hört, haben, da sie doch nun einmal auf Vasari sich stützen wollen, das Bildniß sich recht angesehen, wel- ches Vasari in einem sehr manierten Holzschnitte dem Leben Raphaels vorangestellt hat. Es ist abscheulich gemacht; doch sieht man, woher Vasari es entnom- men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes, der etwas vorgedrängte, geschwellte Mund, wie end- lich die Parthieen des Haares, lassen nicht bezweifeln, daß jener unbekannte Formschneider einer sehr flüch- tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hauses Altoviti gefolgt sey. Allein auch die Sprachgründe des italie- nischen Gelehrten sind nicht so unumstößlich, als der Verfasser anzunehmen scheint. Missirini hat die Elo- cution des Vasari nicht genug berücksichtigt und, zu Ende seiner Deduction, diese wieder umgestoßen, in- dem er sagt: das possessivum, um auf das Sub- ject bezogen zu werden, erheische den Zusatz, proprio. Denn es ist dieser Zusatz einleuchtend nur eine Ver- stärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Dieselbe Construction umfaßt bei Vasari zwey in sehr verschie- denen Epochen Raphaels gemalte Bilder; übrigens ist es nicht nöthig das: fece a Bindo, so buchstäblich zu nehmen, sowohl in Ansehung der verknüpfenden Erzählungsweise des Vasari, als besonders des Um- standes, daß in dem zweyten, der Madonna dell' impannata, von Raphaels Hand keine Spur sich zeigt. Bindo konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das zweyte verhandelte er an den Herzog Cosimo I.
hört, haben, da ſie doch nun einmal auf Vaſari ſich ſtützen wollen, das Bildniß ſich recht angeſehen, wel- ches Vaſari in einem ſehr manierten Holzſchnitte dem Leben Raphaels vorangeſtellt hat. Es iſt abſcheulich gemacht; doch ſieht man, woher Vaſari es entnom- men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes, der etwas vorgedrängte, geſchwellte Mund, wie end- lich die Parthieen des Haares, laſſen nicht bezweifeln, daß jener unbekannte Formſchneider einer ſehr flüch- tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hauſes Altoviti gefolgt ſey. Allein auch die Sprachgründe des italie- niſchen Gelehrten ſind nicht ſo unumſtößlich, als der Verfaſſer anzunehmen ſcheint. Miſſirini hat die Elo- cution des Vaſari nicht genug berückſichtigt und, zu Ende ſeiner Deduction, dieſe wieder umgeſtoßen, in- dem er ſagt: das possessivum, um auf das Sub- ject bezogen zu werden, erheiſche den Zuſatz, proprio. Denn es iſt dieſer Zuſatz einleuchtend nur eine Ver- ſtärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Dieſelbe Conſtruction umfaßt bei Vaſari zwey in ſehr verſchie- denen Epochen Raphaels gemalte Bilder; übrigens iſt es nicht nöthig das: fece a Bindo, ſo buchſtäblich zu nehmen, ſowohl in Anſehung der verknüpfenden Erzählungsweiſe des Vaſari, als beſonders des Um- ſtandes, daß in dem zweyten, der Madonna dell’ impannata, von Raphaels Hand keine Spur ſich zeigt. Bindo konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das zweyte verhandelte er an den Herzog Coſimo I.
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[IX/0015]
hört, haben, da ſie doch nun einmal auf Vaſari ſich
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Leben Raphaels vorangeſtellt hat. Es iſt abſcheulich
gemacht; doch ſieht man, woher Vaſari es entnom-
men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes,
der etwas vorgedrängte, geſchwellte Mund, wie end-
lich die Parthieen des Haares, laſſen nicht bezweifeln,
daß jener unbekannte Formſchneider einer ſehr flüch-
tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hauſes Altoviti
gefolgt ſey. Allein auch die Sprachgründe des italie-
niſchen Gelehrten ſind nicht ſo unumſtößlich, als der
Verfaſſer anzunehmen ſcheint. Miſſirini hat die Elo-
cution des Vaſari nicht genug berückſichtigt und, zu
Ende ſeiner Deduction, dieſe wieder umgeſtoßen, in-
dem er ſagt: das possessivum, um auf das Sub-
ject bezogen zu werden, erheiſche den Zuſatz, proprio.
Denn es iſt dieſer Zuſatz einleuchtend nur eine Ver-
ſtärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Dieſelbe
Conſtruction umfaßt bei Vaſari zwey in ſehr verſchie-
denen Epochen Raphaels gemalte Bilder; übrigens iſt
es nicht nöthig das: fece a Bindo, ſo buchſtäblich
zu nehmen, ſowohl in Anſehung der verknüpfenden
Erzählungsweiſe des Vaſari, als beſonders des Um-
ſtandes, daß in dem zweyten, der Madonna dell’
impannata, von Raphaels Hand keine Spur ſich zeigt.
Bindo konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/15>, abgerufen am 29.07.2024.
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