Nachdem die Beiden mit scheuen Dankesworten das Zimmer verlassen hatten, ging der Oberst wieder mit leisem Sporen¬ geklirr auf und ab. Es waren seltsame Gedanken, die ihn bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein schlankes blondes Fräulein geliebt, und war sehr unglücklich gewesen. Nicht etwa, daß die Schöne seine Neigung zurückgewiesen hätte; darüber würde sich seine stolze, kräftige Jünglingsseele wohl bald getröstet haben: aber er war in seinen reinsten Empfin¬ dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des weiblichen Geschlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau trug; wie er denn auch das Wesen der Liebe überhaupt an¬ griff und behauptete, dieselbe wäre zwar in den Romanen hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu finden. Und nun, nachdem er diese Meinung, einem leisen Widerspruche seines Innern zu Trotz, so lange und leiden¬ schaftlich vor sich selbst und Anderen aufrecht erhalten hatte: nun war ihm mit einem Male in diesem armen, verkümmer¬ ten Menschenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung, Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬ gegengetreten -- und stille Beschämung und unsägliche Rührung zogen in seine Brust. Auch ein klein wenig Neid mischte sich mit hinein; aber er beschloß, so weit dies von ihm abhinge, die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. -- --
Nachdem die Beiden mit ſcheuen Dankesworten das Zimmer verlaſſen hatten, ging der Oberſt wieder mit leiſem Sporen¬ geklirr auf und ab. Es waren ſeltſame Gedanken, die ihn bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein ſchlankes blondes Fräulein geliebt, und war ſehr unglücklich geweſen. Nicht etwa, daß die Schöne ſeine Neigung zurückgewieſen hätte; darüber würde ſich ſeine ſtolze, kräftige Jünglingsſeele wohl bald getröſtet haben: aber er war in ſeinen reinſten Empfin¬ dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des weiblichen Geſchlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau trug; wie er denn auch das Weſen der Liebe überhaupt an¬ griff und behauptete, dieſelbe wäre zwar in den Romanen hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu finden. Und nun, nachdem er dieſe Meinung, einem leiſen Widerſpruche ſeines Innern zu Trotz, ſo lange und leiden¬ ſchaftlich vor ſich ſelbſt und Anderen aufrecht erhalten hatte: nun war ihm mit einem Male in dieſem armen, verkümmer¬ ten Menſchenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung, Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬ gegengetreten — und ſtille Beſchämung und unſägliche Rührung zogen in ſeine Bruſt. Auch ein klein wenig Neid miſchte ſich mit hinein; aber er beſchloß, ſo weit dies von ihm abhinge, die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. — —
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Nachdem die Beiden mit ſcheuen Dankesworten das Zimmer
verlaſſen hatten, ging der Oberſt wieder mit leiſem Sporen¬
geklirr auf und ab. Es waren ſeltſame Gedanken, die ihn
bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein ſchlankes blondes
Fräulein geliebt, und war ſehr unglücklich geweſen. Nicht
etwa, daß die Schöne ſeine Neigung zurückgewieſen hätte;
darüber würde ſich ſeine ſtolze, kräftige Jünglingsſeele wohl
bald getröſtet haben: aber er war in ſeinen reinſten Empfin¬
dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn
mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des
weiblichen Geſchlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau
trug; wie er denn auch das Weſen der Liebe überhaupt an¬
griff und behauptete, dieſelbe wäre zwar in den Romanen
hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu
finden. Und nun, nachdem er dieſe Meinung, einem leiſen
Widerſpruche ſeines Innern zu Trotz, ſo lange und leiden¬
ſchaftlich vor ſich ſelbſt und Anderen aufrecht erhalten hatte:
nun war ihm mit einem Male in dieſem armen, verkümmer¬
ten Menſchenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung,
Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬
gegengetreten — und ſtille Beſchämung und unſägliche Rührung
zogen in ſeine Bruſt. Auch ein klein wenig Neid miſchte ſich
mit hinein; aber er beſchloß, ſo weit dies von ihm abhinge,
die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. — —
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/197>, abgerufen am 24.11.2024.
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