Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Ich erwiederte nichts und spielte sinnend mit den krausen "Wir haben uns beide, wie jetzt Emilie, rasch zur Ehe Ich war immer nachdenklicher geworden und ein dumpfer Ich erwiederte nichts und ſpielte ſinnend mit den krauſen „Wir haben uns beide, wie jetzt Emilie, raſch zur Ehe Ich war immer nachdenklicher geworden und ein dumpfer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0106" n="90"/> <p>Ich erwiederte nichts und ſpielte ſinnend mit den krauſen<lb/> Locken Erni's, die ſich an mich geſchmiegt hatte.</p><lb/> <p>„Wir haben uns beide, wie jetzt Emilie, raſch zur Ehe<lb/> entſchloſſen,“ fuhr Frau Louiſe fort; „denn wir bekamen eine<lb/> Stiefmutter in's Haus, die uns Mädchen das Leben recht<lb/> ſauer machte. Namentlich hatte Marianne viel von ihr zu<lb/> leiden, weil ſie durch ihr liebenswürdiges Weſen alle Herzen<lb/> anzog. Sie glauben gar nicht, wie heiter, wie erluſtigend ſie<lb/> ſein kann! Ich bin glücklich, ſie wieder hier zu haben, und<lb/> wir beabſichtigen, uns gleich morgen zur Feier ihrer Ankunft<lb/> einen fröhlichen Pfingſtſonntag zu machen. Wir wollen im<lb/> Garten zu Mittag eſſen und uns dann vergnügen, wie wir<lb/> können und mögen. Emilie und ihr Verlobter nehmen auch<lb/> Theil; wenn es Ihnen angenehm iſt, unſer Gaſt zu ſein, ſo<lb/> werden Sie uns Alle ſehr erfreuen und — wie ich hoffe —<lb/> meine Schweſter nicht mehr ſo verlegen und zurückhaltend<lb/> finden.“</p><lb/> <p>Ich war immer nachdenklicher geworden und ein dumpfer<lb/> Schmerz hatte ſich um mein Herz gelegt. Aber bei dem Ge¬<lb/> danken, die junge Frau morgen wieder zu ſehen, drängte ſich<lb/> ein ſtiller Jubel durch die Beklommenheit meines Inneren.<lb/> Ich nahm die Einladung freudig an und verbrachte den Reſt<lb/> des Tages voll ſüßer Unruhe, die mich auch des Nachts in<lb/> halbwachen Träumen verfolgte, ſo daß ich erſt gegen Morgen<lb/> feſt einſchlief. Als ich erwachte und an's Fenſter trat, ſtand<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0106]
Ich erwiederte nichts und ſpielte ſinnend mit den krauſen
Locken Erni's, die ſich an mich geſchmiegt hatte.
„Wir haben uns beide, wie jetzt Emilie, raſch zur Ehe
entſchloſſen,“ fuhr Frau Louiſe fort; „denn wir bekamen eine
Stiefmutter in's Haus, die uns Mädchen das Leben recht
ſauer machte. Namentlich hatte Marianne viel von ihr zu
leiden, weil ſie durch ihr liebenswürdiges Weſen alle Herzen
anzog. Sie glauben gar nicht, wie heiter, wie erluſtigend ſie
ſein kann! Ich bin glücklich, ſie wieder hier zu haben, und
wir beabſichtigen, uns gleich morgen zur Feier ihrer Ankunft
einen fröhlichen Pfingſtſonntag zu machen. Wir wollen im
Garten zu Mittag eſſen und uns dann vergnügen, wie wir
können und mögen. Emilie und ihr Verlobter nehmen auch
Theil; wenn es Ihnen angenehm iſt, unſer Gaſt zu ſein, ſo
werden Sie uns Alle ſehr erfreuen und — wie ich hoffe —
meine Schweſter nicht mehr ſo verlegen und zurückhaltend
finden.“
Ich war immer nachdenklicher geworden und ein dumpfer
Schmerz hatte ſich um mein Herz gelegt. Aber bei dem Ge¬
danken, die junge Frau morgen wieder zu ſehen, drängte ſich
ein ſtiller Jubel durch die Beklommenheit meines Inneren.
Ich nahm die Einladung freudig an und verbrachte den Reſt
des Tages voll ſüßer Unruhe, die mich auch des Nachts in
halbwachen Träumen verfolgte, ſo daß ich erſt gegen Morgen
feſt einſchlief. Als ich erwachte und an's Fenſter trat, ſtand
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