Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

chen, dessen Begleiter vergeblich sich anstrengte, sie über die nächste Gartenmauer zu flüchten. Ein gellender Pfiff zeigte seinen Gefährten an, daß eine Beute aufgefunden sei. Die Nächsten waren ihm nahe, die Anderen bemühten sich ihn einzuholen; bald waren Alle zur Stelle.

Ein einziger finsterer Augenblick entschied das Schicksal zweier schuldlosen Menschen. Savello umfaßte das wehrlose, vom Schreck gelähmte Mädchen und warf sie den Nächsten in die Arme, welche sie ohnmächtig davontrugen. Indeß war ihr Begleiter, mit einem Weinpfahle bewaffnet, die Mauer hinabgesprungen; wüthend und nicht ohne Erfolg schwang er seine zerbrechliche Waffe, sank jedoch bald, vielfach durchbohrt, zur Erde. Er rang nicht lange; die Römer verstanden ihr Handwerk und wußten ins Leben zu treffen.

Als früh Morgens darauf die Landleute zur Arbeit hinauszogen, fanden sie am Weg den entseelten Körper. Nachdem sie vom ersten Entsetzen sich erholt, trugen Einige den Leichnam schweigend und kummervoll in die Stadt, während Andere der Spur seiner Mörder nachgingen. Der Weg war sandig, hatte daher den Eindruck ihrer Tritte bewahrt. Doch bald, in der Nähe des Schlosses, verschwand auf der Straße die Spur und nur undeutlich schien sie im Grase des nahen Brachfeldes sich fortzusetzen. Es ward gezaudert, berathen,

chen, dessen Begleiter vergeblich sich anstrengte, sie über die nächste Gartenmauer zu flüchten. Ein gellender Pfiff zeigte seinen Gefährten an, daß eine Beute aufgefunden sei. Die Nächsten waren ihm nahe, die Anderen bemühten sich ihn einzuholen; bald waren Alle zur Stelle.

Ein einziger finsterer Augenblick entschied das Schicksal zweier schuldlosen Menschen. Savello umfaßte das wehrlose, vom Schreck gelähmte Mädchen und warf sie den Nächsten in die Arme, welche sie ohnmächtig davontrugen. Indeß war ihr Begleiter, mit einem Weinpfahle bewaffnet, die Mauer hinabgesprungen; wüthend und nicht ohne Erfolg schwang er seine zerbrechliche Waffe, sank jedoch bald, vielfach durchbohrt, zur Erde. Er rang nicht lange; die Römer verstanden ihr Handwerk und wußten ins Leben zu treffen.

Als früh Morgens darauf die Landleute zur Arbeit hinauszogen, fanden sie am Weg den entseelten Körper. Nachdem sie vom ersten Entsetzen sich erholt, trugen Einige den Leichnam schweigend und kummervoll in die Stadt, während Andere der Spur seiner Mörder nachgingen. Der Weg war sandig, hatte daher den Eindruck ihrer Tritte bewahrt. Doch bald, in der Nähe des Schlosses, verschwand auf der Straße die Spur und nur undeutlich schien sie im Grase des nahen Brachfeldes sich fortzusetzen. Es ward gezaudert, berathen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046"/>
chen, dessen Begleiter vergeblich sich anstrengte, sie über die nächste                Gartenmauer zu flüchten. Ein gellender Pfiff zeigte seinen Gefährten an, daß eine                Beute aufgefunden sei. Die Nächsten waren ihm nahe, die Anderen bemühten sich ihn                einzuholen; bald waren Alle zur Stelle.</p><lb/>
        <p>Ein einziger finsterer Augenblick entschied das Schicksal zweier schuldlosen                Menschen. Savello umfaßte das wehrlose, vom Schreck gelähmte Mädchen und warf sie den                Nächsten in die Arme, welche sie ohnmächtig davontrugen. Indeß war ihr Begleiter, mit                einem Weinpfahle bewaffnet, die Mauer hinabgesprungen; wüthend und nicht ohne Erfolg                schwang er seine zerbrechliche Waffe, sank jedoch bald, vielfach durchbohrt, zur                Erde. Er rang nicht lange; die Römer verstanden ihr Handwerk und wußten ins Leben zu                treffen.</p><lb/>
      </div>
      <div n="2">
        <p>Als früh Morgens darauf die Landleute zur Arbeit hinauszogen, fanden sie am Weg den                entseelten Körper. Nachdem sie vom ersten Entsetzen sich erholt, trugen Einige den                Leichnam schweigend und kummervoll in die Stadt, während Andere der Spur seiner                Mörder nachgingen. Der Weg war sandig, hatte daher den Eindruck ihrer Tritte bewahrt.                Doch bald, in der Nähe des Schlosses, verschwand auf der Straße die Spur und nur                undeutlich schien sie im Grase des nahen Brachfeldes sich fortzusetzen. Es ward                gezaudert, berathen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] chen, dessen Begleiter vergeblich sich anstrengte, sie über die nächste Gartenmauer zu flüchten. Ein gellender Pfiff zeigte seinen Gefährten an, daß eine Beute aufgefunden sei. Die Nächsten waren ihm nahe, die Anderen bemühten sich ihn einzuholen; bald waren Alle zur Stelle. Ein einziger finsterer Augenblick entschied das Schicksal zweier schuldlosen Menschen. Savello umfaßte das wehrlose, vom Schreck gelähmte Mädchen und warf sie den Nächsten in die Arme, welche sie ohnmächtig davontrugen. Indeß war ihr Begleiter, mit einem Weinpfahle bewaffnet, die Mauer hinabgesprungen; wüthend und nicht ohne Erfolg schwang er seine zerbrechliche Waffe, sank jedoch bald, vielfach durchbohrt, zur Erde. Er rang nicht lange; die Römer verstanden ihr Handwerk und wußten ins Leben zu treffen. Als früh Morgens darauf die Landleute zur Arbeit hinauszogen, fanden sie am Weg den entseelten Körper. Nachdem sie vom ersten Entsetzen sich erholt, trugen Einige den Leichnam schweigend und kummervoll in die Stadt, während Andere der Spur seiner Mörder nachgingen. Der Weg war sandig, hatte daher den Eindruck ihrer Tritte bewahrt. Doch bald, in der Nähe des Schlosses, verschwand auf der Straße die Spur und nur undeutlich schien sie im Grase des nahen Brachfeldes sich fortzusetzen. Es ward gezaudert, berathen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:26:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:26:17Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/46
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/46>, abgerufen am 21.11.2024.