Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.fragen. Es fehlte. So war es denn ausgemacht, daß sie geraubt und ins Schloß getragen sei; erklärt, auf welche Weise und durch welche Hände der Jüngling seinen Tod gefunden. Der Körper ward still beigesetzt; das Volk verlief sich; Jeder trug seine Furcht und seinen Kummer zu Hause oder ins Feld hinaus. Allein unter nahen Freunden, im Innern der Familien ward laut geklagt, das Verhängniß verwünscht, welches Abkömmlinge freier Römer in so tiefe Schmach gestürzt, welches Christen der Zügellosigkeit gottloser, mehr als heidnischer Tyrannen schutzlos überlassen. Während alle zärtliche Gatten, alle sorgliche Väter zitterten, Einige an Flucht dachten, Andere ihre Lieben zu verbergen bemüht waren, saßen in der geräumigen Küche ihres Hauses zwei Neuverehelichte, unbesorgt beim Frühmahle plaudernd und kosend, Künftiges beredend und des Vergangenen froh sich erinnernd. Die Mittagssonne schien mild gebrochen durch die Papierfenster des einfachen Hauses, dessen Rückseite gegen den räumigen Garten hin wohl belegen war. An wärmeren Wintertagen hielt man die Fenster geöffnet und erfreute sich unbewußt der Aussicht in die reiche und ausgedehnte Ferne. Das wohlunterhaltene Feuer des nahen Herdes mehrte die Behaglichkeit dieser traulichen Stunde, in welcher verträgliche Eheleute auch nach Befriedigung der Eßlust zuweilen behaglich zu ruhen und zu plaudern lieben. Die Magd war noch geschäftig, den Nachtisch abzuheben, als fragen. Es fehlte. So war es denn ausgemacht, daß sie geraubt und ins Schloß getragen sei; erklärt, auf welche Weise und durch welche Hände der Jüngling seinen Tod gefunden. Der Körper ward still beigesetzt; das Volk verlief sich; Jeder trug seine Furcht und seinen Kummer zu Hause oder ins Feld hinaus. Allein unter nahen Freunden, im Innern der Familien ward laut geklagt, das Verhängniß verwünscht, welches Abkömmlinge freier Römer in so tiefe Schmach gestürzt, welches Christen der Zügellosigkeit gottloser, mehr als heidnischer Tyrannen schutzlos überlassen. Während alle zärtliche Gatten, alle sorgliche Väter zitterten, Einige an Flucht dachten, Andere ihre Lieben zu verbergen bemüht waren, saßen in der geräumigen Küche ihres Hauses zwei Neuverehelichte, unbesorgt beim Frühmahle plaudernd und kosend, Künftiges beredend und des Vergangenen froh sich erinnernd. Die Mittagssonne schien mild gebrochen durch die Papierfenster des einfachen Hauses, dessen Rückseite gegen den räumigen Garten hin wohl belegen war. An wärmeren Wintertagen hielt man die Fenster geöffnet und erfreute sich unbewußt der Aussicht in die reiche und ausgedehnte Ferne. Das wohlunterhaltene Feuer des nahen Herdes mehrte die Behaglichkeit dieser traulichen Stunde, in welcher verträgliche Eheleute auch nach Befriedigung der Eßlust zuweilen behaglich zu ruhen und zu plaudern lieben. Die Magd war noch geschäftig, den Nachtisch abzuheben, als <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048"/> fragen. Es fehlte. So war es denn ausgemacht, daß sie geraubt und ins Schloß getragen sei; erklärt, auf welche Weise und durch welche Hände der Jüngling seinen Tod gefunden.</p><lb/> <p>Der Körper ward still beigesetzt; das Volk verlief sich; Jeder trug seine Furcht und seinen Kummer zu Hause oder ins Feld hinaus. Allein unter nahen Freunden, im Innern der Familien ward laut geklagt, das Verhängniß verwünscht, welches Abkömmlinge freier Römer in so tiefe Schmach gestürzt, welches Christen der Zügellosigkeit gottloser, mehr als heidnischer Tyrannen schutzlos überlassen.</p><lb/> <p>Während alle zärtliche Gatten, alle sorgliche Väter zitterten, Einige an Flucht dachten, Andere ihre Lieben zu verbergen bemüht waren, saßen in der geräumigen Küche ihres Hauses zwei Neuverehelichte, unbesorgt beim Frühmahle plaudernd und kosend, Künftiges beredend und des Vergangenen froh sich erinnernd. Die Mittagssonne schien mild gebrochen durch die Papierfenster des einfachen Hauses, dessen Rückseite gegen den räumigen Garten hin wohl belegen war. An wärmeren Wintertagen hielt man die Fenster geöffnet und erfreute sich unbewußt der Aussicht in die reiche und ausgedehnte Ferne. Das wohlunterhaltene Feuer des nahen Herdes mehrte die Behaglichkeit dieser traulichen Stunde, in welcher verträgliche Eheleute auch nach Befriedigung der Eßlust zuweilen behaglich zu ruhen und zu plaudern lieben. Die Magd war noch geschäftig, den Nachtisch abzuheben, als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
fragen. Es fehlte. So war es denn ausgemacht, daß sie geraubt und ins Schloß getragen sei; erklärt, auf welche Weise und durch welche Hände der Jüngling seinen Tod gefunden.
Der Körper ward still beigesetzt; das Volk verlief sich; Jeder trug seine Furcht und seinen Kummer zu Hause oder ins Feld hinaus. Allein unter nahen Freunden, im Innern der Familien ward laut geklagt, das Verhängniß verwünscht, welches Abkömmlinge freier Römer in so tiefe Schmach gestürzt, welches Christen der Zügellosigkeit gottloser, mehr als heidnischer Tyrannen schutzlos überlassen.
Während alle zärtliche Gatten, alle sorgliche Väter zitterten, Einige an Flucht dachten, Andere ihre Lieben zu verbergen bemüht waren, saßen in der geräumigen Küche ihres Hauses zwei Neuverehelichte, unbesorgt beim Frühmahle plaudernd und kosend, Künftiges beredend und des Vergangenen froh sich erinnernd. Die Mittagssonne schien mild gebrochen durch die Papierfenster des einfachen Hauses, dessen Rückseite gegen den räumigen Garten hin wohl belegen war. An wärmeren Wintertagen hielt man die Fenster geöffnet und erfreute sich unbewußt der Aussicht in die reiche und ausgedehnte Ferne. Das wohlunterhaltene Feuer des nahen Herdes mehrte die Behaglichkeit dieser traulichen Stunde, in welcher verträgliche Eheleute auch nach Befriedigung der Eßlust zuweilen behaglich zu ruhen und zu plaudern lieben. Die Magd war noch geschäftig, den Nachtisch abzuheben, als
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Zitationshilfe: | Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/48>, abgerufen am 16.02.2025. |