da er sein Brod erwarb und weder trank noch spielte, wie die Andern, konnte er sich diesen Genuß wohl wieder gönnen. Er theilte seine Absicht Tertschka mit und diese sprach ihm zu, er möge nur Handel eins werden; sie selbst würde unterdessen langsam vorausgehen. "In der Ortskirche sind zu viele Men¬ schen", sagte sie. "Eine halbe Wegstunde außerhalb des Mark¬ tes liegt eine einsame Kirche; in der bin ich schon ein¬ mal gewesen, und will auch heute wieder hineingehen." Sie meinte damit "Maria Schutz" am Fuße des Sonnwendsteins. Georg drängte sich durch eine Gruppe von Gaffern und Feil¬ schenden und erstand eine hübsche Porcellanpfeife mit bunten Troddeln. Dabei fiel ihm ein funkelnder Schmuck von gelben Glasperlen in die Augen, und er dachte, wie schön sich der am Halse Tertschka's ausnehmen würde. Da der Preis, wel¬ chen der Händler forderte, nicht allzu hoch war, so ließ er sich das Geschmeide in Papier wickeln und steckte es zu sich. Mit den paar Kreuzern, die er auf eine Guldennote herausbekam, kaufte er in der anstoßenden Bude ein großes Herz aus Pfefferkuchen; dann sprang er noch um ein bischen Tabak in den nächsten Kramladen und eilte mit seinen Schätzen der Vorangegangenen nach. Er zeigte ihr zuerst die Pfeife, die ihr wohl gefiel. "Das ist für Dich", sagte er hierauf und gab ihr das Herz. Es war mit einem farbigen Bildchen ge¬ schmückt, das ein zweites kleines Herz vorstellte, von einem Pfeile durchbohrt; ein Blumengewinde faßte das Ganze ein.
da er ſein Brod erwarb und weder trank noch ſpielte, wie die Andern, konnte er ſich dieſen Genuß wohl wieder gönnen. Er theilte ſeine Abſicht Tertſchka mit und dieſe ſprach ihm zu, er möge nur Handel eins werden; ſie ſelbſt würde unterdeſſen langſam vorausgehen. „In der Ortskirche ſind zu viele Men¬ ſchen“, ſagte ſie. „Eine halbe Wegſtunde außerhalb des Mark¬ tes liegt eine einſame Kirche; in der bin ich ſchon ein¬ mal geweſen, und will auch heute wieder hineingehen.“ Sie meinte damit „Maria Schutz“ am Fuße des Sonnwendſteins. Georg drängte ſich durch eine Gruppe von Gaffern und Feil¬ ſchenden und erſtand eine hübſche Porcellanpfeife mit bunten Troddeln. Dabei fiel ihm ein funkelnder Schmuck von gelben Glasperlen in die Augen, und er dachte, wie ſchön ſich der am Halſe Tertſchka's ausnehmen würde. Da der Preis, wel¬ chen der Händler forderte, nicht allzu hoch war, ſo ließ er ſich das Geſchmeide in Papier wickeln und ſteckte es zu ſich. Mit den paar Kreuzern, die er auf eine Guldennote herausbekam, kaufte er in der anſtoßenden Bude ein großes Herz aus Pfefferkuchen; dann ſprang er noch um ein bischen Tabak in den nächſten Kramladen und eilte mit ſeinen Schätzen der Vorangegangenen nach. Er zeigte ihr zuerſt die Pfeife, die ihr wohl gefiel. „Das iſt für Dich“, ſagte er hierauf und gab ihr das Herz. Es war mit einem farbigen Bildchen ge¬ ſchmückt, das ein zweites kleines Herz vorſtellte, von einem Pfeile durchbohrt; ein Blumengewinde faßte das Ganze ein.
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da er ſein Brod erwarb und weder trank noch ſpielte, wie
die Andern, konnte er ſich dieſen Genuß wohl wieder gönnen.
Er theilte ſeine Abſicht Tertſchka mit und dieſe ſprach ihm zu,
er möge nur Handel eins werden; ſie ſelbſt würde unterdeſſen
langſam vorausgehen. „In der Ortskirche ſind zu viele Men¬
ſchen“, ſagte ſie. „Eine halbe Wegſtunde außerhalb des Mark¬
tes liegt eine einſame Kirche; in der bin ich ſchon ein¬
mal geweſen, und will auch heute wieder hineingehen.“ Sie
meinte damit „Maria Schutz“ am Fuße des Sonnwendſteins.
Georg drängte ſich durch eine Gruppe von Gaffern und Feil¬
ſchenden und erſtand eine hübſche Porcellanpfeife mit bunten
Troddeln. Dabei fiel ihm ein funkelnder Schmuck von gelben
Glasperlen in die Augen, und er dachte, wie ſchön ſich der
am Halſe Tertſchka's ausnehmen würde. Da der Preis, wel¬
chen der Händler forderte, nicht allzu hoch war, ſo ließ er ſich
das Geſchmeide in Papier wickeln und ſteckte es zu ſich. Mit
den paar Kreuzern, die er auf eine Guldennote herausbekam,
kaufte er in der anſtoßenden Bude ein großes Herz aus
Pfefferkuchen; dann ſprang er noch um ein bischen Tabak in
den nächſten Kramladen und eilte mit ſeinen Schätzen der
Vorangegangenen nach. Er zeigte ihr zuerſt die Pfeife, die
ihr wohl gefiel. „Das iſt für Dich“, ſagte er hierauf und
gab ihr das Herz. Es war mit einem farbigen Bildchen ge¬
ſchmückt, das ein zweites kleines Herz vorſtellte, von einem
Pfeile durchbohrt; ein Blumengewinde faßte das Ganze ein.
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/172>, abgerufen am 26.11.2024.
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