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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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war. Er hatte seinen Mantel in der nächsten Hütte liegen
lassen, und den mußt' ich ihm holen. Aber Du thust mir
einen Gefallen, wenn Du das Geld nimmst. Ich fürcht' im¬
mer, ich könnt' es verlieren; deshalb hab' ich's auch in meinen
Rock eingenäht. Wenn der Aufseher darum wüßte, hätt' er
mir's längst abgefordert." Und damit legte sie es in seine
Hand. "Aber jetzt komm', und laß uns zum Essen gehen.
Vergiß nicht, was ich Dir wegen des Fleisches gesagt habe,
und begnüg' Dich mit dem Uebrigen. Das Mehl ist zwar
auch meistens dumpfig; aber gestern haben sie frische Kartoffeln
gebracht. Und Abends kannst Du Dir ein Glas Branntwein
gönnen; das wird Dir gut thun." Er stand auf und folgte
ihr schweigend. Nach einigen Schritten blieb er stehen und
blickte ihr tief in die sanften braunen Augen. "Wie soll ich
Dir's vergelten, Tertschka", sprach er mit zitternder Stimme.
"So gut und lieb, wie Du, war noch kein Mensch mit mir."

"Ach was", erwiederte sie; "man muß sich gegenseitig
helfen in der Welt. Und dann -- Du bist ja auch gut.
Das hab' ich Dir gleich gestern angesehen, als Du kamst."

Sie hatten die Hütte erreicht. Drinnen umlagerten die
Andern, aus schadhaften Näpfen essend, bereits den Herd, an
welchem der Aufseher stand, die Aermel aufgekrämpelt und
mit vorgebundener Schürze. Er war eben im Begriffe, ein
mächtiges Bratenstück anzuschneiden, dessen brenzlicher Duft
den Eintretenden entgegenschlug und Georg einen unwillkürlichen

Saar, Novellen aus Oesterreich. 10

war. Er hatte ſeinen Mantel in der nächſten Hütte liegen
laſſen, und den mußt' ich ihm holen. Aber Du thuſt mir
einen Gefallen, wenn Du das Geld nimmſt. Ich fürcht' im¬
mer, ich könnt' es verlieren; deshalb hab' ich's auch in meinen
Rock eingenäht. Wenn der Aufſeher darum wüßte, hätt' er
mir's längſt abgefordert.“ Und damit legte ſie es in ſeine
Hand. „Aber jetzt komm', und laß uns zum Eſſen gehen.
Vergiß nicht, was ich Dir wegen des Fleiſches geſagt habe,
und begnüg' Dich mit dem Uebrigen. Das Mehl iſt zwar
auch meiſtens dumpfig; aber geſtern haben ſie friſche Kartoffeln
gebracht. Und Abends kannſt Du Dir ein Glas Branntwein
gönnen; das wird Dir gut thun.“ Er ſtand auf und folgte
ihr ſchweigend. Nach einigen Schritten blieb er ſtehen und
blickte ihr tief in die ſanften braunen Augen. „Wie ſoll ich
Dir's vergelten, Tertſchka“, ſprach er mit zitternder Stimme.
„So gut und lieb, wie Du, war noch kein Menſch mit mir.“

„Ach was“, erwiederte ſie; „man muß ſich gegenſeitig
helfen in der Welt. Und dann — Du biſt ja auch gut.
Das hab' ich Dir gleich geſtern angeſehen, als Du kamſt.“

Sie hatten die Hütte erreicht. Drinnen umlagerten die
Andern, aus ſchadhaften Näpfen eſſend, bereits den Herd, an
welchem der Aufſeher ſtand, die Aermel aufgekrämpelt und
mit vorgebundener Schürze. Er war eben im Begriffe, ein
mächtiges Bratenſtück anzuſchneiden, deſſen brenzlicher Duft
den Eintretenden entgegenſchlug und Georg einen unwillkürlichen

Saar, Novellen aus Oeſterreich. 10
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[145/0161] war. Er hatte ſeinen Mantel in der nächſten Hütte liegen laſſen, und den mußt' ich ihm holen. Aber Du thuſt mir einen Gefallen, wenn Du das Geld nimmſt. Ich fürcht' im¬ mer, ich könnt' es verlieren; deshalb hab' ich's auch in meinen Rock eingenäht. Wenn der Aufſeher darum wüßte, hätt' er mir's längſt abgefordert.“ Und damit legte ſie es in ſeine Hand. „Aber jetzt komm', und laß uns zum Eſſen gehen. Vergiß nicht, was ich Dir wegen des Fleiſches geſagt habe, und begnüg' Dich mit dem Uebrigen. Das Mehl iſt zwar auch meiſtens dumpfig; aber geſtern haben ſie friſche Kartoffeln gebracht. Und Abends kannſt Du Dir ein Glas Branntwein gönnen; das wird Dir gut thun.“ Er ſtand auf und folgte ihr ſchweigend. Nach einigen Schritten blieb er ſtehen und blickte ihr tief in die ſanften braunen Augen. „Wie ſoll ich Dir's vergelten, Tertſchka“, ſprach er mit zitternder Stimme. „So gut und lieb, wie Du, war noch kein Menſch mit mir.“ „Ach was“, erwiederte ſie; „man muß ſich gegenſeitig helfen in der Welt. Und dann — Du biſt ja auch gut. Das hab' ich Dir gleich geſtern angeſehen, als Du kamſt.“ Sie hatten die Hütte erreicht. Drinnen umlagerten die Andern, aus ſchadhaften Näpfen eſſend, bereits den Herd, an welchem der Aufſeher ſtand, die Aermel aufgekrämpelt und mit vorgebundener Schürze. Er war eben im Begriffe, ein mächtiges Bratenſtück anzuſchneiden, deſſen brenzlicher Duft den Eintretenden entgegenſchlug und Georg einen unwillkürlichen Saar, Novellen aus Oeſterreich. 10

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/161>, abgerufen am 25.11.2024.