Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877."Todt", sagte ich; denn ich wußte es längst. "Eine plötzliche Herzlähmung --" "Eine plötzliche Herzlähmung", wiederholte ich dumpf, Er trat mir in den Weg. "Fassen Sie sich, mein Herr. Ich verstand ihn. "Ich werde reisen", sagte ich und Er zuckte wie rathlos die Achseln und hielt mich nicht „Todt“, ſagte ich; denn ich wußte es längſt. „Eine plötzliche Herzlähmung —“ „Eine plötzliche Herzlähmung“, wiederholte ich dumpf, Er trat mir in den Weg. „Faſſen Sie ſich, mein Herr. Ich verſtand ihn. „Ich werde reiſen“, ſagte ich und Er zuckte wie rathlos die Achſeln und hielt mich nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0139" n="123"/> <p>„Todt“, ſagte ich; denn ich wußte es längſt.</p><lb/> <p>„Eine plötzliche Herzlähmung —“</p><lb/> <p>„Eine plötzliche Herzlähmung“, wiederholte ich dumpf,<lb/> und erhob mich.</p><lb/> <p>Er trat mir in den Weg. „Faſſen Sie ſich, mein Herr.<lb/> Sie können ſich ja keine Schuld beimeſſen; es war ein bekla¬<lb/> genswerther Zufall. Wie ich höre, haben Sie vor, abzureiſen;<lb/> thun Sie es, ohne zu zögern. Erſparen Sie ſich und An¬<lb/> dern —“</p><lb/> <p>Ich verſtand ihn. „Ich werde reiſen“, ſagte ich und<lb/> wandte mich, um zu gehen.</p><lb/> <p>Er zuckte wie rathlos die Achſeln und hielt mich nicht<lb/> länger zurück. Draußen im Saal lag eine weiſe Roſe auf<lb/> dem Eſtrich; ich nahm ſie auf, ohne etwas dabei zu denken,<lb/> aber ich wußte, daß ſie von Marianne war. Dann ſchritt<lb/> ich hinaus in die Nacht. Der Mond war aufgegangen; über<lb/> Buſch und Wieſen ſchimmerten feine Nebel; die Gebäude auf<lb/> dem Kahlen- und Leopoldsberge waren wie taghell beleuch¬<lb/> tet. Ich ſchritt immer weiter, ohne zu wiſſen wohin,<lb/> die Roſe in der Hand. Der Pfad führte mich an Gärten und<lb/> dichten Weinpflanzungen vorüber; nach und nach wurde er<lb/> ſteiler und endlich hatte ich ein freies Plateau erreicht, das<lb/> eine weite Fernſicht über einen Theil des Marchfeldes, über<lb/> die Auen der Donau und das Häuſermeer der Stadt eröff¬<lb/> nete. Dort hielt ich an, ſetzte mich unter einen Baum, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0139]
„Todt“, ſagte ich; denn ich wußte es längſt.
„Eine plötzliche Herzlähmung —“
„Eine plötzliche Herzlähmung“, wiederholte ich dumpf,
und erhob mich.
Er trat mir in den Weg. „Faſſen Sie ſich, mein Herr.
Sie können ſich ja keine Schuld beimeſſen; es war ein bekla¬
genswerther Zufall. Wie ich höre, haben Sie vor, abzureiſen;
thun Sie es, ohne zu zögern. Erſparen Sie ſich und An¬
dern —“
Ich verſtand ihn. „Ich werde reiſen“, ſagte ich und
wandte mich, um zu gehen.
Er zuckte wie rathlos die Achſeln und hielt mich nicht
länger zurück. Draußen im Saal lag eine weiſe Roſe auf
dem Eſtrich; ich nahm ſie auf, ohne etwas dabei zu denken,
aber ich wußte, daß ſie von Marianne war. Dann ſchritt
ich hinaus in die Nacht. Der Mond war aufgegangen; über
Buſch und Wieſen ſchimmerten feine Nebel; die Gebäude auf
dem Kahlen- und Leopoldsberge waren wie taghell beleuch¬
tet. Ich ſchritt immer weiter, ohne zu wiſſen wohin,
die Roſe in der Hand. Der Pfad führte mich an Gärten und
dichten Weinpflanzungen vorüber; nach und nach wurde er
ſteiler und endlich hatte ich ein freies Plateau erreicht, das
eine weite Fernſicht über einen Theil des Marchfeldes, über
die Auen der Donau und das Häuſermeer der Stadt eröff¬
nete. Dort hielt ich an, ſetzte mich unter einen Baum, und
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