materiellen Theile des Werkes seine Aufmerksamkeit ausschließ- lich in Anspruch nahm; daß von noch anderen Gesetzen der Eindruck abhängig sey, welchen bestimmtere, durch das Kunst- werk anzuregende Vorstellungen auf das Gefühl bewirken wer- den. Schönheitsgesetze aber, von denen das eine in dem be- schränkten Organismus eines menschlichen Sinnes, das an- dere, gleich der musicalischen Harmonie, in weitumfassenden Naturnothwendigkeiten, das dritte im sittlichen Gefühle ge- gründet ist, nöthigen, auf durchaus und schon in den Grund- lagen geschiedene Schönheiten zu schließen: die sinnliche An- nehmlichkeit; die Schönheit geometrischer Verhältnisse und Anreihungen; die Erfreulichkeit durch sinnliche Wahrnehmun- gen mittelbar in der Seele angeregter, bestimmterer Vorstel- lungen.
Indeß können diese allgemeineren Unterscheidungen der ästhetischen Praxis nicht genügen; es erheischt ihr Bedürfniß, denselben viele andere, noch speciellere Begriffe unterzuordnen. Der sinnlichen Annehmlichkeit: Schmelz, Contrast, Ton, Hal- tung, Harmonie der Tinten, gefällige Textur der Körper; der Schönheit der Raumverhältnisse, deren verschiedene Gattungen, etwa, das Gedrängte, Schlanke, Bewegte, Gesammelte. End- lich unterscheidet sie jene bestimmteren Vorstellungen, welche, durch sinnliche Wahrnehmungen in der Seele angeregt, in dieser befriedigende Gefühle erwecken, in Anmuth, Reiz, Würde, Erhabenheit, und so viele andere, in dem Gedächtniß der Ge- bildeten vorhandene und leicht aufzufindende Begriffe. Diese und die übrigen ihnen verwandten Begriffe sind auch in die Kunstsprache der Theorie übergegangen, wo sie, bey ganz ver- schiedener Ableitung, ihre richtige Stellung nicht immer zu finden wissen, daher im Wege stehen, und aus diesem Grunde
materiellen Theile des Werkes ſeine Aufmerkſamkeit ausſchließ- lich in Anſpruch nahm; daß von noch anderen Geſetzen der Eindruck abhaͤngig ſey, welchen beſtimmtere, durch das Kunſt- werk anzuregende Vorſtellungen auf das Gefuͤhl bewirken wer- den. Schoͤnheitsgeſetze aber, von denen das eine in dem be- ſchraͤnkten Organismus eines menſchlichen Sinnes, das an- dere, gleich der muſicaliſchen Harmonie, in weitumfaſſenden Naturnothwendigkeiten, das dritte im ſittlichen Gefuͤhle ge- gruͤndet iſt, noͤthigen, auf durchaus und ſchon in den Grund- lagen geſchiedene Schoͤnheiten zu ſchließen: die ſinnliche An- nehmlichkeit; die Schoͤnheit geometriſcher Verhaͤltniſſe und Anreihungen; die Erfreulichkeit durch ſinnliche Wahrnehmun- gen mittelbar in der Seele angeregter, beſtimmterer Vorſtel- lungen.
Indeß koͤnnen dieſe allgemeineren Unterſcheidungen der aͤſthetiſchen Praxis nicht genuͤgen; es erheiſcht ihr Beduͤrfniß, denſelben viele andere, noch ſpeciellere Begriffe unterzuordnen. Der ſinnlichen Annehmlichkeit: Schmelz, Contraſt, Ton, Hal- tung, Harmonie der Tinten, gefaͤllige Textur der Koͤrper; der Schoͤnheit der Raumverhaͤltniſſe, deren verſchiedene Gattungen, etwa, das Gedraͤngte, Schlanke, Bewegte, Geſammelte. End- lich unterſcheidet ſie jene beſtimmteren Vorſtellungen, welche, durch ſinnliche Wahrnehmungen in der Seele angeregt, in dieſer befriedigende Gefuͤhle erwecken, in Anmuth, Reiz, Wuͤrde, Erhabenheit, und ſo viele andere, in dem Gedaͤchtniß der Ge- bildeten vorhandene und leicht aufzufindende Begriffe. Dieſe und die uͤbrigen ihnen verwandten Begriffe ſind auch in die Kunſtſprache der Theorie uͤbergegangen, wo ſie, bey ganz ver- ſchiedener Ableitung, ihre richtige Stellung nicht immer zu finden wiſſen, daher im Wege ſtehen, und aus dieſem Grunde
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materiellen Theile des Werkes ſeine Aufmerkſamkeit ausſchließ-
lich in Anſpruch nahm; daß von noch anderen Geſetzen der
Eindruck abhaͤngig ſey, welchen beſtimmtere, durch das Kunſt-
werk anzuregende Vorſtellungen auf das Gefuͤhl bewirken wer-
den. Schoͤnheitsgeſetze aber, von denen das eine in dem be-
ſchraͤnkten Organismus eines menſchlichen Sinnes, das an-
dere, gleich der muſicaliſchen Harmonie, in weitumfaſſenden
Naturnothwendigkeiten, das dritte im ſittlichen Gefuͤhle ge-
gruͤndet iſt, noͤthigen, auf durchaus und ſchon in den Grund-
lagen geſchiedene Schoͤnheiten zu ſchließen: die ſinnliche An-
nehmlichkeit; die Schoͤnheit geometriſcher Verhaͤltniſſe und
Anreihungen; die Erfreulichkeit durch ſinnliche Wahrnehmun-
gen mittelbar in der Seele angeregter, beſtimmterer Vorſtel-
lungen.
Indeß koͤnnen dieſe allgemeineren Unterſcheidungen der
aͤſthetiſchen Praxis nicht genuͤgen; es erheiſcht ihr Beduͤrfniß,
denſelben viele andere, noch ſpeciellere Begriffe unterzuordnen.
Der ſinnlichen Annehmlichkeit: Schmelz, Contraſt, Ton, Hal-
tung, Harmonie der Tinten, gefaͤllige Textur der Koͤrper; der
Schoͤnheit der Raumverhaͤltniſſe, deren verſchiedene Gattungen,
etwa, das Gedraͤngte, Schlanke, Bewegte, Geſammelte. End-
lich unterſcheidet ſie jene beſtimmteren Vorſtellungen, welche,
durch ſinnliche Wahrnehmungen in der Seele angeregt, in
dieſer befriedigende Gefuͤhle erwecken, in Anmuth, Reiz, Wuͤrde,
Erhabenheit, und ſo viele andere, in dem Gedaͤchtniß der Ge-
bildeten vorhandene und leicht aufzufindende Begriffe. Dieſe
und die uͤbrigen ihnen verwandten Begriffe ſind auch in die
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/29>, abgerufen am 29.07.2024.
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