Ich bin ein Freund der Vergangenheit. Nicht daß ich etwa romantische Neigungen hätte und für das Ritter- und Minnewesen schwärmte -- oder für die sogenannte gute alte Zeit, die es niemals gegeben hat: nur jene Vergangenheit will ich gemeint wissen, die mit ihren Ausläufern in die Gegen¬ wart hineinreicht und welcher ich, da der Mensch nun einmal seine Jugendeindrücke nicht loswerden kann, noch dem Herzen nach angehöre. So kann ich niemals die prachtvolle Wiener- Ringstraße betreten, ohne die alten Basteien, den lauschigen Stadtgraben und das mit Kindern bevölkert gewesene Glacis zu vermissen, und es ergreift mich immer ganz seltsam, wenn irgend eine alte Baulichkeit, die sich hier und dort als Merk¬ zeichen meiner Knaben- und Jünglingszeit erhalten hat, nieder¬ gerissen wird. Daher bin ich noch zuweilen in jenen öffent¬ lichen Gärten zu finden, die in Folge neuerer Anlagen ihr Publikum verloren haben und nur mehr von verblühten Gou¬ vernanten, brodlosen Schreibern und ähnlichen Jammergestalten in lichtscheuer Kleidung tagüber als Versteck benützt werden;
Ich bin ein Freund der Vergangenheit. Nicht daß ich etwa romantiſche Neigungen hätte und für das Ritter- und Minneweſen ſchwärmte — oder für die ſogenannte gute alte Zeit, die es niemals gegeben hat: nur jene Vergangenheit will ich gemeint wiſſen, die mit ihren Ausläufern in die Gegen¬ wart hineinreicht und welcher ich, da der Menſch nun einmal ſeine Jugendeindrücke nicht loswerden kann, noch dem Herzen nach angehöre. So kann ich niemals die prachtvolle Wiener- Ringſtraße betreten, ohne die alten Baſteien, den lauſchigen Stadtgraben und das mit Kindern bevölkert geweſene Glacis zu vermiſſen, und es ergreift mich immer ganz ſeltſam, wenn irgend eine alte Baulichkeit, die ſich hier und dort als Merk¬ zeichen meiner Knaben- und Jünglingszeit erhalten hat, nieder¬ geriſſen wird. Daher bin ich noch zuweilen in jenen öffent¬ lichen Gärten zu finden, die in Folge neuerer Anlagen ihr Publikum verloren haben und nur mehr von verblühten Gou¬ vernanten, brodloſen Schreibern und ähnlichen Jammergeſtalten in lichtſcheuer Kleidung tagüber als Verſteck benützt werden;
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Ich bin ein Freund der Vergangenheit. Nicht daß ich
etwa romantiſche Neigungen hätte und für das Ritter- und
Minneweſen ſchwärmte — oder für die ſogenannte gute alte
Zeit, die es niemals gegeben hat: nur jene Vergangenheit will
ich gemeint wiſſen, die mit ihren Ausläufern in die Gegen¬
wart hineinreicht und welcher ich, da der Menſch nun einmal
ſeine Jugendeindrücke nicht loswerden kann, noch dem Herzen
nach angehöre. So kann ich niemals die prachtvolle Wiener-
Ringſtraße betreten, ohne die alten Baſteien, den lauſchigen
Stadtgraben und das mit Kindern bevölkert geweſene Glacis
zu vermiſſen, und es ergreift mich immer ganz ſeltſam, wenn
irgend eine alte Baulichkeit, die ſich hier und dort als Merk¬
zeichen meiner Knaben- und Jünglingszeit erhalten hat, nieder¬
geriſſen wird. Daher bin ich noch zuweilen in jenen öffent¬
lichen Gärten zu finden, die in Folge neuerer Anlagen ihr
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. [187]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/203>, abgerufen am 27.11.2024.
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