nem Tode für den neuen Pabst nichts Anderes, als die Logen, einige Mauerverzierungen, das dritte Zimmer im Vatican, welches nach dem Brande des Borgo benannt wird, ferner das Bildniß des Pabstes, die farbigen Vorzeichnungen (Car- tons) zu den berühmten Tapeten. Suchen wir aus diesen Werken den Standpunkt zu ermitteln, aus welchem der Pabst die Kunst auffaßte, und die Art, wie er sie begünstigte.
Die Logen des vaticanischen Palastes sind, als architek- tonisch-malerische Verzierung aufgefaßt, allerdings ein höchst ausgezeichnetes, in seiner Art unvergleichbares Werk. Im Einzelnen angesehn, bieten sie die Wunder des Giovanni da Udine, und, innerhalb der Stuccogesimschen, kleine Figuren, welche sogar in der Ausführung Raphaels werth sind. Allein wie schätzbar, an sich selbst genommen, die biblischen Darstel- lungen der Deckengewölbe, besonders die Geschichten des Mo- ses und Joseph, seyn mögen, so ist doch ihr Auftreten an dieser Stelle und in solcher Unterordnung unter Dinge, welche durchaus nichts damit zu schaffen haben, bedenklicher, als man an der Stelle sich einzuräumen pflegt. Es scheint mir ein heuchlerisches Spiel mit Vorstellungen, deren Bedeutung sich verloren hatte, im Sinne des Hofes, dem der Künstler diente, doch nicht in dem eigenen Raphaels, dem auch da- mals nichts entfernter lag, als ein solches, aller Ernstlichkeit entbehrendes sich Abfinden mit den Ideen, deren Darstellung ihn eben beschäftigte. Die Wände und Pfeiler enthalten eine wundervolle Verflechtung von Formen der Natur und der künstlerischen Willkühr; was in den Deckengemälden Anmuth und Liebreiz zuläßt, ist mit Lust behandelt; die übrigen, vor- nehmlich die neutestamentlichen Gegenstände, überließ der Künst- ler seinen mindest begünstigten Schülern.
nem Tode fuͤr den neuen Pabſt nichts Anderes, als die Logen, einige Mauerverzierungen, das dritte Zimmer im Vatican, welches nach dem Brande des Borgo benannt wird, ferner das Bildniß des Pabſtes, die farbigen Vorzeichnungen (Car- tons) zu den beruͤhmten Tapeten. Suchen wir aus dieſen Werken den Standpunkt zu ermitteln, aus welchem der Pabſt die Kunſt auffaßte, und die Art, wie er ſie beguͤnſtigte.
Die Logen des vaticaniſchen Palaſtes ſind, als architek- toniſch-maleriſche Verzierung aufgefaßt, allerdings ein hoͤchſt ausgezeichnetes, in ſeiner Art unvergleichbares Werk. Im Einzelnen angeſehn, bieten ſie die Wunder des Giovanni da Udine, und, innerhalb der Stuccogeſimschen, kleine Figuren, welche ſogar in der Ausfuͤhrung Raphaels werth ſind. Allein wie ſchaͤtzbar, an ſich ſelbſt genommen, die bibliſchen Darſtel- lungen der Deckengewoͤlbe, beſonders die Geſchichten des Mo- ſes und Joſeph, ſeyn moͤgen, ſo iſt doch ihr Auftreten an dieſer Stelle und in ſolcher Unterordnung unter Dinge, welche durchaus nichts damit zu ſchaffen haben, bedenklicher, als man an der Stelle ſich einzuraͤumen pflegt. Es ſcheint mir ein heuchleriſches Spiel mit Vorſtellungen, deren Bedeutung ſich verloren hatte, im Sinne des Hofes, dem der Kuͤnſtler diente, doch nicht in dem eigenen Raphaels, dem auch da- mals nichts entfernter lag, als ein ſolches, aller Ernſtlichkeit entbehrendes ſich Abfinden mit den Ideen, deren Darſtellung ihn eben beſchaͤftigte. Die Waͤnde und Pfeiler enthalten eine wundervolle Verflechtung von Formen der Natur und der kuͤnſtleriſchen Willkuͤhr; was in den Deckengemaͤlden Anmuth und Liebreiz zulaͤßt, iſt mit Luſt behandelt; die uͤbrigen, vor- nehmlich die neuteſtamentlichen Gegenſtaͤnde, uͤberließ der Kuͤnſt- ler ſeinen mindeſt beguͤnſtigten Schuͤlern.
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nem Tode fuͤr den neuen Pabſt nichts Anderes, als die Logen,
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das Bildniß des Pabſtes, die farbigen Vorzeichnungen (Car-
tons) zu den beruͤhmten Tapeten. Suchen wir aus dieſen
Werken den Standpunkt zu ermitteln, aus welchem der Pabſt
die Kunſt auffaßte, und die Art, wie er ſie beguͤnſtigte.
Die Logen des vaticaniſchen Palaſtes ſind, als architek-
toniſch-maleriſche Verzierung aufgefaßt, allerdings ein hoͤchſt
ausgezeichnetes, in ſeiner Art unvergleichbares Werk. Im
Einzelnen angeſehn, bieten ſie die Wunder des Giovanni da
Udine, und, innerhalb der Stuccogeſimschen, kleine Figuren,
welche ſogar in der Ausfuͤhrung Raphaels werth ſind. Allein
wie ſchaͤtzbar, an ſich ſelbſt genommen, die bibliſchen Darſtel-
lungen der Deckengewoͤlbe, beſonders die Geſchichten des Mo-
ſes und Joſeph, ſeyn moͤgen, ſo iſt doch ihr Auftreten an
dieſer Stelle und in ſolcher Unterordnung unter Dinge, welche
durchaus nichts damit zu ſchaffen haben, bedenklicher, als
man an der Stelle ſich einzuraͤumen pflegt. Es ſcheint mir
ein heuchleriſches Spiel mit Vorſtellungen, deren Bedeutung
ſich verloren hatte, im Sinne des Hofes, dem der Kuͤnſtler
diente, doch nicht in dem eigenen Raphaels, dem auch da-
mals nichts entfernter lag, als ein ſolches, aller Ernſtlichkeit
entbehrendes ſich Abfinden mit den Ideen, deren Darſtellung
ihn eben beſchaͤftigte. Die Waͤnde und Pfeiler enthalten eine
wundervolle Verflechtung von Formen der Natur und der
kuͤnſtleriſchen Willkuͤhr; was in den Deckengemaͤlden Anmuth
und Liebreiz zulaͤßt, iſt mit Luſt behandelt; die uͤbrigen, vor-
nehmlich die neuteſtamentlichen Gegenſtaͤnde, uͤberließ der Kuͤnſt-
ler ſeinen mindeſt beguͤnſtigten Schuͤlern.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/146>, abgerufen am 17.02.2025.
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