Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.zuschieben, welche sie seit jeher eingenommen. Wahrlich, wenn Saar, Novellen aus Oesterreich. 13
zuſchieben, welche ſie ſeit jeher eingenommen. Wahrlich, wenn Saar, Novellen aus Oeſterreich. 13
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0209" n="193"/> zuſchieben, welche ſie ſeit jeher eingenommen. Wahrlich, wenn<lb/> man ihn ſo von ihren Vorzügen und Tugenden, von ihren Kräften<lb/> und Fähigkeiten reden hörte, man hätte glauben ſollen, daß<lb/> ihm die Herzen Aller zufliegen müßten. Aber ſeltſam, er war,<lb/> wie er mit ſchmerzlichem Humor geſtand, niemals geliebt wor¬<lb/> den, obgleich er ſeiner Zeit viel mit Frauen verkehrt hatte.<lb/> „Um dieſe, ſo weit dies überhaupt möglich iſt, kennen zu ler¬<lb/> nen“, pflegte er zu ſagen, „darf man von ihnen nicht geliebt<lb/> werden; denn man iſt dann leicht geneigt, ihre Gunſt als<lb/> etwas Selbſtverſtändliches hinzunehmen, und in Folge deſſen<lb/> geringer anzuſchlagen. Man muß vielmehr durch ſie ſchmerz¬<lb/> lich gelitten und geſehen haben, welchen Schatz von Treue,<lb/> Hingebung und Opferwilligkeit ſie anderen Männern, ja ſogar<lb/> ſolchen, die wir tief unter uns erblicken, entgegenbringen, um<lb/> zu erkennen, welch' ein Geſchenk des Himmels es ſei, das<lb/> Herz eines Weibes ganz und voll zu beſitzen.“ — Trotz dieſes<lb/> lebhaften und unumwundenen Austauſches von Gedanken und<lb/> Empfindungen kam es zwiſchen mir und Walberg — wie ich<lb/> den eigenthümlichen Mann, deſſen Name in Wirklichkeit viel<lb/> weniger ſtolz und anſpruchsvoll klang, hier nennen will —<lb/> zu keiner Freundſchaft im eigentlichen Sinne des Wortes. Wir<lb/> hatten hiezu Beide bereits die Geſchmeidigkeit und Spannkraft<lb/> der Jugend verloren, welche allein im Stande iſt, ſolche Bünd¬<lb/> niſſe für's Leben zu ſchließen. Unſer Verkehr beſchränkte ſich<lb/> auf anregende Tiſchgeſpräche und auf kürzere oder längere<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Saar</hi>, Novellen aus Oeſterreich. 13<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [193/0209]
zuſchieben, welche ſie ſeit jeher eingenommen. Wahrlich, wenn
man ihn ſo von ihren Vorzügen und Tugenden, von ihren Kräften
und Fähigkeiten reden hörte, man hätte glauben ſollen, daß
ihm die Herzen Aller zufliegen müßten. Aber ſeltſam, er war,
wie er mit ſchmerzlichem Humor geſtand, niemals geliebt wor¬
den, obgleich er ſeiner Zeit viel mit Frauen verkehrt hatte.
„Um dieſe, ſo weit dies überhaupt möglich iſt, kennen zu ler¬
nen“, pflegte er zu ſagen, „darf man von ihnen nicht geliebt
werden; denn man iſt dann leicht geneigt, ihre Gunſt als
etwas Selbſtverſtändliches hinzunehmen, und in Folge deſſen
geringer anzuſchlagen. Man muß vielmehr durch ſie ſchmerz¬
lich gelitten und geſehen haben, welchen Schatz von Treue,
Hingebung und Opferwilligkeit ſie anderen Männern, ja ſogar
ſolchen, die wir tief unter uns erblicken, entgegenbringen, um
zu erkennen, welch' ein Geſchenk des Himmels es ſei, das
Herz eines Weibes ganz und voll zu beſitzen.“ — Trotz dieſes
lebhaften und unumwundenen Austauſches von Gedanken und
Empfindungen kam es zwiſchen mir und Walberg — wie ich
den eigenthümlichen Mann, deſſen Name in Wirklichkeit viel
weniger ſtolz und anſpruchsvoll klang, hier nennen will —
zu keiner Freundſchaft im eigentlichen Sinne des Wortes. Wir
hatten hiezu Beide bereits die Geſchmeidigkeit und Spannkraft
der Jugend verloren, welche allein im Stande iſt, ſolche Bünd¬
niſſe für's Leben zu ſchließen. Unſer Verkehr beſchränkte ſich
auf anregende Tiſchgeſpräche und auf kürzere oder längere
Saar, Novellen aus Oeſterreich. 13
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