Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

"Vielleicht; aber nur wie es Kinder zu sein pflegen.
Wahrlich, Frau Dorner, wenn man nicht wüßte, daß Sie
verheirathet sind --"

"So würde man mich nicht dafür halten," vollendete sie
ganz unbefangen, da ich mitten in der Rede abbrach. "Mir
ist oft selbst so zu Muthe!" Und es klang wie ein leiser
Seufzer durch diese Worte, die scherzhaft gesprochen waren.
"Aber," fuhr sie mit plötzlichem Ernste fort, "ich muß jetzt
meine Schwester aufsuchen." Und mit einer Verneigung wollte
sie sich entfernen.

"Noch einen Augenblick!" bat ich. "Sie haben gestern
im Pavillon Etwas vergessen." Und ich reichte ihr das grüne
Band, das ich bei mir trug. Sie warf erröthend einen Blick
darauf, nahm es mit einem dankenden Kopfnicken an sich und
verließ, rasch und anmuthig schreitend, den Garten. --

Und nun kommt sie, wie gesagt, fast täglich; zumeist in
den frühen Nachmittagsstunden. Dann sitzt sie arbeitend in
der Laube oder spielt mit Erni, welche mit der Leidenschaftlich¬
keit der Kinder an ihr hängt. Auch hilft sie ihrer Schwester
das Knäblein betreuen, wobei sie fast noch mehr Zärtlichkeit
und Sorgfalt an den Tag legt, als die Mutter selbst. Eine
wahre Freude aber ist es, wenn sie auch beim Abendessen
bleibt; denn sie weiß dann durch allerlei Scherz und eine köst¬
liche Plaudergabe stets die heiterste Stimmung hervorzurufen.
Nur in Gegenwart ihres Gatten, der meistens, um sie abzu¬

7 *

„Vielleicht; aber nur wie es Kinder zu ſein pflegen.
Wahrlich, Frau Dorner, wenn man nicht wüßte, daß Sie
verheirathet ſind —“

„So würde man mich nicht dafür halten,“ vollendete ſie
ganz unbefangen, da ich mitten in der Rede abbrach. „Mir
iſt oft ſelbſt ſo zu Muthe!“ Und es klang wie ein leiſer
Seufzer durch dieſe Worte, die ſcherzhaft geſprochen waren.
„Aber,“ fuhr ſie mit plötzlichem Ernſte fort, „ich muß jetzt
meine Schweſter aufſuchen.“ Und mit einer Verneigung wollte
ſie ſich entfernen.

„Noch einen Augenblick!“ bat ich. „Sie haben geſtern
im Pavillon Etwas vergeſſen.“ Und ich reichte ihr das grüne
Band, das ich bei mir trug. Sie warf erröthend einen Blick
darauf, nahm es mit einem dankenden Kopfnicken an ſich und
verließ, raſch und anmuthig ſchreitend, den Garten. —

Und nun kommt ſie, wie geſagt, faſt täglich; zumeiſt in
den frühen Nachmittagsſtunden. Dann ſitzt ſie arbeitend in
der Laube oder ſpielt mit Erni, welche mit der Leidenſchaftlich¬
keit der Kinder an ihr hängt. Auch hilft ſie ihrer Schweſter
das Knäblein betreuen, wobei ſie faſt noch mehr Zärtlichkeit
und Sorgfalt an den Tag legt, als die Mutter ſelbſt. Eine
wahre Freude aber iſt es, wenn ſie auch beim Abendeſſen
bleibt; denn ſie weiß dann durch allerlei Scherz und eine köſt¬
liche Plaudergabe ſtets die heiterſte Stimmung hervorzurufen.
Nur in Gegenwart ihres Gatten, der meiſtens, um ſie abzu¬

