mälde im Hofe der Nunziata zu Florenz, vornehmlich die beiden letzten Darstellungen der Wunder des heil. Filippo Benizzi, auf deren einer das Jahr M. D. X., nähern sich auf- fallend jener lebendigen Vergegenwärtigung der Aufgabe, der Milde, der glücklichen Anordnung, welche in den Werken der Mittelstufe Raphaels bewundert werden. Die Chiaroscuri des Hofes der Compagnie dello Scalzo, ein paar kleine Bil- der, Theile einer alten Zimmerverzierung, jetzt in der Gallerie Pitti, machen den Uebergang von jenen zu seinen späteren Arbeiten, denen ich den Reiz nicht abspreche.
In den vorangehenden Zeilen habe ich für darin auf- gestellte Urtheile und Meinungen, Autoritäten selten, Gründe nicht immer angegeben. Um so williger wird man vielleicht den alten, seit einiger Zeit oft in erinnerung gebrachten Aus- spruch: daß nur Künstler künstlerische Leistungen beurtheilen können, auch gegen mich in Anwendung bringen.
Ich verkenne nicht, daß man den Künstlern diesen Noth- und Hülfsruf von verschiedenen Seiten abgedrängt hat. Denn es wird selten erwogen, daß lebenden Künstlern durch in den Druck gebrachte strenge, ungerechte, oder unverständige Beur- theilungen ein ganz unersetzlicher Schaden gebracht werden kann. Nur in sehr großen Mittelpuncten bildet sich über den Werth oder Unwerth von Kunstwerken, unabhängig von der Journalistik, eine auf eigene Anschauung sich gründende Mei- nung, sind die Druckschriften in dieser Beziehung mehr deren Organ, als Quelle. Also nur in Paris oder in London ist die öffentliche Beurtheilung von Künstlern und Kunstwerken
maͤlde im Hofe der Nunziata zu Florenz, vornehmlich die beiden letzten Darſtellungen der Wunder des heil. Filippo Benizzi, auf deren einer das Jahr M. D. X., naͤhern ſich auf- fallend jener lebendigen Vergegenwaͤrtigung der Aufgabe, der Milde, der gluͤcklichen Anordnung, welche in den Werken der Mittelſtufe Raphaels bewundert werden. Die Chiaroſcuri des Hofes der Compagnie dello Scalzo, ein paar kleine Bil- der, Theile einer alten Zimmerverzierung, jetzt in der Gallerie Pitti, machen den Uebergang von jenen zu ſeinen ſpaͤteren Arbeiten, denen ich den Reiz nicht abſpreche.
In den vorangehenden Zeilen habe ich fuͤr darin auf- geſtellte Urtheile und Meinungen, Autoritaͤten ſelten, Gruͤnde nicht immer angegeben. Um ſo williger wird man vielleicht den alten, ſeit einiger Zeit oft in erinnerung gebrachten Aus- ſpruch: daß nur Kuͤnſtler kuͤnſtleriſche Leiſtungen beurtheilen koͤnnen, auch gegen mich in Anwendung bringen.
Ich verkenne nicht, daß man den Kuͤnſtlern dieſen Noth- und Huͤlfsruf von verſchiedenen Seiten abgedraͤngt hat. Denn es wird ſelten erwogen, daß lebenden Kuͤnſtlern durch in den Druck gebrachte ſtrenge, ungerechte, oder unverſtaͤndige Beur- theilungen ein ganz unerſetzlicher Schaden gebracht werden kann. Nur in ſehr großen Mittelpuncten bildet ſich uͤber den Werth oder Unwerth von Kunſtwerken, unabhaͤngig von der Journaliſtik, eine auf eigene Anſchauung ſich gruͤndende Mei- nung, ſind die Druckſchriften in dieſer Beziehung mehr deren Organ, als Quelle. Alſo nur in Paris oder in London iſt die oͤffentliche Beurtheilung von Kuͤnſtlern und Kunſtwerken
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0170"n="148"/>
maͤlde im Hofe der Nunziata zu <placeName>Florenz</placeName>, vornehmlich die<lb/>
beiden letzten Darſtellungen der Wunder des heil. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/131559893">Filippo<lb/>
Benizzi</persName>, auf deren einer das Jahr <hirendition="#aq">M. D. X.</hi>, naͤhern ſich auf-<lb/>
