Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.Bey größter Verschiedenheit der Aufgaben finden sich in 2 *
Bey groͤßter Verſchiedenheit der Aufgaben finden ſich in 2 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0041" n="19"/> <p>Bey groͤßter Verſchiedenheit der Aufgaben finden ſich in<lb/> ſeinen Werken, von den jugendlichſten bis zu den ſpaͤteſten,<lb/> doch an keiner Stelle Spuren jener Verwirrung, jener un-<lb/> gleichen, Leerheiten aufdeckenden Anhaͤufung, welche in neueren<lb/> Gemaͤlden ſo gewoͤhnlich und ſelbſt in ſonſt vortrefflichen vor-<lb/> kommen. Bildniſſe, oder Zuſammenſtellungen von wenigen<lb/> und wenig bewegten Figuren halten ohne Zwang die Mitte<lb/> der Flaͤche; ihre Umriſſe naͤhern ſich anmuthsvoll dem Rande,<lb/> ohne ihn je zu beruͤhren, zeichnen ihre Aus- und Einbeugun-<lb/> gen gegen den Grund mit einem Liniengefuͤhle, welches an<lb/> muſicaliſche Modulationen erinnert. Schwieriger indeß, als<lb/> im Geſammelten, wird das Princip dieſer Schoͤnheit, ohne<lb/> Beeintraͤchtigung des Gegenſtandes, auch im Bewegten feſtge-<lb/> halten; daher ſetzt nichts den Styl <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> in ein glaͤnzen-<lb/> deres Licht, als eben der Tempelraub des Heliodor in den<lb/> Stanzen des vaticaniſchen Palaſtes. Bekanntlich hatte man<lb/> in der reflectirenden Kunſtepoche der Caracci verſucht, die<lb/> geometriſche Anordnung der Gemaͤlde unter beſtimmte Regeln<lb/> und Vorſchriften zu bringen, welche, wenn ſie uͤberhaupt auf-<lb/> zufinden ſind, nicht vielmehr dem Gefuͤhle hier Alles zu uͤber-<lb/> laſſen iſt, doch gewiß damals viel zu beſchraͤnkt und beſchraͤn-<lb/> kend aufgefaßt wurden. Nach ſolchen, ſchwerfaͤllige und er-<lb/> zwungene Gruppirungen beguͤnſtigenden Regeln, welche in der<lb/> Theorie langezeit ſich in Kraft erhalten haben, ward gelegent-<lb/> lich auch der Heliodor beurtheilt und angegriffen. Der leere<lb/> Raum in der Mitte des Bildes, die Ungleichheit der Maſſen<lb/> in den beiden einander ſcheinbar entgegengeſetzten Gruppen,<lb/> des Volkes und der Krieger, ſchienen unvereinbar mit den an-<lb/> genommenen Grundſaͤtzen der Compoſition, des Kunſtausdruckes<lb/> fuͤr die Zuſammenſtellung der materiellen Theile eines Gemaͤl-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2 *</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0041]
Bey groͤßter Verſchiedenheit der Aufgaben finden ſich in
ſeinen Werken, von den jugendlichſten bis zu den ſpaͤteſten,
doch an keiner Stelle Spuren jener Verwirrung, jener un-
gleichen, Leerheiten aufdeckenden Anhaͤufung, welche in neueren
Gemaͤlden ſo gewoͤhnlich und ſelbſt in ſonſt vortrefflichen vor-
kommen. Bildniſſe, oder Zuſammenſtellungen von wenigen
und wenig bewegten Figuren halten ohne Zwang die Mitte
der Flaͤche; ihre Umriſſe naͤhern ſich anmuthsvoll dem Rande,
ohne ihn je zu beruͤhren, zeichnen ihre Aus- und Einbeugun-
gen gegen den Grund mit einem Liniengefuͤhle, welches an
muſicaliſche Modulationen erinnert. Schwieriger indeß, als
im Geſammelten, wird das Princip dieſer Schoͤnheit, ohne
Beeintraͤchtigung des Gegenſtandes, auch im Bewegten feſtge-
halten; daher ſetzt nichts den Styl Raphaels in ein glaͤnzen-
deres Licht, als eben der Tempelraub des Heliodor in den
Stanzen des vaticaniſchen Palaſtes. Bekanntlich hatte man
in der reflectirenden Kunſtepoche der Caracci verſucht, die
geometriſche Anordnung der Gemaͤlde unter beſtimmte Regeln
und Vorſchriften zu bringen, welche, wenn ſie uͤberhaupt auf-
zufinden ſind, nicht vielmehr dem Gefuͤhle hier Alles zu uͤber-
laſſen iſt, doch gewiß damals viel zu beſchraͤnkt und beſchraͤn-
kend aufgefaßt wurden. Nach ſolchen, ſchwerfaͤllige und er-
zwungene Gruppirungen beguͤnſtigenden Regeln, welche in der
Theorie langezeit ſich in Kraft erhalten haben, ward gelegent-
lich auch der Heliodor beurtheilt und angegriffen. Der leere
Raum in der Mitte des Bildes, die Ungleichheit der Maſſen
in den beiden einander ſcheinbar entgegengeſetzten Gruppen,
des Volkes und der Krieger, ſchienen unvereinbar mit den an-
genommenen Grundſaͤtzen der Compoſition, des Kunſtausdruckes
fuͤr die Zuſammenſtellung der materiellen Theile eines Gemaͤl-
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