einen Seite mit dem Bildnisse Raphaels in der Schule von Athen, von der anderen mit der Büste des Bindo Altoviti von Benvenuto Cellini. Er scheint mir, wie sehr er sucht an den Thatbestand sich streng anzuschließen, doch hier einer unfreywilligen Selbsttäuschung nicht entgangen zu seyn.
Die Vergleichung eines Gemäldes mit einer Büste, eines Jünglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn Wikar konnte in Rom nur schlechte Kupferstiche, wie Morghens, oder Copien, oder bestens eine Bause vom Bilde des Hauses Alto- viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines Raphaels mit einem Cellini, unterliegt schon an sich selbst den größten Mißlichkeiten. Wer könnte mit Zuversicht sagen, diese oder jene andere Knochenbildung, welche der manierte Cellini in seiner Büste angedeutet, war genau die Knochenbildung des Bindo, wer, daß eben diese Knochenbildung im Verlaufe von fünfunddreißig Jahren sich durchaus nicht geändert habe? Allein nun auch angenommen, es seyen beide Bildnisse ein genaues facsimile der Person, welche sie darstellen, welcher Aufwand der Einbildung ist selbst dann noch erforderlich, sie einander ganz ähnlich zu finden!
Eins noch erschwert die Vergleichung: Raphaels Bild- niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur) ist ein Spiegelbild; der Spiegel aber, dessen der Künstler sich bedient, war sichtlich nicht ganz plan. Daher sind in dem Bilde einige Formen leicht verschoben, andere, auf welche Missiri besonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un- deutlich geworden. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß Raphaels Antlitz in manchen Zügen planer und milder gewesen, als es hier sich zeigt.
8 *
einen Seite mit dem Bildniſſe Raphaels in der Schule von Athen, von der anderen mit der Buͤſte des Bindo Altoviti von Benvenuto Cellini. Er ſcheint mir, wie ſehr er ſucht an den Thatbeſtand ſich ſtreng anzuſchließen, doch hier einer unfreywilligen Selbſttaͤuſchung nicht entgangen zu ſeyn.
Die Vergleichung eines Gemaͤldes mit einer Buͤſte, eines Juͤnglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn Wikar konnte in Rom nur ſchlechte Kupferſtiche, wie Morghens, oder Copien, oder beſtens eine Bauſe vom Bilde des Hauſes Alto- viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines Raphaels mit einem Cellini, unterliegt ſchon an ſich ſelbſt den groͤßten Mißlichkeiten. Wer koͤnnte mit Zuverſicht ſagen, dieſe oder jene andere Knochenbildung, welche der manierte Cellini in ſeiner Buͤſte angedeutet, war genau die Knochenbildung des Bindo, wer, daß eben dieſe Knochenbildung im Verlaufe von fuͤnfunddreißig Jahren ſich durchaus nicht geaͤndert habe? Allein nun auch angenommen, es ſeyen beide Bildniſſe ein genaues facsimile der Perſon, welche ſie darſtellen, welcher Aufwand der Einbildung iſt ſelbſt dann noch erforderlich, ſie einander ganz aͤhnlich zu finden!
Eins noch erſchwert die Vergleichung: Raphaels Bild- niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur) iſt ein Spiegelbild; der Spiegel aber, deſſen der Kuͤnſtler ſich bedient, war ſichtlich nicht ganz plan. Daher ſind in dem Bilde einige Formen leicht verſchoben, andere, auf welche Miſſiri beſonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un- deutlich geworden. Es iſt daher mehr als wahrſcheinlich, daß Raphaels Antlitz in manchen Zuͤgen planer und milder geweſen, als es hier ſich zeigt.
