das Object, die dargestellte Person, auf die gelegenste, unzwey- deutigste Weise. So sagt er im Leben Raphaels: Fece un quadro grande, nel quale ritrasse Papa Leone etc. (er machte ein großes Bild, worin er den Pabst Leo X. abbil- dete); ferner: Fece similmente il Duca Lorenzo e il Duca Giuliano etc. (er machte gleichfalls den Herzog u. s. w.); endlich: Agnolo Doni -- gli fece fare il ritratto di se e di sua Donna etc. (Agnolo Doni ließ ihn das Bildniß von sich und von seiner Frau machen). Wie in diesen Fällen, so würde Vasari auch von dem unsrigen, hätte er es für das Bildniß des Altoviti gehalten, sagen können und müssen: Fece, ritrasse, Bindo Altoviti. Indeß sagt Vasari vielmehr: a Bindo A. fece il ritratto suo, quando era giovane, che e tenuto stupendissimo (dem Bindo A. machte er sein Bild, wie er jung war, aussah u. s. w.). Verstehen wir nun, mit Missiri, jenes suo, als, di lui, dessen, so entstehet die Frage: wie denn kam Vasari, der stets so ungezwungen schreibt, zu dieser seltsamen Weise, einen höchst einfachen Sinn auszudrük- ken? Nehmen wir hingegen an, daß er ein ganz neues Ver- hältniß ausdrücken wollte: den Künstler, welcher dem Freunde sein eigenes Bildniß malt, so erscheint die Construction eben so natürlich, als richtig, das letzte, weil auch nach dem Gebrauche der italienischen Sprache das possessivum auf das Subject des Satzes sich beziehen soll. Wie nahe es dem Italiener liege, den Vasari in diesem Sinne zu verstehen, er- hellt aus dem späten Auftreten der entgegengesetzten Aus- legung.
Freylich nun giebt es zu Florenz, in dem Saale der Künstlerbildnisse, ein Gemälde, welches dem Vasari nicht be- kannt geworden, doch nunmehr seit etwa anderthalb Jahr-
das Object, die dargeſtellte Perſon, auf die gelegenſte, unzwey- deutigſte Weiſe. So ſagt er im Leben Raphaels: Fece un quadro grande, nel quale ritrasse Papa Leone etc. (er machte ein großes Bild, worin er den Pabſt Leo X. abbil- dete); ferner: Fece similmente il Duca Lorenzo e il Duca Giuliano etc. (er machte gleichfalls den Herzog u. ſ. w.); endlich: Agnolo Doni — gli fece fare il ritratto di se e di sua Donna etc. (Agnolo Doni ließ ihn das Bildniß von ſich und von ſeiner Frau machen). Wie in dieſen Faͤllen, ſo wuͤrde Vaſari auch von dem unſrigen, haͤtte er es fuͤr das Bildniß des Altoviti gehalten, ſagen koͤnnen und muͤſſen: Fece, ritrasse, Bindo Altoviti. Indeß ſagt Vaſari vielmehr: a Bindo A. fece il ritratto suo, quando era giovane, che é tenuto stupendissimo (dem Bindo A. machte er ſein Bild, wie er jung war, ausſah u. ſ. w.). Verſtehen wir nun, mit Miſſiri, jenes suo, als, di lui, deſſen, ſo entſtehet die Frage: wie denn kam Vaſari, der ſtets ſo ungezwungen ſchreibt, zu dieſer ſeltſamen Weiſe, einen hoͤchſt einfachen Sinn auszudruͤk- ken? Nehmen wir hingegen an, daß er ein ganz neues Ver- haͤltniß ausdruͤcken wollte: den Kuͤnſtler, welcher dem Freunde ſein eigenes Bildniß malt, ſo erſcheint die Conſtruction eben ſo natuͤrlich, als richtig, das letzte, weil auch nach dem Gebrauche der italieniſchen Sprache das possessivum auf das Subject des Satzes ſich beziehen ſoll. Wie nahe es dem Italiener liege, den Vaſari in dieſem Sinne zu verſtehen, er- hellt aus dem ſpaͤten Auftreten der entgegengeſetzten Aus- legung.
Freylich nun giebt es zu Florenz, in dem Saale der Kuͤnſtlerbildniſſe, ein Gemaͤlde, welches dem Vaſari nicht be- kannt geworden, doch nunmehr ſeit etwa anderthalb Jahr-
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machte ein großes Bild, worin er den Pabſt Leo X. abbil-
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Giuliano etc. (er machte gleichfalls den Herzog u. ſ. w.);
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di sua Donna etc. (Agnolo Doni ließ ihn das Bildniß von
ſich und von ſeiner Frau machen). Wie in dieſen Faͤllen, ſo
wuͤrde Vaſari auch von dem unſrigen, haͤtte er es fuͤr das
Bildniß des Altoviti gehalten, ſagen koͤnnen und muͤſſen: Fece,
ritrasse, Bindo Altoviti. Indeß ſagt Vaſari vielmehr: a
Bindo A. fece il ritratto suo, quando era giovane, che é
tenuto stupendissimo (dem Bindo A. machte er ſein Bild,
wie er jung war, ausſah u. ſ. w.). Verſtehen wir nun, mit
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wie denn kam Vaſari, der ſtets ſo ungezwungen ſchreibt, zu
dieſer ſeltſamen Weiſe, einen hoͤchſt einfachen Sinn auszudruͤk-
ken? Nehmen wir hingegen an, daß er ein ganz neues Ver-
haͤltniß ausdruͤcken wollte: den Kuͤnſtler, welcher dem Freunde
ſein eigenes Bildniß malt, ſo erſcheint die Conſtruction eben
ſo natuͤrlich, als richtig, das letzte, weil auch nach dem
Gebrauche der italieniſchen Sprache das possessivum auf das
Subject des Satzes ſich beziehen ſoll. Wie nahe es dem
Italiener liege, den Vaſari in dieſem Sinne zu verſtehen, er-
hellt aus dem ſpaͤten Auftreten der entgegengeſetzten Aus-
legung.
Freylich nun giebt es zu Florenz, in dem Saale der
Kuͤnſtlerbildniſſe, ein Gemaͤlde, welches dem Vaſari nicht be-
kannt geworden, doch nunmehr ſeit etwa anderthalb Jahr-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/133>, abgerufen am 17.02.2025.
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