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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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Ich laß' mir's nicht nehmen, daß sie die Schwindsucht, an der
sie gestorben ist, von einem Schlage bekam, den er ihr einst
im Zorn und Rausch vor die Brust versetzt hat."

Sie schwieg, in traurige Erinnerungen verloren. Endlich
sagte Georg: "Wenn Dich Dein Stiefvater gar so übel be¬
handelt, warum bleibst Du bei ihm?"

"Weil ich weiß, daß er mich nicht fort ließe", antwortete
sie nach einer Pause. "Er braucht ein so armes, hilfloses
Ding um sich, das er ungestraft quälen und martern kann.
Denn er ist im Innersten feig, wenn er auch oft grimmig
und wüthend wird. -- Und wohin sollt' ich gehen?" setzte sie
mit einem Seufzer hinzu. "Es ist überall nicht gut in der
Welt." Sie hatte bei diesen Worten wieder ihren Hammer
ergriffen; Georg, etwas gestärkt, that desgleichen, und bald
waren sie neuerdings in ihre harte Arbeit vertieft.

So verrann Stunde um Stunde und die Mittagshitze
lagerte sich glühend über Berg und Thal. Weithin regte sich
nichts; nur der eintönige Fall der Hämmer war in der Stille
zu hören und der Ruf des Spechtes. Von Zeit zu Zeit
stimmten die Männer längs der Bahn einen kurzen rauhen
Gesang an.

Plötzlich ertönte der schrille Laut einer Glocke. "Was
ist das?" fragte Georg, der sah, daß die Andern ihre Werk¬
zeuge hinlegten und auf die Hütte zuschritten.

"Der Aufseher hat zum Essen geläutet," erwiderte Tertschka.

Ich laß' mir's nicht nehmen, daß ſie die Schwindſucht, an der
ſie geſtorben iſt, von einem Schlage bekam, den er ihr einſt
im Zorn und Rauſch vor die Bruſt verſetzt hat.“

Sie ſchwieg, in traurige Erinnerungen verloren. Endlich
ſagte Georg: „Wenn Dich Dein Stiefvater gar ſo übel be¬
handelt, warum bleibſt Du bei ihm?“

„Weil ich weiß, daß er mich nicht fort ließe“, antwortete
ſie nach einer Pauſe. „Er braucht ein ſo armes, hilfloſes
Ding um ſich, das er ungeſtraft quälen und martern kann.
Denn er iſt im Innerſten feig, wenn er auch oft grimmig
und wüthend wird. — Und wohin ſollt' ich gehen?“ ſetzte ſie
mit einem Seufzer hinzu. „Es iſt überall nicht gut in der
Welt.“ Sie hatte bei dieſen Worten wieder ihren Hammer
ergriffen; Georg, etwas geſtärkt, that desgleichen, und bald
waren ſie neuerdings in ihre harte Arbeit vertieft.

So verrann Stunde um Stunde und die Mittagshitze
lagerte ſich glühend über Berg und Thal. Weithin regte ſich
nichts; nur der eintönige Fall der Hämmer war in der Stille
zu hören und der Ruf des Spechtes. Von Zeit zu Zeit
ſtimmten die Männer längs der Bahn einen kurzen rauhen
Geſang an.

Plötzlich ertönte der ſchrille Laut einer Glocke. „Was
iſt das?“ fragte Georg, der ſah, daß die Andern ihre Werk¬
zeuge hinlegten und auf die Hütte zuſchritten.

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[142/0158] Ich laß' mir's nicht nehmen, daß ſie die Schwindſucht, an der ſie geſtorben iſt, von einem Schlage bekam, den er ihr einſt im Zorn und Rauſch vor die Bruſt verſetzt hat.“ Sie ſchwieg, in traurige Erinnerungen verloren. Endlich ſagte Georg: „Wenn Dich Dein Stiefvater gar ſo übel be¬ handelt, warum bleibſt Du bei ihm?“ „Weil ich weiß, daß er mich nicht fort ließe“, antwortete ſie nach einer Pauſe. „Er braucht ein ſo armes, hilfloſes Ding um ſich, das er ungeſtraft quälen und martern kann. Denn er iſt im Innerſten feig, wenn er auch oft grimmig und wüthend wird. — Und wohin ſollt' ich gehen?“ ſetzte ſie mit einem Seufzer hinzu. „Es iſt überall nicht gut in der Welt.“ Sie hatte bei dieſen Worten wieder ihren Hammer ergriffen; Georg, etwas geſtärkt, that desgleichen, und bald waren ſie neuerdings in ihre harte Arbeit vertieft. So verrann Stunde um Stunde und die Mittagshitze lagerte ſich glühend über Berg und Thal. Weithin regte ſich nichts; nur der eintönige Fall der Hämmer war in der Stille zu hören und der Ruf des Spechtes. Von Zeit zu Zeit ſtimmten die Männer längs der Bahn einen kurzen rauhen Geſang an. Plötzlich ertönte der ſchrille Laut einer Glocke. „Was iſt das?“ fragte Georg, der ſah, daß die Andern ihre Werk¬ zeuge hinlegten und auf die Hütte zuſchritten. „Der Aufſeher hat zum Eſſen geläutet,“ erwiderte Tertſchka.

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/158>, abgerufen am 24.11.2024.