Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.welche aus breiteren Licht- und Schattenmassen, mannichfachen Nichts liegt mir entfernter, als dem malerischen Reize 6 *
welche aus breiteren Licht- und Schattenmaſſen, mannichfachen Nichts liegt mir entfernter, als dem maleriſchen Reize 6 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0105" n="83"/> welche aus breiteren Licht- und Schattenmaſſen, mannichfachen<lb/> Abſtufungen und Uebergaͤngen entſteht, Schmelz, Harmonie,<lb/> Ton, Luftperſpectiv, Helldunkel und anderes dem <hi rendition="#g">maleriſchen<lb/> Reize</hi> Untergeordnete von nun an die groͤßte aͤſthetiſche Wich-<lb/> tigkeit, ward in der Theorie ſogar dem Charakter, dem Aus-<lb/> druck, uͤberhaupt ſolchem, was in Kunſtwerken den aͤußeren<lb/> Sinn kaum noch beruͤhrt, hingegen ſchon den Geiſt erfuͤllt,<lb/> das Gemuͤth hinreißt, ganz gleichgeſtellt. Aus dieſem neuen<lb/> Geſichtspunkte angeſehen, mußten <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> aͤltere Arbeiten<lb/> hart, gezwungen, ungefaͤllig erſcheinen, nur die ſpaͤteren, ma-<lb/> leriſchen, vollen Beyfall erlangen.</p><lb/> <p>Nichts liegt mir entfernter, als dem maleriſchen Reize<lb/> ſeinen eigenthuͤmlichen Werth abzuſprechen, zu beſtreiten, daß<lb/> er ſchon fuͤr ſich ſelbſt, wie bey den Hollaͤndern der guten<lb/> Schule, hoͤchlich erfreuen koͤnne. Allein, wie die Einfuͤhrung<lb/> dieſes neuen Schoͤnheitselementes jene antike Abgemeſſenheit,<lb/> welche die Diſputa in ſo großer Vollkommenheit darlegt, noth-<lb/> wendig aus der neueren Kunſt verdraͤngen mußte, ſo wirkte<lb/> ſie auch im Einzelnen nicht durchhin guͤnſtig. Einleuchtend<lb/> vermag man Uebergang und Schmelz nur durch einen fluͤch-<lb/> tigeren Zug der Hand, die breiteren Maſſen von Licht und<lb/> Schatten nur durch erhebliche Vereinfachungen in der Ein-<lb/> theilung der Flaͤchen hervorzubringen. Alſo konnte der Kuͤnſt-<lb/> ler dem neuen maleriſchen Beſtreben ſich nicht hingeben, ohne<lb/> zugleich, wie es geſchehen iſt, von den ſchlanken, gelenkigen<lb/> Geſtalten zu ſchweren und gedraͤngten uͤberzugehen; in der fluͤch-<lb/> tigeren Behandlung aber mußten unumgaͤnglich viele Feinheiten<lb/> der Abſicht ſich verlieren. Freylich hat <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> ſelbſt in ſei-<lb/> nen ſpaͤteſten Arbeiten hoͤhere Eigenſchaften nie gaͤnzlich dem<lb/> maleriſchen Reize aufgeopfert; verglichen mit ſeinen Zeitge-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">6 *</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0105]
welche aus breiteren Licht- und Schattenmaſſen, mannichfachen
Abſtufungen und Uebergaͤngen entſteht, Schmelz, Harmonie,
Ton, Luftperſpectiv, Helldunkel und anderes dem maleriſchen
Reize Untergeordnete von nun an die groͤßte aͤſthetiſche Wich-
tigkeit, ward in der Theorie ſogar dem Charakter, dem Aus-
druck, uͤberhaupt ſolchem, was in Kunſtwerken den aͤußeren
Sinn kaum noch beruͤhrt, hingegen ſchon den Geiſt erfuͤllt,
das Gemuͤth hinreißt, ganz gleichgeſtellt. Aus dieſem neuen
Geſichtspunkte angeſehen, mußten Raphaels aͤltere Arbeiten
hart, gezwungen, ungefaͤllig erſcheinen, nur die ſpaͤteren, ma-
leriſchen, vollen Beyfall erlangen.
Nichts liegt mir entfernter, als dem maleriſchen Reize
ſeinen eigenthuͤmlichen Werth abzuſprechen, zu beſtreiten, daß
er ſchon fuͤr ſich ſelbſt, wie bey den Hollaͤndern der guten
Schule, hoͤchlich erfreuen koͤnne. Allein, wie die Einfuͤhrung
dieſes neuen Schoͤnheitselementes jene antike Abgemeſſenheit,
welche die Diſputa in ſo großer Vollkommenheit darlegt, noth-
wendig aus der neueren Kunſt verdraͤngen mußte, ſo wirkte
ſie auch im Einzelnen nicht durchhin guͤnſtig. Einleuchtend
vermag man Uebergang und Schmelz nur durch einen fluͤch-
tigeren Zug der Hand, die breiteren Maſſen von Licht und
Schatten nur durch erhebliche Vereinfachungen in der Ein-
theilung der Flaͤchen hervorzubringen. Alſo konnte der Kuͤnſt-
ler dem neuen maleriſchen Beſtreben ſich nicht hingeben, ohne
zugleich, wie es geſchehen iſt, von den ſchlanken, gelenkigen
Geſtalten zu ſchweren und gedraͤngten uͤberzugehen; in der fluͤch-
tigeren Behandlung aber mußten unumgaͤnglich viele Feinheiten
der Abſicht ſich verlieren. Freylich hat Raphael ſelbſt in ſei-
nen ſpaͤteſten Arbeiten hoͤhere Eigenſchaften nie gaͤnzlich dem
maleriſchen Reize aufgeopfert; verglichen mit ſeinen Zeitge-
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