7 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0115" n="99"/>
        <p>&#x201E;Vielleicht; aber nur wie es Kinder zu &#x017F;ein pflegen.<lb/>
Wahrlich, Frau Dorner, wenn man nicht wüßte, daß Sie<lb/>
verheirathet &#x017F;ind &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So würde man mich nicht dafür halten,&#x201C; vollendete &#x017F;ie<lb/>
ganz unbefangen, da ich mitten in der Rede abbrach. &#x201E;Mir<lb/>
i&#x017F;t oft &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o zu Muthe!&#x201C; Und es klang wie ein lei&#x017F;er<lb/>
Seufzer durch die&#x017F;e Worte, die &#x017F;cherzhaft ge&#x017F;prochen waren.<lb/>
&#x201E;Aber,&#x201C; fuhr &#x017F;ie mit plötzlichem Ern&#x017F;te fort, &#x201E;ich muß jetzt<lb/>
meine Schwe&#x017F;ter auf&#x017F;uchen.&#x201C; Und mit einer Verneigung wollte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich entfernen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Noch einen Augenblick!&#x201C; bat ich. &#x201E;Sie haben ge&#x017F;tern<lb/>
im Pavillon Etwas verge&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Und ich reichte ihr das grüne<lb/>
Band, das ich bei mir trug. Sie warf erröthend einen Blick<lb/>
darauf, nahm es mit einem dankenden Kopfnicken an &#x017F;ich und<lb/>
verließ, ra&#x017F;ch und anmuthig &#x017F;chreitend, den Garten. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Und nun kommt &#x017F;ie, wie ge&#x017F;agt, fa&#x017F;t täglich; zumei&#x017F;t in<lb/>
den frühen Nachmittags&#x017F;tunden. Dann &#x017F;itzt &#x017F;ie arbeitend in<lb/>
der Laube oder &#x017F;pielt mit Erni, welche mit der Leiden&#x017F;chaftlich¬<lb/>
keit der Kinder an ihr hängt. Auch hilft &#x017F;ie ihrer Schwe&#x017F;ter<lb/>
das Knäblein betreuen, wobei &#x017F;ie fa&#x017F;t noch mehr Zärtlichkeit<lb/>
und Sorgfalt an den Tag legt, als die Mutter &#x017F;elb&#x017F;t. Eine<lb/>
wahre Freude aber i&#x017F;t es, wenn &#x017F;ie auch beim Abende&#x017F;&#x017F;en<lb/>
bleibt; denn &#x017F;ie weiß dann durch allerlei Scherz und eine kö&#x017F;<lb/>
liche Plaudergabe &#x017F;tets die heiter&#x017F;te Stimmung hervorzurufen.<lb/>
Nur in Gegenwart ihres Gatten, der mei&#x017F;tens, um &#x017F;ie abzu¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0115] „Vielleicht; aber nur wie es Kinder zu ſein pflegen. Wahrlich, Frau Dorner, wenn man nicht wüßte, daß Sie verheirathet ſind —“ „So würde man mich nicht dafür halten,“ vollendete ſie ganz unbefangen, da ich mitten in der Rede abbrach. „Mir iſt oft ſelbſt ſo zu Muthe!“ Und es klang wie ein leiſer Seufzer durch dieſe Worte, die ſcherzhaft geſprochen waren. „Aber,“ fuhr ſie mit plötzlichem Ernſte fort, „ich muß jetzt meine Schweſter aufſuchen.“ Und mit einer Verneigung wollte ſie ſich entfernen. „Noch einen Augenblick!“ bat ich. „Sie haben geſtern im Pavillon Etwas vergeſſen.“ Und ich reichte ihr das grüne Band, das ich bei mir trug. Sie warf erröthend einen Blick darauf, nahm es mit einem dankenden Kopfnicken an ſich und verließ, raſch und anmuthig ſchreitend, den Garten. — Und nun kommt ſie, wie geſagt, faſt täglich; zumeiſt in den frühen Nachmittagsſtunden. Dann ſitzt ſie arbeitend in der Laube oder ſpielt mit Erni, welche mit der Leidenſchaftlich¬ keit der Kinder an ihr hängt. Auch hilft ſie ihrer Schweſter das Knäblein betreuen, wobei ſie faſt noch mehr Zärtlichkeit und Sorgfalt an den Tag legt, als die Mutter ſelbſt. Eine wahre Freude aber iſt es, wenn ſie auch beim Abendeſſen bleibt; denn ſie weiß dann durch allerlei Scherz und eine köſt¬ liche Plaudergabe ſtets die heiterſte Stimmung hervorzurufen. Nur in Gegenwart ihres Gatten, der meiſtens, um ſie abzu¬ 7 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/115
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/115>, abgerufen am 27.11.2024.