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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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klatschte, erwartungsvoll vor sich hin. Die Andern, selbst die
alte Frau, folgten ihrem Beispiele; nur Dorner, der über
Tisch ein fast verletzendes Schweigen beobachtet hatte, blieb
sitzen. "Ich bin kein Freund von solchen Dingen", sagte er
und blies den Rauch seiner Cigarre in die Luft. "Ich will
den Zuschauer machen." Indessen war schon allerlei
in Vorschlag gebracht worden; allein die erregte Gesellschaft
fand nichts lebhaft, nichts erlustigend genug. Endlich nannte
Jemand "blinde Kuh", und unter allseitigem Beifall entschloß
man sich rasch zu diesem tollen Spiele. Ein Tuch wurde gebracht;
man verband den Verlobten Emilien's, als dem Ersten, den
das Loos getroffen, die Augen und das gegenseitige Fliehen
und Haschen begann. Mir war dabei ganz eigenthümlich zu
Muthe; Erinnerungen aus längstvergangenen Zeiten tauchten
in mir auf, und während ich mich im Ganzen mehr betrachtend,
als theilnehmend verhielt, erfreute ich mich an den Bewegun¬
gen der jugendlichen Gestalten, an dem Jubel des Kindes und
der erzwungenen Rührigkeit der Matrone. Ueberaus lieblich
aber war Marianne anzusehen, wie sie in ihrem weißen Ge¬
wande mit glühenden Wangen umherflatterte und die Geblen¬
deten mit holder Ausgelassenheit neckte, bis sie endlich selbst
gefangen wurde. Nachdem man ihr die Binde um die Augen
gelegt hatte, blieb sie noch eine Weile, tief aufathmend, mit
ausgebreiteten Armen stehen; dann aber schoß sie pfeilschnell
gleich einer Libelle im Zick-Zack bald hiehin, bald dorthin.

klatſchte, erwartungsvoll vor ſich hin. Die Andern, ſelbſt die
alte Frau, folgten ihrem Beiſpiele; nur Dorner, der über
Tiſch ein faſt verletzendes Schweigen beobachtet hatte, blieb
ſitzen. „Ich bin kein Freund von ſolchen Dingen“, ſagte er
und blies den Rauch ſeiner Cigarre in die Luft. „Ich will
den Zuſchauer machen.“ Indeſſen war ſchon allerlei
in Vorſchlag gebracht worden; allein die erregte Geſellſchaft
fand nichts lebhaft, nichts erluſtigend genug. Endlich nannte
Jemand „blinde Kuh“, und unter allſeitigem Beifall entſchloß
man ſich raſch zu dieſem tollen Spiele. Ein Tuch wurde gebracht;
man verband den Verlobten Emilien's, als dem Erſten, den
das Loos getroffen, die Augen und das gegenſeitige Fliehen
und Haſchen begann. Mir war dabei ganz eigenthümlich zu
Muthe; Erinnerungen aus längſtvergangenen Zeiten tauchten
in mir auf, und während ich mich im Ganzen mehr betrachtend,
als theilnehmend verhielt, erfreute ich mich an den Bewegun¬
gen der jugendlichen Geſtalten, an dem Jubel des Kindes und
der erzwungenen Rührigkeit der Matrone. Ueberaus lieblich
aber war Marianne anzuſehen, wie ſie in ihrem weißen Ge¬
wande mit glühenden Wangen umherflatterte und die Geblen¬
deten mit holder Ausgelaſſenheit neckte, bis ſie endlich ſelbſt
gefangen wurde. Nachdem man ihr die Binde um die Augen
gelegt hatte, blieb ſie noch eine Weile, tief aufathmend, mit
ausgebreiteten Armen ſtehen; dann aber ſchoß ſie pfeilſchnell
gleich einer Libelle im Zick-Zack bald hiehin, bald dorthin.

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[94/0110] klatſchte, erwartungsvoll vor ſich hin. Die Andern, ſelbſt die alte Frau, folgten ihrem Beiſpiele; nur Dorner, der über Tiſch ein faſt verletzendes Schweigen beobachtet hatte, blieb ſitzen. „Ich bin kein Freund von ſolchen Dingen“, ſagte er und blies den Rauch ſeiner Cigarre in die Luft. „Ich will den Zuſchauer machen.“ Indeſſen war ſchon allerlei in Vorſchlag gebracht worden; allein die erregte Geſellſchaft fand nichts lebhaft, nichts erluſtigend genug. Endlich nannte Jemand „blinde Kuh“, und unter allſeitigem Beifall entſchloß man ſich raſch zu dieſem tollen Spiele. Ein Tuch wurde gebracht; man verband den Verlobten Emilien's, als dem Erſten, den das Loos getroffen, die Augen und das gegenſeitige Fliehen und Haſchen begann. Mir war dabei ganz eigenthümlich zu Muthe; Erinnerungen aus längſtvergangenen Zeiten tauchten in mir auf, und während ich mich im Ganzen mehr betrachtend, als theilnehmend verhielt, erfreute ich mich an den Bewegun¬ gen der jugendlichen Geſtalten, an dem Jubel des Kindes und der erzwungenen Rührigkeit der Matrone. Ueberaus lieblich aber war Marianne anzuſehen, wie ſie in ihrem weißen Ge¬ wande mit glühenden Wangen umherflatterte und die Geblen¬ deten mit holder Ausgelaſſenheit neckte, bis ſie endlich ſelbſt gefangen wurde. Nachdem man ihr die Binde um die Augen gelegt hatte, blieb ſie noch eine Weile, tief aufathmend, mit ausgebreiteten Armen ſtehen; dann aber ſchoß ſie pfeilſchnell gleich einer Libelle im Zick-Zack bald hiehin, bald dorthin.

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/110>, abgerufen am 27.11.2024.