Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.seines Schutzes und deiner Ehre dich so gewiß bezeigen, als einst am Tage des Gerichtes. Wagt er es dann an geheiligter Stätte, im Angesichte des Höchsten, vor Gott und Menschen auf dein reines Antlitz einen einzigen Blick des Hohnes zu werfen: dann, bei allen Heiligen, soll er's entgelten, fühlen, daß noch römisches Blut in meinen Adern fließt! Ein Vater tödtete seine Tochter, unmächtig, sie der Schande anders zu entreißen. Du gehst mich näher an, als den Vater sein Kind; denn uns verbindet ein Sacrament, jene nur die Natur. Ein leiser Schauer überraschte das schöne Weib. Tod und Leben stehen einander so fern. Doch als der Nachsinnenden allmählich deutlicher ward, was ihr Gatte keusch und mit Zurückhaltung angedeutet, schwoll ihr das Herz, bemächtigte sich ein edler Unwille ihrer Seele. Wenn ich dich recht verstanden, sagte sie, so tödte mich jetzt oder sobald du's für nöthig halten wirst. -- Dich tödten? sprach Giustiniano. Weißt du, daß man das Leben nicht zweimal gewinnt, die Todten nicht mehr zurückrufen kann in das Leben, welches sie verlassen haben? Dich tödten, mich selbst tödten, das ist Alles eins und dasselbe. Wie könnte ich, nachdem ich schon zwei Wochen lang mit und neben dir gelebt, von dir getrennt das Leben ertragen, wenn es noch Leben sein und heißen kann, ein Leben ohne dich! Nein, nicht ungerächt, nicht ohne ein würdiges Todtenopfer sollst du, müßtest du dann sterben. Er zuerst, dann ich. -- Allein, weshalb uns vorzeitig kümmern! Genießen wir seines Schutzes und deiner Ehre dich so gewiß bezeigen, als einst am Tage des Gerichtes. Wagt er es dann an geheiligter Stätte, im Angesichte des Höchsten, vor Gott und Menschen auf dein reines Antlitz einen einzigen Blick des Hohnes zu werfen: dann, bei allen Heiligen, soll er's entgelten, fühlen, daß noch römisches Blut in meinen Adern fließt! Ein Vater tödtete seine Tochter, unmächtig, sie der Schande anders zu entreißen. Du gehst mich näher an, als den Vater sein Kind; denn uns verbindet ein Sacrament, jene nur die Natur. Ein leiser Schauer überraschte das schöne Weib. Tod und Leben stehen einander so fern. Doch als der Nachsinnenden allmählich deutlicher ward, was ihr Gatte keusch und mit Zurückhaltung angedeutet, schwoll ihr das Herz, bemächtigte sich ein edler Unwille ihrer Seele. Wenn ich dich recht verstanden, sagte sie, so tödte mich jetzt oder sobald du's für nöthig halten wirst. — Dich tödten? sprach Giustiniano. Weißt du, daß man das Leben nicht zweimal gewinnt, die Todten nicht mehr zurückrufen kann in das Leben, welches sie verlassen haben? Dich tödten, mich selbst tödten, das ist Alles eins und dasselbe. Wie könnte ich, nachdem ich schon zwei Wochen lang mit und neben dir gelebt, von dir getrennt das Leben ertragen, wenn es noch Leben sein und heißen kann, ein Leben ohne dich! Nein, nicht ungerächt, nicht ohne ein würdiges Todtenopfer sollst du, müßtest du dann sterben. Er zuerst, dann ich. — Allein, weshalb uns vorzeitig kümmern! Genießen wir <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056"/> seines Schutzes und deiner Ehre dich so gewiß bezeigen, als einst am Tage des Gerichtes. Wagt er es dann an geheiligter Stätte, im Angesichte des Höchsten, vor Gott und Menschen auf dein reines Antlitz einen einzigen Blick des Hohnes zu werfen: dann, bei allen Heiligen, soll er's entgelten, fühlen, daß noch römisches Blut in meinen Adern fließt! Ein Vater tödtete seine Tochter, unmächtig, sie der Schande anders zu entreißen. Du gehst mich näher an, als den Vater sein Kind; denn uns verbindet ein Sacrament, jene nur die Natur.</p><lb/> <p>Ein leiser Schauer überraschte das schöne Weib. Tod und Leben stehen einander so fern. Doch als der Nachsinnenden allmählich deutlicher ward, was ihr Gatte keusch und mit Zurückhaltung angedeutet, schwoll ihr das Herz, bemächtigte sich ein edler Unwille ihrer Seele. Wenn ich dich recht verstanden, sagte sie, so tödte mich jetzt oder sobald du's für nöthig halten wirst. — Dich tödten? sprach Giustiniano. Weißt du, daß man das Leben nicht zweimal gewinnt, die Todten nicht mehr zurückrufen kann in das Leben, welches sie verlassen haben? Dich tödten, mich selbst tödten, das ist Alles eins und dasselbe. Wie könnte ich, nachdem ich schon zwei Wochen lang mit und neben dir gelebt, von dir getrennt das Leben ertragen, wenn es noch Leben sein und heißen kann, ein Leben ohne dich! Nein, nicht ungerächt, nicht ohne ein würdiges Todtenopfer sollst du, müßtest du dann sterben. Er zuerst, dann ich. — Allein, weshalb uns vorzeitig kümmern! Genießen wir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
seines Schutzes und deiner Ehre dich so gewiß bezeigen, als einst am Tage des Gerichtes. Wagt er es dann an geheiligter Stätte, im Angesichte des Höchsten, vor Gott und Menschen auf dein reines Antlitz einen einzigen Blick des Hohnes zu werfen: dann, bei allen Heiligen, soll er's entgelten, fühlen, daß noch römisches Blut in meinen Adern fließt! Ein Vater tödtete seine Tochter, unmächtig, sie der Schande anders zu entreißen. Du gehst mich näher an, als den Vater sein Kind; denn uns verbindet ein Sacrament, jene nur die Natur.
Ein leiser Schauer überraschte das schöne Weib. Tod und Leben stehen einander so fern. Doch als der Nachsinnenden allmählich deutlicher ward, was ihr Gatte keusch und mit Zurückhaltung angedeutet, schwoll ihr das Herz, bemächtigte sich ein edler Unwille ihrer Seele. Wenn ich dich recht verstanden, sagte sie, so tödte mich jetzt oder sobald du's für nöthig halten wirst. — Dich tödten? sprach Giustiniano. Weißt du, daß man das Leben nicht zweimal gewinnt, die Todten nicht mehr zurückrufen kann in das Leben, welches sie verlassen haben? Dich tödten, mich selbst tödten, das ist Alles eins und dasselbe. Wie könnte ich, nachdem ich schon zwei Wochen lang mit und neben dir gelebt, von dir getrennt das Leben ertragen, wenn es noch Leben sein und heißen kann, ein Leben ohne dich! Nein, nicht ungerächt, nicht ohne ein würdiges Todtenopfer sollst du, müßtest du dann sterben. Er zuerst, dann ich. — Allein, weshalb uns vorzeitig kümmern! Genießen wir
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Zitationshilfe: | Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/56>, abgerufen am 16.02.2025. |