stolzer Höhe gelegen, mit weit ausblickenden Zinnen vor Dir aufsteigen. Auch eines Mannes wirst Du erwähnt finden, der in diesem einsamen, jetzt dem Fürsten S . . . . gehörenden Prachtbau der Vergangenheit als Archivar lebt. Ich hatte ihn eines Tages mit der Bitte aufgesucht, mich in dem histo¬ risch merkwürdigen Archive und in der reichhaltigen Bibliothek ein wenig umsehen zu dürfen, und entsinne mich deutlich, daß ich Dir damals geschrieben habe, wie sehr ich ihn um sein stilles, abgeschiedenes Dasein beneide. Als ich aber näher mit ihm bekannt wurde, da merkte ich bald, daß ihm, was mir wünschenswerth erschien, Unmuth und Unzufriedenheit bereite. Er hatte früher ein öffentliches Lehramt bekleidet; war aber, mißliebiger Anschauungen wegen, von der Regierung entfernt und durch die Noth gezwungen worden, diese Stelle anzuneh¬ men, welche seinem lebhaften, auf erfolgreiches Wirken gerich¬ teten Geist ebenso wenig zusagen konnte, als sie ihm in ihrer geringen Ansehnlichkeit seiner Kenntnisse und Fähigkeiten wür¬ dig erschien. Er gestand mir offen, daß er Alles aufbiete, wieder los zu kommen; und da ich ihm hingegen meine Nei¬ gung zu einem solchen Posten mittheilte, so versprach er mir, mich dem Fürsten vorzuschlagen, sobald er eine passende Lebensstel¬ lung würde gefunden haben. Nun bekam ich dieser Tage (ich hatte seiner Zusage längst nicht mehr gedacht) von ihm einen Brief, worin er mir schreibt, daß er endlich einen ehrenvollen Ruf in's Ausland erhalten, und mich fragt, ob ich noch ge¬
ſtolzer Höhe gelegen, mit weit ausblickenden Zinnen vor Dir aufſteigen. Auch eines Mannes wirſt Du erwähnt finden, der in dieſem einſamen, jetzt dem Fürſten S . . . . gehörenden Prachtbau der Vergangenheit als Archivar lebt. Ich hatte ihn eines Tages mit der Bitte aufgeſucht, mich in dem hiſto¬ riſch merkwürdigen Archive und in der reichhaltigen Bibliothek ein wenig umſehen zu dürfen, und entſinne mich deutlich, daß ich Dir damals geſchrieben habe, wie ſehr ich ihn um ſein ſtilles, abgeſchiedenes Daſein beneide. Als ich aber näher mit ihm bekannt wurde, da merkte ich bald, daß ihm, was mir wünſchenswerth erſchien, Unmuth und Unzufriedenheit bereite. Er hatte früher ein öffentliches Lehramt bekleidet; war aber, mißliebiger Anſchauungen wegen, von der Regierung entfernt und durch die Noth gezwungen worden, dieſe Stelle anzuneh¬ men, welche ſeinem lebhaften, auf erfolgreiches Wirken gerich¬ teten Geiſt ebenſo wenig zuſagen konnte, als ſie ihm in ihrer geringen Anſehnlichkeit ſeiner Kenntniſſe und Fähigkeiten wür¬ dig erſchien. Er geſtand mir offen, daß er Alles aufbiete, wieder los zu kommen; und da ich ihm hingegen meine Nei¬ gung zu einem ſolchen Poſten mittheilte, ſo verſprach er mir, mich dem Fürſten vorzuſchlagen, ſobald er eine paſſende Lebensſtel¬ lung würde gefunden haben. Nun bekam ich dieſer Tage (ich hatte ſeiner Zuſage längſt nicht mehr gedacht) von ihm einen Brief, worin er mir ſchreibt, daß er endlich einen ehrenvollen Ruf in's Ausland erhalten, und mich fragt, ob ich noch ge¬
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ſtolzer Höhe gelegen, mit weit ausblickenden Zinnen vor Dir
aufſteigen. Auch eines Mannes wirſt Du erwähnt finden,
der in dieſem einſamen, jetzt dem Fürſten S . . . . gehörenden
Prachtbau der Vergangenheit als Archivar lebt. Ich hatte
ihn eines Tages mit der Bitte aufgeſucht, mich in dem hiſto¬
riſch merkwürdigen Archive und in der reichhaltigen Bibliothek
ein wenig umſehen zu dürfen, und entſinne mich deutlich, daß
ich Dir damals geſchrieben habe, wie ſehr ich ihn um ſein
ſtilles, abgeſchiedenes Daſein beneide. Als ich aber näher mit
ihm bekannt wurde, da merkte ich bald, daß ihm, was mir
wünſchenswerth erſchien, Unmuth und Unzufriedenheit bereite.
Er hatte früher ein öffentliches Lehramt bekleidet; war aber,
mißliebiger Anſchauungen wegen, von der Regierung entfernt
und durch die Noth gezwungen worden, dieſe Stelle anzuneh¬
men, welche ſeinem lebhaften, auf erfolgreiches Wirken gerich¬
teten Geiſt ebenſo wenig zuſagen konnte, als ſie ihm in ihrer
geringen Anſehnlichkeit ſeiner Kenntniſſe und Fähigkeiten wür¬
dig erſchien. Er geſtand mir offen, daß er Alles aufbiete,
wieder los zu kommen; und da ich ihm hingegen meine Nei¬
gung zu einem ſolchen Poſten mittheilte, ſo verſprach er mir, mich
dem Fürſten vorzuſchlagen, ſobald er eine paſſende Lebensſtel¬
lung würde gefunden haben. Nun bekam ich dieſer Tage (ich
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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