Verstehe ich den Plan, verstehe ich die Schriftsteller, welche mir eben zu Gebote stehen, richtig, so dürfte aus den Anordnungen des Kaisers zu erklären seyn, daß sein Archi- tect der schwierigen Aufgabe sich unterzog, eine Kuppel von so großen Dimensionen über vier, durch weitgespannte Bo- gen verbundenen Pfeilern aufzurichten. Ungeachtet der Vor- sicht, welche er in der Wahl seines Materiales, vielleicht auch in den Grundlagen, angewendet hatte, brachte er sein Werk doch nur mühsam und vermöge vieler Nachhülfe zu Stande.*) Jene weitgespannten Bögen eröffneten den abgesonderten, nie- driger angelegten Theilen des Gebäudes, so wie den Galle- rieen, welche in einem zweiten Geschosse des Gebäudes dar- über angebracht waren, die Durchsicht auf den Raum unter der Kuppel und die rituellen Handlungen, welche darin vor- genommen wurden.
Ungeachtet dieser ganz neuen Vertheilung des Raumes, welche mehr und weniger allen späteren Kirchen der griechischen Christen zum Vorbilde gedient hat, zeigen sich in St. Sophia noch immer viele, noch lange nicht zur Unkenntlichkeit ent- stellte Elemente der älteren römischen Baukunst. Die Kup- pel unterscheidet sich nur durch ein gedrückteres Verhältniß, nur durch ihre Stellung über vier mächtigen Pfeilern von den älteren antiken und christlich-römischen. In den Dimensionen der Theile zeigt sich noch immer antike Mächtigkeit; denn ein Theil der aufgewendeten Säulenschafte gehörte zu den grö- ßesten bekannten. **) Auch in der umsichtvollen Auswahl
*) S. die Compilation des, Du Cange, Constant. Christ. lib. III. p. 35. oder den Gyllius.
**) S. Procop. de aedificiis Justiniani, oder Gibbon und an- dere, welche ihn benutzt haben.
III. 13
Verſtehe ich den Plan, verſtehe ich die Schriftſteller, welche mir eben zu Gebote ſtehen, richtig, ſo duͤrfte aus den Anordnungen des Kaiſers zu erklaͤren ſeyn, daß ſein Archi- tect der ſchwierigen Aufgabe ſich unterzog, eine Kuppel von ſo großen Dimenſionen uͤber vier, durch weitgeſpannte Bo- gen verbundenen Pfeilern aufzurichten. Ungeachtet der Vor- ſicht, welche er in der Wahl ſeines Materiales, vielleicht auch in den Grundlagen, angewendet hatte, brachte er ſein Werk doch nur muͤhſam und vermoͤge vieler Nachhuͤlfe zu Stande.*) Jene weitgeſpannten Boͤgen eroͤffneten den abgeſonderten, nie- driger angelegten Theilen des Gebaͤudes, ſo wie den Galle- rieen, welche in einem zweiten Geſchoſſe des Gebaͤudes dar- uͤber angebracht waren, die Durchſicht auf den Raum unter der Kuppel und die rituellen Handlungen, welche darin vor- genommen wurden.
Ungeachtet dieſer ganz neuen Vertheilung des Raumes, welche mehr und weniger allen ſpaͤteren Kirchen der griechiſchen Chriſten zum Vorbilde gedient hat, zeigen ſich in St. Sophia noch immer viele, noch lange nicht zur Unkenntlichkeit ent- ſtellte Elemente der aͤlteren roͤmiſchen Baukunſt. Die Kup- pel unterſcheidet ſich nur durch ein gedruͤckteres Verhaͤltniß, nur durch ihre Stellung uͤber vier maͤchtigen Pfeilern von den aͤlteren antiken und chriſtlich-roͤmiſchen. In den Dimenſionen der Theile zeigt ſich noch immer antike Maͤchtigkeit; denn ein Theil der aufgewendeten Saͤulenſchafte gehoͤrte zu den groͤ- ßeſten bekannten. **) Auch in der umſichtvollen Auswahl
*) S. die Compilation des, Du Cange, Constant. Christ. lib. III. p. 35. oder den Gyllius.
**) S. Procop. de aedificiis Justiniani, oder Gibbon und an- dere, welche ihn benutzt haben.
III. 13
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Verſtehe ich den Plan, verſtehe ich die Schriftſteller,
welche mir eben zu Gebote ſtehen, richtig, ſo duͤrfte aus den
Anordnungen des Kaiſers zu erklaͤren ſeyn, daß ſein Archi-
tect der ſchwierigen Aufgabe ſich unterzog, eine Kuppel von
ſo großen Dimenſionen uͤber vier, durch weitgeſpannte Bo-
gen verbundenen Pfeilern aufzurichten. Ungeachtet der Vor-
ſicht, welche er in der Wahl ſeines Materiales, vielleicht auch
in den Grundlagen, angewendet hatte, brachte er ſein Werk
doch nur muͤhſam und vermoͤge vieler Nachhuͤlfe zu Stande. *)
Jene weitgeſpannten Boͤgen eroͤffneten den abgeſonderten, nie-
driger angelegten Theilen des Gebaͤudes, ſo wie den Galle-
rieen, welche in einem zweiten Geſchoſſe des Gebaͤudes dar-
uͤber angebracht waren, die Durchſicht auf den Raum unter
der Kuppel und die rituellen Handlungen, welche darin vor-
genommen wurden.
Ungeachtet dieſer ganz neuen Vertheilung des Raumes,
welche mehr und weniger allen ſpaͤteren Kirchen der griechiſchen
Chriſten zum Vorbilde gedient hat, zeigen ſich in St. Sophia
noch immer viele, noch lange nicht zur Unkenntlichkeit ent-
ſtellte Elemente der aͤlteren roͤmiſchen Baukunſt. Die Kup-
pel unterſcheidet ſich nur durch ein gedruͤckteres Verhaͤltniß,
nur durch ihre Stellung uͤber vier maͤchtigen Pfeilern von den
aͤlteren antiken und chriſtlich-roͤmiſchen. In den Dimenſionen
der Theile zeigt ſich noch immer antike Maͤchtigkeit; denn ein
Theil der aufgewendeten Saͤulenſchafte gehoͤrte zu den groͤ-
ßeſten bekannten. **) Auch in der umſichtvollen Auswahl
*) S. die Compilation des, Du Cange, Constant. Christ. lib.
III. p. 35. oder den Gyllius.
**) S. Procop. de aedificiis Justiniani, oder Gibbon und an-
dere, welche ihn benutzt haben.
III. 13
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/215>, abgerufen am 07.07.2024.
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