8 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0137"n="115"/>
einen Seite mit dem Bildniſſe <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> in der Schule von<lb/><placeName>Athen</placeName>, von der anderen mit der Buͤſte des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/124713491">Bindo Altoviti</persName><lb/>
von <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118519875">Benvenuto Cellini</persName>. Er ſcheint mir, wie ſehr er ſucht<lb/>
an den Thatbeſtand ſich ſtreng anzuſchließen, doch hier einer<lb/>
unfreywilligen Selbſttaͤuſchung nicht entgangen zu ſeyn.</p><lb/><p>Die Vergleichung eines Gemaͤldes mit einer Buͤſte, eines<lb/>
Juͤnglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn <persNameref="nognd">Wikar</persName><lb/>
konnte in <placeName>Rom</placeName> nur ſchlechte Kupferſtiche, wie <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118784900">Morghens</persName>, oder<lb/>
Copien, oder beſtens eine Bauſe vom Bilde des Hauſes Alto-<lb/>
viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName><lb/>
mit einem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118519875">Cellini</persName>, unterliegt ſchon an ſich ſelbſt den groͤßten<lb/>
Mißlichkeiten. Wer koͤnnte mit Zuverſicht ſagen, dieſe oder<lb/>
jene andere Knochenbildung, welche der manierte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118519875">Cellini</persName> in<lb/>ſeiner Buͤſte angedeutet, war genau die Knochenbildung des<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/124713491">Bindo</persName>, wer, daß eben dieſe Knochenbildung im Verlaufe von<lb/>
fuͤnfunddreißig Jahren ſich durchaus nicht geaͤndert habe?<lb/>
Allein nun auch angenommen, es ſeyen beide Bildniſſe ein<lb/>
genaues <hirendition="#aq">facsimile</hi> der Perſon, welche ſie darſtellen, welcher<lb/>
Aufwand der Einbildung iſt ſelbſt dann noch erforderlich, ſie<lb/>
einander ganz aͤhnlich zu finden!</p><lb/><p>Eins noch erſchwert die Vergleichung: <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Bild-<lb/>
niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur)<lb/>
iſt ein Spiegelbild; der Spiegel aber, deſſen der Kuͤnſtler ſich<lb/>
bedient, war ſichtlich nicht ganz plan. Daher ſind in dem<lb/>
Bilde einige Formen leicht verſchoben, andere, auf welche<lb/><persNameref="nognd">Miſſiri</persName> beſonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette<lb/>
gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un-<lb/>
deutlich geworden. Es iſt daher mehr als wahrſcheinlich,<lb/>
daß <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Antlitz in manchen Zuͤgen planer und milder<lb/>
geweſen, als es hier ſich zeigt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8 *</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[115/0137]
einen Seite mit dem Bildniſſe Raphaels in der Schule von
Athen, von der anderen mit der Buͤſte des Bindo Altoviti
von Benvenuto Cellini. Er ſcheint mir, wie ſehr er ſucht
an den Thatbeſtand ſich ſtreng anzuſchließen, doch hier einer
unfreywilligen Selbſttaͤuſchung nicht entgangen zu ſeyn.
Die Vergleichung eines Gemaͤldes mit einer Buͤſte, eines
Juͤnglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn Wikar
konnte in Rom nur ſchlechte Kupferſtiche, wie Morghens, oder
Copien, oder beſtens eine Bauſe vom Bilde des Hauſes Alto-
viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines Raphaels
mit einem Cellini, unterliegt ſchon an ſich ſelbſt den groͤßten
Mißlichkeiten. Wer koͤnnte mit Zuverſicht ſagen, dieſe oder
jene andere Knochenbildung, welche der manierte Cellini in
ſeiner Buͤſte angedeutet, war genau die Knochenbildung des
Bindo, wer, daß eben dieſe Knochenbildung im Verlaufe von
fuͤnfunddreißig Jahren ſich durchaus nicht geaͤndert habe?
Allein nun auch angenommen, es ſeyen beide Bildniſſe ein
genaues facsimile der Perſon, welche ſie darſtellen, welcher
Aufwand der Einbildung iſt ſelbſt dann noch erforderlich, ſie
einander ganz aͤhnlich zu finden!
Eins noch erſchwert die Vergleichung: Raphaels Bild-
niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur)
iſt ein Spiegelbild; der Spiegel aber, deſſen der Kuͤnſtler ſich
bedient, war ſichtlich nicht ganz plan. Daher ſind in dem
Bilde einige Formen leicht verſchoben, andere, auf welche
Miſſiri beſonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette
gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un-
deutlich geworden. Es iſt daher mehr als wahrſcheinlich,
daß Raphaels Antlitz in manchen Zuͤgen planer und milder
geweſen, als es hier ſich zeigt.
8 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/137>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.