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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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an das nächste Blumenbeet und grub etwas Erde auf. Ma¬
rianne wollte damit die schmerzende Stelle bedecken; aber die
feuchte Masse zerbröckelte unter ihren bebenden Fingern und
fiel zu Boden.

"Lassen Sie es mich versuchen", sagte ich und holte frische
Erde herbei. Sie zog den schlanken Leib schaamhaft zurück und
ich drückte ihr, während sie in holder Verwirrung die Augen
schloß, das kühlende Element sanft gegen die Wange. Sie
athmete tief auf und schien eine wohlthuende Linderung zu
empfinden. So weilten wir; Beide, das fühlt' ich, süß und
leise durchschauert. Da regte sich das Knäblein unter dem
Schleier und fing nach Art erwachender Kinder laut zu weinen
an. Marianne wurde immer unruhiger; endlich machte sie
sich von mir los, sprang auf und nahm den Kleinen in die
Arme, wo er auch alsbald still ward und zu lächeln begann.
Nun schickte sie, von mir abgewendet, Erni um Wasser. Das
Kind, welches Allem besorgt zugesehen hatte, eilte fort; wir
aber sprachen nichts mehr; unsere Blicke mieden sich, und als
Erni mit dem gefüllten Becken erschien, zog ich mich in den
Pavillon zurück. Ich hörte, wie sich Marianne draußen wusch,
dann einige Male durch den Garten ging und sich endlich
wieder bei den Hollunderbüschen niederließ, wo sie von Zeit
zu Zeit sanfte Worte an die Kinder richtete. So wurde es
Abend und die Andern kamen nach Hause. Erni lief ihnen
entgegen, und erzählte sogleich mit lauter Stimme den ganzen

an das nächſte Blumenbeet und grub etwas Erde auf. Ma¬
rianne wollte damit die ſchmerzende Stelle bedecken; aber die
feuchte Maſſe zerbröckelte unter ihren bebenden Fingern und
fiel zu Boden.

„Laſſen Sie es mich verſuchen“, ſagte ich und holte friſche
Erde herbei. Sie zog den ſchlanken Leib ſchaamhaft zurück und
ich drückte ihr, während ſie in holder Verwirrung die Augen
ſchloß, das kühlende Element ſanft gegen die Wange. Sie
athmete tief auf und ſchien eine wohlthuende Linderung zu
empfinden. So weilten wir; Beide, das fühlt' ich, ſüß und
leiſe durchſchauert. Da regte ſich das Knäblein unter dem
Schleier und fing nach Art erwachender Kinder laut zu weinen
an. Marianne wurde immer unruhiger; endlich machte ſie
ſich von mir los, ſprang auf und nahm den Kleinen in die
Arme, wo er auch alsbald ſtill ward und zu lächeln begann.
Nun ſchickte ſie, von mir abgewendet, Erni um Waſſer. Das
Kind, welches Allem beſorgt zugeſehen hatte, eilte fort; wir
aber ſprachen nichts mehr; unſere Blicke mieden ſich, und als
Erni mit dem gefüllten Becken erſchien, zog ich mich in den
Pavillon zurück. Ich hörte, wie ſich Marianne draußen wuſch,
dann einige Male durch den Garten ging und ſich endlich
wieder bei den Hollunderbüſchen niederließ, wo ſie von Zeit
zu Zeit ſanfte Worte an die Kinder richtete. So wurde es
Abend und die Andern kamen nach Hauſe. Erni lief ihnen
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[106/0122] an das nächſte Blumenbeet und grub etwas Erde auf. Ma¬ rianne wollte damit die ſchmerzende Stelle bedecken; aber die feuchte Maſſe zerbröckelte unter ihren bebenden Fingern und fiel zu Boden. „Laſſen Sie es mich verſuchen“, ſagte ich und holte friſche Erde herbei. Sie zog den ſchlanken Leib ſchaamhaft zurück und ich drückte ihr, während ſie in holder Verwirrung die Augen ſchloß, das kühlende Element ſanft gegen die Wange. Sie athmete tief auf und ſchien eine wohlthuende Linderung zu empfinden. So weilten wir; Beide, das fühlt' ich, ſüß und leiſe durchſchauert. Da regte ſich das Knäblein unter dem Schleier und fing nach Art erwachender Kinder laut zu weinen an. Marianne wurde immer unruhiger; endlich machte ſie ſich von mir los, ſprang auf und nahm den Kleinen in die Arme, wo er auch alsbald ſtill ward und zu lächeln begann. Nun ſchickte ſie, von mir abgewendet, Erni um Waſſer. Das Kind, welches Allem beſorgt zugeſehen hatte, eilte fort; wir aber ſprachen nichts mehr; unſere Blicke mieden ſich, und als Erni mit dem gefüllten Becken erſchien, zog ich mich in den Pavillon zurück. Ich hörte, wie ſich Marianne draußen wuſch, dann einige Male durch den Garten ging und ſich endlich wieder bei den Hollunderbüſchen niederließ, wo ſie von Zeit zu Zeit ſanfte Worte an die Kinder richtete. So wurde es Abend und die Andern kamen nach Hauſe. Erni lief ihnen entgegen, und erzählte ſogleich mit lauter Stimme den ganzen

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/122>, abgerufen am 27.11.2024.