Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬ lich mit mir thun; aber ich wich ihm aus und drohte, ich würd' es der Mutter klagen. Im vorigen Somrner jedoch kam er eines Abends allein aus dem Wirthshaus zurück und fing wieder an und sagte, er würde mich heirathen. Und da ich ihm kein Gehör gab, wollt' er Gewalt brauchen. Ich aber hab' mich seiner erwehrt und hab' ihm gesagt, was ich von ihm denke. Seitdem haßt er mich bis auf's Blut und rächt sich, wie er kann."
Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und seine Brust rang mühsam nach Athem. "Der Elende!" stieß er endlich hervor. "Und bei dem solltest Du bleiben? Jetzt, da ich das weiß, noch weniger! Du ziehst mit mir, und er soll sehen, wie er's verhindern kann."
"Trau' ihm nicht", rief sie ängstlich. "Er ist im Stande Einen zu morden, der schwächer ist, als er,"
"Ich fürcht' ihn nicht", erwiederte Georg und seine kleine Gestalt reckte sich scheinbar weit über ihr Maaß hinaus. "Er hat mich früher von hinten angefallen und ich war nicht dar¬ auf gefaßt. Aber er soll mir noch einmal kommen!"
"Jesus!" klagte sie und rang die Hände; "ich könnt' es nicht sehen, daß Ihr aneinander geriethet."
"Nun, es wird so arg nicht werden", versetzte er, seine Erregung niederkämpfend. "Wir wollen zu ihm -- jetzt gleich -- und ihm ruhig und gemessen unseren Entschluß mittheilen.
Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬ lich mit mir thun; aber ich wich ihm aus und drohte, ich würd' es der Mutter klagen. Im vorigen Somrner jedoch kam er eines Abends allein aus dem Wirthshaus zurück und fing wieder an und ſagte, er würde mich heirathen. Und da ich ihm kein Gehör gab, wollt' er Gewalt brauchen. Ich aber hab' mich ſeiner erwehrt und hab' ihm geſagt, was ich von ihm denke. Seitdem haßt er mich bis auf's Blut und rächt ſich, wie er kann.“
Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und ſeine Bruſt rang mühſam nach Athem. „Der Elende!“ ſtieß er endlich hervor. „Und bei dem ſollteſt Du bleiben? Jetzt, da ich das weiß, noch weniger! Du ziehſt mit mir, und er ſoll ſehen, wie er's verhindern kann.“
„Trau' ihm nicht“, rief ſie ängſtlich. „Er iſt im Stande Einen zu morden, der ſchwächer iſt, als er,“
„Ich fürcht' ihn nicht“, erwiederte Georg und ſeine kleine Geſtalt reckte ſich ſcheinbar weit über ihr Maaß hinaus. „Er hat mich früher von hinten angefallen und ich war nicht dar¬ auf gefaßt. Aber er ſoll mir noch einmal kommen!“
„Jeſus!“ klagte ſie und rang die Hände; „ich könnt' es nicht ſehen, daß Ihr aneinander geriethet.“
„Nun, es wird ſo arg nicht werden“, verſetzte er, ſeine Erregung niederkämpfend. „Wir wollen zu ihm — jetzt gleich — und ihm ruhig und gemeſſen unſeren Entſchluß mittheilen.
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Schon zur Zeit, da die Mutter noch lebte, wollte er oft zärt¬
lich mit mir thun; aber ich wich ihm aus und drohte, ich
würd' es der Mutter klagen. Im vorigen Somrner jedoch
kam er eines Abends allein aus dem Wirthshaus zurück und
fing wieder an und ſagte, er würde mich heirathen. Und da
ich ihm kein Gehör gab, wollt' er Gewalt brauchen. Ich
aber hab' mich ſeiner erwehrt und hab' ihm geſagt, was ich
von ihm denke. Seitdem haßt er mich bis auf's Blut und
rächt ſich, wie er kann.“
Georg war bis in die Lippen hinein bleich geworden und
ſeine Bruſt rang mühſam nach Athem. „Der Elende!“ ſtieß
er endlich hervor. „Und bei dem ſollteſt Du bleiben? Jetzt,
da ich das weiß, noch weniger! Du ziehſt mit mir, und er
ſoll ſehen, wie er's verhindern kann.“
„Trau' ihm nicht“, rief ſie ängſtlich. „Er iſt im Stande
Einen zu morden, der ſchwächer iſt, als er,“
„Ich fürcht' ihn nicht“, erwiederte Georg und ſeine kleine
Geſtalt reckte ſich ſcheinbar weit über ihr Maaß hinaus. „Er
hat mich früher von hinten angefallen und ich war nicht dar¬
auf gefaßt. Aber er ſoll mir noch einmal kommen!“
„Jeſus!“ klagte ſie und rang die Hände; „ich könnt' es
nicht ſehen, daß Ihr aneinander geriethet.“
„Nun, es wird ſo arg nicht werden“, verſetzte er, ſeine
Erregung niederkämpfend. „Wir wollen zu ihm — jetzt gleich
— und ihm ruhig und gemeſſen unſeren Entſchluß mittheilen.
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/183>, abgerufen am 17.07.2024.
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