Meistern der florentinischen Schule, an welche er übrigens sich nicht anschließen konnte, ohne auch auf sie zurückzuwirken.
Die Gegenstände aber, welche die Wünsche und Bedürf- nisse der Gönner ihm zuführten, sahen wir ihn stets mit leb- hafter Theilnahme umfassen. Die Richtung des Alunno, des Pietro und anderer Maler desselben Bezirkes stand, wie ich früher gezeigt habe, in genauer Verbindung mit dem asceti- schen Streben des heil. Franz von Asisi. Für dieses fand Raphael die Empfänglichkeit noch lebendig, als er im Um- kreise von Perugia zu wirken begann; daher wiederholte Versuche, im Leiden des Erlösers tiefe Schmerzlichkeit mit hoher Würde zu einigen, was ihm in der Pieta des Grafen Tosi, und sonst trefflicher gelungen ist, als jemals dem Pietro, Alunno, oder anderen Malern derselben Richtung. Seine Madonnen, seine Jesuskinder waren, so lange er den Gegen- stand in diesem Sinne nahm, wehmüthig, schmerzlicher Ahn- dung voll. Hingegen gestalteten sich, als er später dem practischen, im Gegenwärtigen wurzelnden Sinne der Floren- tiner zu genügen hatte, seine Madonnen in heitere Familien- scenen voll naiven Ausdruckes gesunder Lebensfreude. Auch Größeres schwebte ihm vor, wie es die Wandmalerey in dem Kloster S. Severo uns gezeigt. Judeß drängte er es seinen Gönnern nicht auf, bewahrte es still in seinem Busen, bis endlich zu Rom, unersättliche Ansprüche eines kühnen und geistvollen Beschützers selbst den vermessensten Wünschen von nun an unbegrenzten Spielraum gewährten.
Meiſtern der florentiniſchen Schule, an welche er uͤbrigens ſich nicht anſchließen konnte, ohne auch auf ſie zuruͤckzuwirken.
Die Gegenſtaͤnde aber, welche die Wuͤnſche und Beduͤrf- niſſe der Goͤnner ihm zufuͤhrten, ſahen wir ihn ſtets mit leb- hafter Theilnahme umfaſſen. Die Richtung des Alunno, des Pietro und anderer Maler deſſelben Bezirkes ſtand, wie ich fruͤher gezeigt habe, in genauer Verbindung mit dem aſceti- ſchen Streben des heil. Franz von Aſiſi. Fuͤr dieſes fand Raphael die Empfaͤnglichkeit noch lebendig, als er im Um- kreiſe von Perugia zu wirken begann; daher wiederholte Verſuche, im Leiden des Erloͤſers tiefe Schmerzlichkeit mit hoher Wuͤrde zu einigen, was ihm in der Pietà des Grafen Toſi, und ſonſt trefflicher gelungen iſt, als jemals dem Pietro, Alunno, oder anderen Malern derſelben Richtung. Seine Madonnen, ſeine Jeſuskinder waren, ſo lange er den Gegen- ſtand in dieſem Sinne nahm, wehmuͤthig, ſchmerzlicher Ahn- dung voll. Hingegen geſtalteten ſich, als er ſpaͤter dem practiſchen, im Gegenwaͤrtigen wurzelnden Sinne der Floren- tiner zu genuͤgen hatte, ſeine Madonnen in heitere Familien- ſcenen voll naiven Ausdruckes geſunder Lebensfreude. Auch Groͤßeres ſchwebte ihm vor, wie es die Wandmalerey in dem Kloſter S. Severo uns gezeigt. Judeß draͤngte er es ſeinen Goͤnnern nicht auf, bewahrte es ſtill in ſeinem Buſen, bis endlich zu Rom, unerſaͤttliche Anſpruͤche eines kuͤhnen und geiſtvollen Beſchuͤtzers ſelbſt den vermeſſenſten Wuͤnſchen von nun an unbegrenzten Spielraum gewaͤhrten.
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Meiſtern der florentiniſchen Schule, an welche er uͤbrigens ſich
nicht anſchließen konnte, ohne auch auf ſie zuruͤckzuwirken.
Die Gegenſtaͤnde aber, welche die Wuͤnſche und Beduͤrf-
niſſe der Goͤnner ihm zufuͤhrten, ſahen wir ihn ſtets mit leb-
hafter Theilnahme umfaſſen. Die Richtung des Alunno, des
Pietro und anderer Maler deſſelben Bezirkes ſtand, wie ich
fruͤher gezeigt habe, in genauer Verbindung mit dem aſceti-
ſchen Streben des heil. Franz von Aſiſi. Fuͤr dieſes fand
Raphael die Empfaͤnglichkeit noch lebendig, als er im Um-
kreiſe von Perugia zu wirken begann; daher wiederholte
Verſuche, im Leiden des Erloͤſers tiefe Schmerzlichkeit mit
hoher Wuͤrde zu einigen, was ihm in der Pietà des Grafen
Toſi, und ſonſt trefflicher gelungen iſt, als jemals dem Pietro,
Alunno, oder anderen Malern derſelben Richtung. Seine
Madonnen, ſeine Jeſuskinder waren, ſo lange er den Gegen-
ſtand in dieſem Sinne nahm, wehmuͤthig, ſchmerzlicher Ahn-
dung voll. Hingegen geſtalteten ſich, als er ſpaͤter dem
practiſchen, im Gegenwaͤrtigen wurzelnden Sinne der Floren-
tiner zu genuͤgen hatte, ſeine Madonnen in heitere Familien-
ſcenen voll naiven Ausdruckes geſunder Lebensfreude. Auch
Groͤßeres ſchwebte ihm vor, wie es die Wandmalerey in dem
Kloſter S. Severo uns gezeigt. Judeß draͤngte er es ſeinen
Goͤnnern nicht auf, bewahrte es ſtill in ſeinem Buſen, bis
endlich zu Rom, unerſaͤttliche Anſpruͤche eines kuͤhnen und
geiſtvollen Beſchuͤtzers ſelbſt den vermeſſenſten Wuͤnſchen von
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/98>, abgerufen am 17.02.2025.
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