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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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mers die Schule von Athen mit Vorstellungen aus der gegen-
überstehenden Disputa; und da es in Folge der Undeutlich-
keit seiner Erinnerungen nicht erhellt, welches von beiden Bil-
dern ihm für das ältere gegolten, so scheint man in dieser
Beziehung in der Folge geschwankt zu haben. Gegenwärtig
indeß bestreitet Niemand, daß unter den römischen Arbeiten
Raphaels die Disputa nothwendig die älteste ist. Richtig be-
merkt Lanzi, es sey dieses Gemälde zur Rechten (von der
Glorie zu verstehen) begonnen worden und zeige, wenn man
von dort gegen die Linke sich wende, erhebliche Fortschritte;
verstehe, technische; denn Raphael, welcher bis dahin nur sel-
ten in der Malerey auf nassem Kalk sich versucht hatte, war
eben daher genöthigt, dieses Werk a tempera, oder mit Leim-
farben, auf dem Trockenen zu übergehen, dessen er bey zu-
nehmender Fertigkeit mehr und mehr sich überheben durfte.
Hievon abgesehn, hatte der Künstler schon damals eine so
hohe Stufe erreicht, daß Viele in Zweifel ziehn, ob er je-
mals in späteren Jahren, was den Adel der Auffassung, die
Reinheit des Styles angeht, Größeres geleistet habe, als eben
hier *). Andere freylich setzen dasselbe Werk, als trocken,
hart und steif, eben so tief unter die späteren, malerisch be-
handelten, Arbeiten Raphaels.

Für
*) Lanzi, sto. pitt. Sc. Ro. Raff. -- "Nondimeno ehi ne rigu-
arda ogni parte da se, la trova d'un esecuzione cosi diligente e mira-
bile, che fin si e preteso, doversi questo quadro anteporre a tutti
gli altri
." Er zielt auf della Valle. Vergl. die entgegengesetzte Ansicht
bey Roscoe , life of Leo X. Ed. III. p. 240., wo in der Beurtheilung
unseres Gemäldes die Ausdrücke: formality of design, barbarous custom
of gilding some parts of the work, the soloecism of introducing a
foreign light etc
. -- In letzter Beziehung habe T. Zucchero das Rechte
getroffen.

mers die Schule von Athen mit Vorſtellungen aus der gegen-
uͤberſtehenden Diſputa; und da es in Folge der Undeutlich-
keit ſeiner Erinnerungen nicht erhellt, welches von beiden Bil-
dern ihm fuͤr das aͤltere gegolten, ſo ſcheint man in dieſer
Beziehung in der Folge geſchwankt zu haben. Gegenwaͤrtig
indeß beſtreitet Niemand, daß unter den roͤmiſchen Arbeiten
Raphaels die Diſputa nothwendig die aͤlteſte iſt. Richtig be-
merkt Lanzi, es ſey dieſes Gemaͤlde zur Rechten (von der
Glorie zu verſtehen) begonnen worden und zeige, wenn man
von dort gegen die Linke ſich wende, erhebliche Fortſchritte;
verſtehe, techniſche; denn Raphael, welcher bis dahin nur ſel-
ten in der Malerey auf naſſem Kalk ſich verſucht hatte, war
eben daher genoͤthigt, dieſes Werk a tempera, oder mit Leim-
farben, auf dem Trockenen zu uͤbergehen, deſſen er bey zu-
nehmender Fertigkeit mehr und mehr ſich uͤberheben durfte.
Hievon abgeſehn, hatte der Kuͤnſtler ſchon damals eine ſo
hohe Stufe erreicht, daß Viele in Zweifel ziehn, ob er je-
mals in ſpaͤteren Jahren, was den Adel der Auffaſſung, die
Reinheit des Styles angeht, Groͤßeres geleiſtet habe, als eben
hier *). Andere freylich ſetzen daſſelbe Werk, als trocken,
hart und ſteif, eben ſo tief unter die ſpaͤteren, maleriſch be-
handelten, Arbeiten Raphaels.

Fuͤr
*) Lanzi, sto. pitt. Sc. Ro. Raff. — „Nondimeno ehi ne rigu-
arda ogni parte da sè, la trova d’un esecuzione così diligente e mira-
bile, che fin si é preteso, doversi questo quadro anteporre a tutti
gli altri
.“ Er zielt auf della Valle. Vergl. die entgegengeſetzte Anſicht
bey Roscoe , life of Leo X. Ed. III. p. 240., wo in der Beurtheilung
unſeres Gemäldes die Ausdrücke: formality of design, barbarous custom
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foreign light etc
. — In letzter Beziehung habe T. Zucchero das Rechte
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[80/0102] mers die Schule von Athen mit Vorſtellungen aus der gegen- uͤberſtehenden Diſputa; und da es in Folge der Undeutlich- keit ſeiner Erinnerungen nicht erhellt, welches von beiden Bil- dern ihm fuͤr das aͤltere gegolten, ſo ſcheint man in dieſer Beziehung in der Folge geſchwankt zu haben. Gegenwaͤrtig indeß beſtreitet Niemand, daß unter den roͤmiſchen Arbeiten Raphaels die Diſputa nothwendig die aͤlteſte iſt. Richtig be- merkt Lanzi, es ſey dieſes Gemaͤlde zur Rechten (von der Glorie zu verſtehen) begonnen worden und zeige, wenn man von dort gegen die Linke ſich wende, erhebliche Fortſchritte; verſtehe, techniſche; denn Raphael, welcher bis dahin nur ſel- ten in der Malerey auf naſſem Kalk ſich verſucht hatte, war eben daher genoͤthigt, dieſes Werk a tempera, oder mit Leim- farben, auf dem Trockenen zu uͤbergehen, deſſen er bey zu- nehmender Fertigkeit mehr und mehr ſich uͤberheben durfte. Hievon abgeſehn, hatte der Kuͤnſtler ſchon damals eine ſo hohe Stufe erreicht, daß Viele in Zweifel ziehn, ob er je- mals in ſpaͤteren Jahren, was den Adel der Auffaſſung, die Reinheit des Styles angeht, Groͤßeres geleiſtet habe, als eben hier *). Andere freylich ſetzen daſſelbe Werk, als trocken, hart und ſteif, eben ſo tief unter die ſpaͤteren, maleriſch be- handelten, Arbeiten Raphaels. Fuͤr *) Lanzi, sto. pitt. Sc. Ro. Raff. — „Nondimeno ehi ne rigu- arda ogni parte da sè, la trova d’un esecuzione così diligente e mira- bile, che fin si é preteso, doversi questo quadro anteporre a tutti gli altri.“ Er zielt auf della Valle. Vergl. die entgegengeſetzte Anſicht bey Roscoe , life of Leo X. Ed. III. p. 240., wo in der Beurtheilung unſeres Gemäldes die Ausdrücke: formality of design, barbarous custom of gilding some parts of the work, the soloecism of introducing a foreign light etc. — In letzter Beziehung habe T. Zucchero das Rechte getroffen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/102>, abgerufen am 23.11.2024.