Draußen duftete die blaue Sommernacht, und zur Dach¬ lucke der Hütte herein in den dunklen, vom Athemgeräusch der Schlafenden durchzogenen Raum sahen die zitternden Sterne.
Der Morgen dämmerte kaum, als es in der Hütte leben¬ dig wurde und Georg aus dem Schlafe erwachte. Er sah, wie die Männer nach und nach das dürflige Lager verließen, allerlei Werkzeug ergriffen, das rings an den Wänden lehnte, und damit aus der Thüre gingen. Er hatte sich gleichfalls erhoben, war in seinen Kittel geschlüpft und stand unschlüssig und erwartungsvoll da, als sich Tertschka, einen schweren Hammer mit langem Stiel auf der Schulter, ihm näherte. "Der Aufseher schläft noch", sagte sie. "Aber ich weiß, was Du zu thun hast. Nimm den Hammer dort; wenn Du willst, kannst Du mit mir an die Arbeit gehen." Er that, wie sie ihn hieß und trat mit ihr hinaus in die Frühe. Draußen war es kühl und still; nur hier und dort zwitscherte ein Vogel und auf der Wiese lag der helle Thau. Sie gingen schwei¬ gend an das Bahngeleise und längs desselben noch eine Strecke hinauf bis zu einem verödeten Steinbruch, wo sich bereits einige andere Arbeiter eingefunden hatten, während die Uebri¬ gen, mit Karren und Schaufeln ausgerüstet, an der Bahn ver¬ theilt waren. Tertschka schritt mit Georg an den Männern
Draußen duftete die blaue Sommernacht, und zur Dach¬ lucke der Hütte herein in den dunklen, vom Athemgeräuſch der Schlafenden durchzogenen Raum ſahen die zitternden Sterne.
Der Morgen dämmerte kaum, als es in der Hütte leben¬ dig wurde und Georg aus dem Schlafe erwachte. Er ſah, wie die Männer nach und nach das dürflige Lager verließen, allerlei Werkzeug ergriffen, das rings an den Wänden lehnte, und damit aus der Thüre gingen. Er hatte ſich gleichfalls erhoben, war in ſeinen Kittel geſchlüpft und ſtand unſchlüſſig und erwartungsvoll da, als ſich Tertſchka, einen ſchweren Hammer mit langem Stiel auf der Schulter, ihm näherte. „Der Aufſeher ſchläft noch“, ſagte ſie. „Aber ich weiß, was Du zu thun haſt. Nimm den Hammer dort; wenn Du willſt, kannſt Du mit mir an die Arbeit gehen.“ Er that, wie ſie ihn hieß und trat mit ihr hinaus in die Frühe. Draußen war es kühl und ſtill; nur hier und dort zwitſcherte ein Vogel und auf der Wieſe lag der helle Thau. Sie gingen ſchwei¬ gend an das Bahngeleiſe und längs deſſelben noch eine Strecke hinauf bis zu einem verödeten Steinbruch, wo ſich bereits einige andere Arbeiter eingefunden hatten, während die Uebri¬ gen, mit Karren und Schaufeln ausgerüſtet, an der Bahn ver¬ theilt waren. Tertſchka ſchritt mit Georg an den Männern
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Draußen duftete die blaue Sommernacht, und zur Dach¬
lucke der Hütte herein in den dunklen, vom Athemgeräuſch der
Schlafenden durchzogenen Raum ſahen die zitternden Sterne.
Der Morgen dämmerte kaum, als es in der Hütte leben¬
dig wurde und Georg aus dem Schlafe erwachte. Er ſah,
wie die Männer nach und nach das dürflige Lager verließen,
allerlei Werkzeug ergriffen, das rings an den Wänden lehnte,
und damit aus der Thüre gingen. Er hatte ſich gleichfalls
erhoben, war in ſeinen Kittel geſchlüpft und ſtand unſchlüſſig
und erwartungsvoll da, als ſich Tertſchka, einen ſchweren
Hammer mit langem Stiel auf der Schulter, ihm näherte.
„Der Aufſeher ſchläft noch“, ſagte ſie. „Aber ich weiß, was
Du zu thun haſt. Nimm den Hammer dort; wenn Du willſt,
kannſt Du mit mir an die Arbeit gehen.“ Er that, wie ſie
ihn hieß und trat mit ihr hinaus in die Frühe. Draußen
war es kühl und ſtill; nur hier und dort zwitſcherte ein Vogel
und auf der Wieſe lag der helle Thau. Sie gingen ſchwei¬
gend an das Bahngeleiſe und längs deſſelben noch eine Strecke
hinauf bis zu einem verödeten Steinbruch, wo ſich bereits
einige andere Arbeiter eingefunden hatten, während die Uebri¬
gen, mit Karren und Schaufeln ausgerüſtet, an der Bahn ver¬
theilt waren. Tertſchka ſchritt mit Georg an den Männern
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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