fallend jener lebendigen Vergegenwaͤrtigung der Aufgabe, der<lb/>
Milde, der gluͤcklichen Anordnung, welche in den Werken der<lb/>
Mittelſtufe <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> bewundert werden. Die Chiaroſcuri<lb/>
des Hofes der Compagnie dello Scalzo, ein paar kleine Bil-<lb/>
der, Theile einer alten Zimmerverzierung, jetzt in der Gallerie<lb/>
Pitti, machen den Uebergang von jenen zu ſeinen ſpaͤteren<lb/>
Arbeiten, denen ich den Reiz nicht abſpreche.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In den vorangehenden Zeilen habe ich fuͤr darin auf-<lb/>
geſtellte Urtheile und Meinungen, Autoritaͤten ſelten, Gruͤnde<lb/>
nicht immer angegeben. Um ſo williger wird man vielleicht<lb/>
den alten, ſeit einiger Zeit oft in erinnerung gebrachten Aus-<lb/>ſpruch: daß nur Kuͤnſtler kuͤnſtleriſche Leiſtungen beurtheilen<lb/>
koͤnnen, auch gegen mich in Anwendung bringen.</p><lb/><p>Ich verkenne nicht, daß man den Kuͤnſtlern dieſen Noth-<lb/>
und Huͤlfsruf von verſchiedenen Seiten abgedraͤngt hat. Denn<lb/>
es wird ſelten erwogen, daß lebenden Kuͤnſtlern durch in den<lb/>
Druck gebrachte ſtrenge, ungerechte, oder unverſtaͤndige Beur-<lb/>
theilungen ein ganz unerſetzlicher Schaden gebracht werden<lb/>
kann. Nur in ſehr großen Mittelpuncten bildet ſich uͤber den<lb/>
Werth oder Unwerth von Kunſtwerken, unabhaͤngig von der<lb/>
Journaliſtik, eine auf eigene Anſchauung ſich gruͤndende Mei-<lb/>
nung, ſind die Druckſchriften in dieſer Beziehung mehr deren<lb/>
Organ, als Quelle. Alſo nur in <placeName>Paris</placeName> oder in <placeName>London</placeName> iſt<lb/>
die oͤffentliche Beurtheilung von Kuͤnſtlern und Kunſtwerken<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[148/0170]
maͤlde im Hofe der Nunziata zu Florenz, vornehmlich die
beiden letzten Darſtellungen der Wunder des heil. Filippo
Benizzi, auf deren einer das Jahr M. D. X., naͤhern ſich auf-
fallend jener lebendigen Vergegenwaͤrtigung der Aufgabe, der
Milde, der gluͤcklichen Anordnung, welche in den Werken der
Mittelſtufe Raphaels bewundert werden. Die Chiaroſcuri
des Hofes der Compagnie dello Scalzo, ein paar kleine Bil-
der, Theile einer alten Zimmerverzierung, jetzt in der Gallerie
Pitti, machen den Uebergang von jenen zu ſeinen ſpaͤteren
Arbeiten, denen ich den Reiz nicht abſpreche.
In den vorangehenden Zeilen habe ich fuͤr darin auf-
geſtellte Urtheile und Meinungen, Autoritaͤten ſelten, Gruͤnde
nicht immer angegeben. Um ſo williger wird man vielleicht
den alten, ſeit einiger Zeit oft in erinnerung gebrachten Aus-
ſpruch: daß nur Kuͤnſtler kuͤnſtleriſche Leiſtungen beurtheilen
koͤnnen, auch gegen mich in Anwendung bringen.
Ich verkenne nicht, daß man den Kuͤnſtlern dieſen Noth-
und Huͤlfsruf von verſchiedenen Seiten abgedraͤngt hat. Denn
es wird ſelten erwogen, daß lebenden Kuͤnſtlern durch in den
Druck gebrachte ſtrenge, ungerechte, oder unverſtaͤndige Beur-
theilungen ein ganz unerſetzlicher Schaden gebracht werden
kann. Nur in ſehr großen Mittelpuncten bildet ſich uͤber den
Werth oder Unwerth von Kunſtwerken, unabhaͤngig von der
Journaliſtik, eine auf eigene Anſchauung ſich gruͤndende Mei-
nung, ſind die Druckſchriften in dieſer Beziehung mehr deren
Organ, als Quelle. Alſo nur in Paris oder in London iſt
die oͤffentliche Beurtheilung von Kuͤnſtlern und Kunſtwerken
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/170>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.