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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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achten schien, sondern mit gesenktem Haupte vorwärts schritt,
mehrere Male nach einander; so daß mir also nichts er¬
übrigte, als hinauszutreten und mich ihnen zu nähern. Das
Kind wollte, um mich zu erwarten, stehen bleiben; aber Mari¬
anne ließ seine Hand los und ging immer weiter; erst als
ich dicht hinter ihr war, hielt sie an und wandte mir ihr
Antlitz zu. "Ich habe sie oben allein gelassen," begann sie
langsam; "ich glaube, sie fühlen jetzt das Bedürfniß, sich un¬
gestört auszuweinen." Sie sah nach einer kleinen Uhr, die
sie im Gürtel trug, "Es ist schon spät; mein Mann soll noch
kommen. Er war heute Nachmittag sehr beschäftigt."

"Wie ich höre, werden auch Sie jetzt von häuslichen Geschäften
sehr in Anspruch genommen, Frau Dorner," sagte ich, um
etwas zu sagen.

Sie erröthete flüchtig. "Allerdings; und ich kann mich noch
nicht ganz zurecht finden. Aber es ist gut; man vergißt so
Manches darüber."

Ich schwieg, und so gingen wir eine Zeit lang, ohne zu
sprechen, neben einander hin. Es war schon dunkel geworden
und durch die Bäume wehte es feucht und kühl.

"Welch' eine rauhe Abendluft", sagte sie endlich und zog
ihr Tuch fröstelnd um die Schultern. "Man merkt, daß der
Herbst bereits im Anzug ist. -- Das arme Kind; heute liegt es
in der kalten Erde."

Saar, Novellen aus Oesterreich. 8

achten ſchien, ſondern mit geſenktem Haupte vorwärts ſchritt,
mehrere Male nach einander; ſo daß mir alſo nichts er¬
übrigte, als hinauszutreten und mich ihnen zu nähern. Das
Kind wollte, um mich zu erwarten, ſtehen bleiben; aber Mari¬
anne ließ ſeine Hand los und ging immer weiter; erſt als
ich dicht hinter ihr war, hielt ſie an und wandte mir ihr
Antlitz zu. „Ich habe ſie oben allein gelaſſen,“ begann ſie
langſam; „ich glaube, ſie fühlen jetzt das Bedürfniß, ſich un¬
geſtört auszuweinen.“ Sie ſah nach einer kleinen Uhr, die
ſie im Gürtel trug, „Es iſt ſchon ſpät; mein Mann ſoll noch
kommen. Er war heute Nachmittag ſehr beſchäftigt.“

„Wie ich höre, werden auch Sie jetzt von häuslichen Geſchäften
ſehr in Anſpruch genommen, Frau Dorner,“ ſagte ich, um
etwas zu ſagen.

Sie erröthete flüchtig. „Allerdings; und ich kann mich noch
nicht ganz zurecht finden. Aber es iſt gut; man vergißt ſo
Manches darüber.“

Ich ſchwieg, und ſo gingen wir eine Zeit lang, ohne zu
ſprechen, neben einander hin. Es war ſchon dunkel geworden
und durch die Bäume wehte es feucht und kühl.

„Welch' eine rauhe Abendluft“, ſagte ſie endlich und zog
ihr Tuch fröſtelnd um die Schultern. „Man merkt, daß der
Herbſt bereits im Anzug iſt. — Das arme Kind; heute liegt es
in der kalten Erde.“

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[113/0129] achten ſchien, ſondern mit geſenktem Haupte vorwärts ſchritt, mehrere Male nach einander; ſo daß mir alſo nichts er¬ übrigte, als hinauszutreten und mich ihnen zu nähern. Das Kind wollte, um mich zu erwarten, ſtehen bleiben; aber Mari¬ anne ließ ſeine Hand los und ging immer weiter; erſt als ich dicht hinter ihr war, hielt ſie an und wandte mir ihr Antlitz zu. „Ich habe ſie oben allein gelaſſen,“ begann ſie langſam; „ich glaube, ſie fühlen jetzt das Bedürfniß, ſich un¬ geſtört auszuweinen.“ Sie ſah nach einer kleinen Uhr, die ſie im Gürtel trug, „Es iſt ſchon ſpät; mein Mann ſoll noch kommen. Er war heute Nachmittag ſehr beſchäftigt.“ „Wie ich höre, werden auch Sie jetzt von häuslichen Geſchäften ſehr in Anſpruch genommen, Frau Dorner,“ ſagte ich, um etwas zu ſagen. Sie erröthete flüchtig. „Allerdings; und ich kann mich noch nicht ganz zurecht finden. Aber es iſt gut; man vergißt ſo Manches darüber.“ Ich ſchwieg, und ſo gingen wir eine Zeit lang, ohne zu ſprechen, neben einander hin. Es war ſchon dunkel geworden und durch die Bäume wehte es feucht und kühl. „Welch' eine rauhe Abendluft“, ſagte ſie endlich und zog ihr Tuch fröſtelnd um die Schultern. „Man merkt, daß der Herbſt bereits im Anzug iſt. — Das arme Kind; heute liegt es in der kalten Erde.“ Saar, Novellen aus Oeſterreich. 8

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/129>, abgerufen am 24.11.2024.