Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.eine Pieta in gleicher Manier, auf gleichem Stoffe, welche in Uns, die wir an eine langsame, sich zurückhaltende Bil- *) Der Patre Pungileoni versichert uns in seinen über den Gio-
vanni Santi zu Urbino angestellten Untersuchungen, von welchen ich erst, eine Pietà in gleicher Manier, auf gleichem Stoffe, welche in Uns, die wir an eine langſame, ſich zuruͤckhaltende Bil- *) Der Patre Pungileoni verſichert uns in ſeinen über den Gio-
vanni Santi zu Urbino angeſtellten Unterſuchungen, von welchen ich erſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0056" n="34"/> eine Piet<hi rendition="#aq">à</hi> in gleicher Manier, auf gleichem Stoffe, welche in<lb/> das Muſeum zu <placeName>Berlin</placeName> gelangt iſt (1ſte Abtheil. Nro. 226.).<lb/> Der alterthuͤmlichen Randverzierung ungeachtet iſt die Ma-<lb/> donna im Hauſe Conteſtabile zu <placeName>Perugia</placeName> ſichtlich ſchon etwas<lb/> neuer.</p><lb/> <p>Uns, die wir an eine langſame, ſich zuruͤckhaltende Bil-<lb/> dungsart gewoͤhnt ſind, wird es unſaͤglich ſchwer, die Blitzes-<lb/> ſchnelle in den Oscillationen der Entwickelung alter Kuͤnſtler<lb/> im Auge zu behalten. Es verwirrt uns, wenn wir ſehen, daß<lb/> Kuͤnſtler von der Stufe, welche ſie ſchon eingenommen, ſich<lb/> zuruͤckwendend, aͤltere Eindruͤcke, welche vergeſſen ſchienen, wie-<lb/> derum auffriſchen, ins Leben rufen, mit dem neu Erworbenen<lb/> vermaͤhlen. Selten iſt die Entwickelungsgeſchichte ſelbſt be-<lb/> ruͤhmter Kuͤnſtler umſtaͤndlich bekannt; auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> zu ſum-<lb/> mariſch, um ſchon daraus die Verſchiedenartigkeit der Erſchei-<lb/> nungen ſeines Jugendlebens erklaͤren zu koͤnnen. Alſo werden<lb/> wir von der Annahme ausgehen muͤſſen, daß er, ſeit ſeinem<lb/> Austritt aus der vaͤterlichen Schule, unabhaͤngiger gelebt und<lb/> gewirkt habe, als geglaubt wird, daher, nach Gelegenheit, bald<lb/> beym <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName>, bald wieder bey einem Anderen in Arbeit<lb/> ſich verdungen, abwechſelnd wieder auf eigene Rechnung ge-<lb/> malt habe. Hierin ſtreitet nichts gegen die Sitten und Ver-<lb/> haͤltniſſe jener Zeit, in welcher nur der eigentliche Lehrling ge-<lb/> bunden war. Auch ſtehet ihm nichts entgegen, als ein Theil<lb/> des kleinen Erziehungsromanes beym <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, welcher in deſſen<lb/> Manier liegt, in allen Kuͤnſtlerleben ſich wiederholt, daher auf<lb/> hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit weniger Anſpruch hat, als auf<lb/> poetiſchen Reiz <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Der Patre <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100387985">Pungileoni</persName> verſichert uns in ſeinen über den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119006561">Gio-<lb/> vanni Santi</persName> zu <placeName>Urbino</placeName> angeſtellten Unterſuchungen, von welchen ich erſt,</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0056]
eine Pietà in gleicher Manier, auf gleichem Stoffe, welche in
das Muſeum zu Berlin gelangt iſt (1ſte Abtheil. Nro. 226.).
Der alterthuͤmlichen Randverzierung ungeachtet iſt die Ma-
donna im Hauſe Conteſtabile zu Perugia ſichtlich ſchon etwas
neuer.
Uns, die wir an eine langſame, ſich zuruͤckhaltende Bil-
dungsart gewoͤhnt ſind, wird es unſaͤglich ſchwer, die Blitzes-
ſchnelle in den Oscillationen der Entwickelung alter Kuͤnſtler
im Auge zu behalten. Es verwirrt uns, wenn wir ſehen, daß
Kuͤnſtler von der Stufe, welche ſie ſchon eingenommen, ſich
zuruͤckwendend, aͤltere Eindruͤcke, welche vergeſſen ſchienen, wie-
derum auffriſchen, ins Leben rufen, mit dem neu Erworbenen
vermaͤhlen. Selten iſt die Entwickelungsgeſchichte ſelbſt be-
ruͤhmter Kuͤnſtler umſtaͤndlich bekannt; auch Raphaels zu ſum-
mariſch, um ſchon daraus die Verſchiedenartigkeit der Erſchei-
nungen ſeines Jugendlebens erklaͤren zu koͤnnen. Alſo werden
wir von der Annahme ausgehen muͤſſen, daß er, ſeit ſeinem
Austritt aus der vaͤterlichen Schule, unabhaͤngiger gelebt und
gewirkt habe, als geglaubt wird, daher, nach Gelegenheit, bald
beym Perugino, bald wieder bey einem Anderen in Arbeit
ſich verdungen, abwechſelnd wieder auf eigene Rechnung ge-
malt habe. Hierin ſtreitet nichts gegen die Sitten und Ver-
haͤltniſſe jener Zeit, in welcher nur der eigentliche Lehrling ge-
bunden war. Auch ſtehet ihm nichts entgegen, als ein Theil
des kleinen Erziehungsromanes beym Vaſari, welcher in deſſen
Manier liegt, in allen Kuͤnſtlerleben ſich wiederholt, daher auf
hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit weniger Anſpruch hat, als auf
poetiſchen Reiz *).
*) Der Patre Pungileoni verſichert uns in ſeinen über den Gio-
vanni Santi zu Urbino angeſtellten Unterſuchungen, von welchen ich erſt,
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