schanze und ging dem Wieſengrunde zu.<lb/> Als ich an dem kleinen Hauſe vorüber kam, ſtand ein junges<lb/> Weib in der offenen Thüre. Sie hielt ein Kind ſäugend an<lb/> der Bruſt und ſah einem kleinen, etwa ſechsjährigen Mädchen<lb/> zu, wie es draußen mit einem munteren Zicklein ſpielte, deſſen<lb/> Sprünge eine ſcharrende Hühnerfamilie in Angſt und Ver¬<lb/> wirrung ſetzten. Bei dem Geräuſch meiner Schritte blickte ſie<lb/> auf und eine dunkle Röthe ſchoß in ihr Antlitz. Dann wandte<lb/> ſie ſich raſch und ging hinein, wobei ſie mir eine reiche Fülle<lb/> blonden Haares wies, das ihr in ungekünſtelten Flechten weit<lb/> über den Nacken hinabhing.</p><lb/> <p>Drüben um das Prieſterhaus wehte eine melancholiſche<lb/> Ruhe. Das Thor mit dem geiſtlichen Wappen darüber war<lb/> zu, und man hätte das ziemlich weitläufige Gebäude für<lb/> gänzlich unbewohnt gehalten, wären nicht einige Fenſter im<lb/> erſten Stockwerke offen und mit Blumentöpfen beſtellt geweſen.</p><lb/> <p>Als ich um die Kirche bog, die gleichfalls geſchloſſen war,<lb/> hatte ich den Friedhof voll ſchattender Weiden und Sebenbäume<lb/> zur Seite. Die Hügel waren dicht gereiht, aber ſorglich ge¬<lb/> halten und auf das ſchönſte bepflanzt. Da die Thüre des<lb/> Eiſengitters halb offen ſtand, ſo trat ich in die duftige Kühle<lb/> hinein und ſchritt langſam auf dem ſchmalen, mit feinem Sande<lb/></p> </body> </text> </TEI> [6/0022]
ſich ein breiter Fußpfad hin. Er ſchien zu den äußerſten
Werken des Forts zu führen, über welchen, verhüllend, tief¬
gelber Sonnenduft lag.
Ich verließ die Schanze und ging dem Wieſengrunde zu.
Als ich an dem kleinen Hauſe vorüber kam, ſtand ein junges
Weib in der offenen Thüre. Sie hielt ein Kind ſäugend an
der Bruſt und ſah einem kleinen, etwa ſechsjährigen Mädchen
zu, wie es draußen mit einem munteren Zicklein ſpielte, deſſen
Sprünge eine ſcharrende Hühnerfamilie in Angſt und Ver¬
wirrung ſetzten. Bei dem Geräuſch meiner Schritte blickte ſie
auf und eine dunkle Röthe ſchoß in ihr Antlitz. Dann wandte
ſie ſich raſch und ging hinein, wobei ſie mir eine reiche Fülle
blonden Haares wies, das ihr in ungekünſtelten Flechten weit
über den Nacken hinabhing.
Drüben um das Prieſterhaus wehte eine melancholiſche
Ruhe. Das Thor mit dem geiſtlichen Wappen darüber war
zu, und man hätte das ziemlich weitläufige Gebäude für
gänzlich unbewohnt gehalten, wären nicht einige Fenſter im
erſten Stockwerke offen und mit Blumentöpfen beſtellt geweſen.
Als ich um die Kirche bog, die gleichfalls geſchloſſen war,
hatte ich den Friedhof voll ſchattender Weiden und Sebenbäume
zur Seite. Die Hügel waren dicht gereiht, aber ſorglich ge¬
halten und auf das ſchönſte bepflanzt. Da die Thüre des
Eiſengitters halb offen ſtand, ſo trat ich in die duftige Kühle
hinein und ſchritt langſam auf dem ſchmalen, mit feinem Sande
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