Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Bündniß neue Kraft, mehr Stärke zu gewinnen. Margaretha ward einen Augenblick in der ersten Stanze aufgehalten, wo Attila gemalt ist, den Leo, Heliodor, den Abgesandte des hohen Gottes der Juden von Raub und Verwüstung abhalten; Gegenstände, welche das Priesterthum im Vollgefühle seiner Macht dem Künstler aufgegeben. Seither indeß hatte in der Stellung der römischen Hierarchie sehr Vieles sich geändert; die Kirche schreckte und lockte nicht mehr durch sich selbst; hingegen hatte sie bereits unterhandeln gelernt, wußte die Mächte auf gemeinsame Gefahren und Vortheile aufmerksam zu machen. Aus dem Standpunkte eigener Sicherung und Wohlfahrt erschien daher auch den freisinnigen, selbst den ungläubigen Herrschern die Erhaltung des kirchlichen Ansehens nothwendig, mindestens wünschenswerth. Die Prinzessin war in das Geheimniß dieser Politik tief eingeweiht. Sie überdachte noch einmal schnell, wie Vieles sie werde verrathen und sagen dürfen, ohne die Bahn der Vermittlung und Ausgleichung zu verlassen, welche die Umstände ihr vorzeichneten. Sie fand den Papst, dem sein hohes Alter ein ehrwürdiges Ansehen gab, niedergelassen auf einen Lehnsessel, den Gold und Purpur schmückte. Man hatte einen zweiten, weniger erhöhten Sessel nahe an seine Linke gerückt, für Margarethen, damit er unbehorcht und leise mit ihr reden könne. Nach der üblichen Kniebeugung, während welcher Paul ihr die Hand zum Kusse reichte, winkte er der Prinzessin, sich zu erheben und Bündniß neue Kraft, mehr Stärke zu gewinnen. Margaretha ward einen Augenblick in der ersten Stanze aufgehalten, wo Attila gemalt ist, den Leo, Heliodor, den Abgesandte des hohen Gottes der Juden von Raub und Verwüstung abhalten; Gegenstände, welche das Priesterthum im Vollgefühle seiner Macht dem Künstler aufgegeben. Seither indeß hatte in der Stellung der römischen Hierarchie sehr Vieles sich geändert; die Kirche schreckte und lockte nicht mehr durch sich selbst; hingegen hatte sie bereits unterhandeln gelernt, wußte die Mächte auf gemeinsame Gefahren und Vortheile aufmerksam zu machen. Aus dem Standpunkte eigener Sicherung und Wohlfahrt erschien daher auch den freisinnigen, selbst den ungläubigen Herrschern die Erhaltung des kirchlichen Ansehens nothwendig, mindestens wünschenswerth. Die Prinzessin war in das Geheimniß dieser Politik tief eingeweiht. Sie überdachte noch einmal schnell, wie Vieles sie werde verrathen und sagen dürfen, ohne die Bahn der Vermittlung und Ausgleichung zu verlassen, welche die Umstände ihr vorzeichneten. Sie fand den Papst, dem sein hohes Alter ein ehrwürdiges Ansehen gab, niedergelassen auf einen Lehnsessel, den Gold und Purpur schmückte. Man hatte einen zweiten, weniger erhöhten Sessel nahe an seine Linke gerückt, für Margarethen, damit er unbehorcht und leise mit ihr reden könne. Nach der üblichen Kniebeugung, während welcher Paul ihr die Hand zum Kusse reichte, winkte er der Prinzessin, sich zu erheben und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032"/> Bündniß neue Kraft, mehr Stärke zu gewinnen. Margaretha ward einen Augenblick in der ersten Stanze aufgehalten, wo Attila gemalt ist, den Leo, Heliodor, den Abgesandte des hohen Gottes der Juden von Raub und Verwüstung abhalten; Gegenstände, welche das Priesterthum im Vollgefühle seiner Macht dem Künstler aufgegeben. Seither indeß hatte in der Stellung der römischen Hierarchie sehr Vieles sich geändert; die Kirche schreckte und lockte nicht mehr durch sich selbst; hingegen hatte sie bereits unterhandeln gelernt, wußte die Mächte auf gemeinsame Gefahren und Vortheile aufmerksam zu machen. Aus dem Standpunkte eigener Sicherung und Wohlfahrt erschien daher auch den freisinnigen, selbst den ungläubigen Herrschern die Erhaltung des kirchlichen Ansehens nothwendig, mindestens wünschenswerth. Die Prinzessin war in das Geheimniß dieser Politik tief eingeweiht. Sie überdachte noch einmal schnell, wie Vieles sie werde verrathen und sagen dürfen, ohne die Bahn der Vermittlung und Ausgleichung zu verlassen, welche die Umstände ihr vorzeichneten.</p><lb/> <p>Sie fand den Papst, dem sein hohes Alter ein ehrwürdiges Ansehen gab, niedergelassen auf einen Lehnsessel, den Gold und Purpur schmückte. Man hatte einen zweiten, weniger erhöhten Sessel nahe an seine Linke gerückt, für Margarethen, damit er unbehorcht und leise mit ihr reden könne. Nach der üblichen Kniebeugung, während welcher Paul ihr die Hand zum Kusse reichte, winkte er der Prinzessin, sich zu erheben und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Bündniß neue Kraft, mehr Stärke zu gewinnen. Margaretha ward einen Augenblick in der ersten Stanze aufgehalten, wo Attila gemalt ist, den Leo, Heliodor, den Abgesandte des hohen Gottes der Juden von Raub und Verwüstung abhalten; Gegenstände, welche das Priesterthum im Vollgefühle seiner Macht dem Künstler aufgegeben. Seither indeß hatte in der Stellung der römischen Hierarchie sehr Vieles sich geändert; die Kirche schreckte und lockte nicht mehr durch sich selbst; hingegen hatte sie bereits unterhandeln gelernt, wußte die Mächte auf gemeinsame Gefahren und Vortheile aufmerksam zu machen. Aus dem Standpunkte eigener Sicherung und Wohlfahrt erschien daher auch den freisinnigen, selbst den ungläubigen Herrschern die Erhaltung des kirchlichen Ansehens nothwendig, mindestens wünschenswerth. Die Prinzessin war in das Geheimniß dieser Politik tief eingeweiht. Sie überdachte noch einmal schnell, wie Vieles sie werde verrathen und sagen dürfen, ohne die Bahn der Vermittlung und Ausgleichung zu verlassen, welche die Umstände ihr vorzeichneten.
Sie fand den Papst, dem sein hohes Alter ein ehrwürdiges Ansehen gab, niedergelassen auf einen Lehnsessel, den Gold und Purpur schmückte. Man hatte einen zweiten, weniger erhöhten Sessel nahe an seine Linke gerückt, für Margarethen, damit er unbehorcht und leise mit ihr reden könne. Nach der üblichen Kniebeugung, während welcher Paul ihr die Hand zum Kusse reichte, winkte er der Prinzessin, sich zu erheben und
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Zitationshilfe: | Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/32>, abgerufen am 16.02.2025. |