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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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aber dürfen wir glauben, was er über Raphaels Verhältniß
zum Frate erzählt, weil es hinsichtlich des h. Petrus im Qui-
rinal augenfällig ist, sonst aber mehr als wahrscheinlich, daß
er in allen Raphaels Aufenthalt in Florenz angehenden Din-
gen mündlichen Mittheilungen des Ridolfo Ghirlandajo ge-
folgt sey, welcher in hohem Alter noch lebte, als Vasari die
erste Auflage seiner Malerleben vorbereitete. Unverzeihlich, daß
er eine so treffliche Quelle nicht bis auf den Grund ausge-
nutzt hat.

In dieser Uebersicht habe ich mich auf solche Stücke be-
schränkt, welche ich zu untersuchen Zeit und Gelegenheit ge-
funden. Allein es werden verschiedene anderweitige Jugend-
werke Raphaels genannt. Vasari nennt zu Perugia in der
Servitenkirche, Kappelle Ansidei, eine Madonna mit S. Joh.
Baptista
und S. Nicolaus. Um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts (Morelli, guida di Perugia) glaubte man die-
ses Bild noch zu besitzen, welches ich nicht mehr aufgefunden
habe, noch dessen Schicksale kenne. Es möchten hier Ver-
wechselungen die Dunkelheit vermehren. -- Für den Herzog
von Urbino, meldet er ferner, habe Raphael drey kleine Bil-
der gemalt: zwey Madonnen, einen Christus im Garten. Den
letzten glaubte man in der Gallerie Orleans zu besitzen, welche
nun auch verstreut ist. Ob eine der bekannteren Madonnen
vormals dem Herzoge gehört habe, ist ungewiß. Nach Lo-
mazzo
hätte der Herzog von Urbino auch den heil. Georg be-
sessen, welcher, nach der wohlerhaltenen Bause unter Raphaels
Zeichnungen in der florentinischen Gallerie um das J. 1504
gemalt seyn müßte. -- Malvasia, Felsina pitt., im Leben
des Francesco Francia p. 44. führt zu Bologna verschiedene
dem Vasari unbekannte Arbeiten Raphaels auf, deren eine

aber duͤrfen wir glauben, was er uͤber Raphaels Verhaͤltniß
zum Frate erzaͤhlt, weil es hinſichtlich des h. Petrus im Qui-
rinal augenfaͤllig iſt, ſonſt aber mehr als wahrſcheinlich, daß
er in allen Raphaels Aufenthalt in Florenz angehenden Din-
gen muͤndlichen Mittheilungen des Ridolfo Ghirlandajo ge-
folgt ſey, welcher in hohem Alter noch lebte, als Vaſari die
erſte Auflage ſeiner Malerleben vorbereitete. Unverzeihlich, daß
er eine ſo treffliche Quelle nicht bis auf den Grund ausge-
nutzt hat.

In dieſer Ueberſicht habe ich mich auf ſolche Stuͤcke be-
ſchraͤnkt, welche ich zu unterſuchen Zeit und Gelegenheit ge-
funden. Allein es werden verſchiedene anderweitige Jugend-
werke Raphaels genannt. Vaſari nennt zu Perugia in der
Servitenkirche, Kappelle Anſidei, eine Madonna mit S. Joh.
Baptiſta
und S. Nicolaus. Um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts (Morelli, guida di Perugia) glaubte man die-
ſes Bild noch zu beſitzen, welches ich nicht mehr aufgefunden
habe, noch deſſen Schickſale kenne. Es moͤchten hier Ver-
wechſelungen die Dunkelheit vermehren. — Fuͤr den Herzog
von Urbino, meldet er ferner, habe Raphael drey kleine Bil-
der gemalt: zwey Madonnen, einen Chriſtus im Garten. Den
letzten glaubte man in der Gallerie Orleans zu beſitzen, welche
nun auch verſtreut iſt. Ob eine der bekannteren Madonnen
vormals dem Herzoge gehoͤrt habe, iſt ungewiß. Nach Lo-
mazzo
haͤtte der Herzog von Urbino auch den heil. Georg be-
ſeſſen, welcher, nach der wohlerhaltenen Bauſe unter Raphaels
Zeichnungen in der florentiniſchen Gallerie um das J. 1504
gemalt ſeyn muͤßte. — Malvaſia, Felsina pitt., im Leben
des Francesco Francia p. 44. fuͤhrt zu Bologna verſchiedene
dem Vaſari unbekannte Arbeiten Raphaels auf, deren eine

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[73/0095] aber duͤrfen wir glauben, was er uͤber Raphaels Verhaͤltniß zum Frate erzaͤhlt, weil es hinſichtlich des h. Petrus im Qui- rinal augenfaͤllig iſt, ſonſt aber mehr als wahrſcheinlich, daß er in allen Raphaels Aufenthalt in Florenz angehenden Din- gen muͤndlichen Mittheilungen des Ridolfo Ghirlandajo ge- folgt ſey, welcher in hohem Alter noch lebte, als Vaſari die erſte Auflage ſeiner Malerleben vorbereitete. Unverzeihlich, daß er eine ſo treffliche Quelle nicht bis auf den Grund ausge- nutzt hat. In dieſer Ueberſicht habe ich mich auf ſolche Stuͤcke be- ſchraͤnkt, welche ich zu unterſuchen Zeit und Gelegenheit ge- funden. Allein es werden verſchiedene anderweitige Jugend- werke Raphaels genannt. Vaſari nennt zu Perugia in der Servitenkirche, Kappelle Anſidei, eine Madonna mit S. Joh. Baptiſta und S. Nicolaus. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts (Morelli, guida di Perugia) glaubte man die- ſes Bild noch zu beſitzen, welches ich nicht mehr aufgefunden habe, noch deſſen Schickſale kenne. Es moͤchten hier Ver- wechſelungen die Dunkelheit vermehren. — Fuͤr den Herzog von Urbino, meldet er ferner, habe Raphael drey kleine Bil- der gemalt: zwey Madonnen, einen Chriſtus im Garten. Den letzten glaubte man in der Gallerie Orleans zu beſitzen, welche nun auch verſtreut iſt. Ob eine der bekannteren Madonnen vormals dem Herzoge gehoͤrt habe, iſt ungewiß. Nach Lo- mazzo haͤtte der Herzog von Urbino auch den heil. Georg be- ſeſſen, welcher, nach der wohlerhaltenen Bauſe unter Raphaels Zeichnungen in der florentiniſchen Gallerie um das J. 1504 gemalt ſeyn muͤßte. — Malvaſia, Felsina pitt., im Leben des Francesco Francia p. 44. fuͤhrt zu Bologna verſchiedene dem Vaſari unbekannte Arbeiten Raphaels auf, deren eine

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/95>, abgerufen am 23.11.2024.