Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

bot; in der Folge gestaltete sich aus diesen Materia-
lien ein Buch, welches, ungeachtet der großen Män-
gel seiner Redaction, doch in dem, freylich beschränkten
Kreise ungeheuchelter Kunstfreunde mit vielem Danke
aufgenommen wurde, eben weil es aus den Quellen
geschöpft ist und eigene Ansichten enthält. Vielleicht
wird es in dieser Art Literatur, welche compilatorische
Arbeiten überschwemmt haben, Veranlassung seyn, künf-
tig Autoritäten, denen man bald blindlings zu folgen,
bald ohne Gründe zu widersprechen gewohnt war, ei-
ner strengen, aber gerechten Kritik zu unterwerfen;
zudem, nach der Stellung und Lage eines Jeden, auch
die handschriftlichen Quellen zu benutzen, aus diesen
neue Thatsachen, oder Berichtigungen angenommener
Irrthümer an das Licht zu ziehn, endlich die Kunst-
geschichte nicht länger als ein Aggregat von Zufällig-
keiten und abgerissenen Thatsachen, sondern als ein zu-
sammenhängendes, gleichsam organisches Ganze aufzu-
fassen.

War nun freylich meine Arbeit nicht eigentlich
darauf angelegt, alles Erreichbare in sich einzuschlie-
ßen, so konnte ich doch den Wunsch nicht bewältigen,
ihr durch Einiges über die Epoche der höchsten Ent-
wickelung der neueren Kunst, besonders über Raphael,
gleichsam den Schlußstein zu geben. Verschiedene bis-
her, theils nicht erschöpfte, theils noch ganz unberührte
Quellen der Geschichte dieser Zeit waren mir ihrer
Stelle nach bekannt: das Hausarchiv der Gonzaga zu

bot; in der Folge geſtaltete ſich aus dieſen Materia-
lien ein Buch, welches, ungeachtet der großen Män-
gel ſeiner Redaction, doch in dem, freylich beſchränkten
Kreiſe ungeheuchelter Kunſtfreunde mit vielem Danke
aufgenommen wurde, eben weil es aus den Quellen
geſchöpft iſt und eigene Anſichten enthält. Vielleicht
wird es in dieſer Art Literatur, welche compilatoriſche
Arbeiten überſchwemmt haben, Veranlaſſung ſeyn, künf-
tig Autoritäten, denen man bald blindlings zu folgen,
bald ohne Gründe zu widerſprechen gewohnt war, ei-
ner ſtrengen, aber gerechten Kritik zu unterwerfen;
zudem, nach der Stellung und Lage eines Jeden, auch
die handſchriftlichen Quellen zu benutzen, aus dieſen
neue Thatſachen, oder Berichtigungen angenommener
Irrthümer an das Licht zu ziehn, endlich die Kunſt-
geſchichte nicht länger als ein Aggregat von Zufällig-
keiten und abgeriſſenen Thatſachen, ſondern als ein zu-
ſammenhängendes, gleichſam organiſches Ganze aufzu-
faſſen.

War nun freylich meine Arbeit nicht eigentlich
darauf angelegt, alles Erreichbare in ſich einzuſchlie-
ßen, ſo konnte ich doch den Wunſch nicht bewältigen,
ihr durch Einiges über die Epoche der höchſten Ent-
wickelung der neueren Kunſt, beſonders über Raphael,
gleichſam den Schlußſtein zu geben. Verſchiedene bis-
her, theils nicht erſchöpfte, theils noch ganz unberührte
Quellen der Geſchichte dieſer Zeit waren mir ihrer
Stelle nach bekannt: das Hausarchiv der Gonzaga zu

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="IV"/>
bot; in der Folge ge&#x017F;taltete &#x017F;ich aus die&#x017F;en Materia-<lb/>
lien ein Buch, welches, ungeachtet der großen Män-<lb/>
gel &#x017F;einer Redaction, doch in dem, freylich be&#x017F;chränkten<lb/>
Krei&#x017F;e ungeheuchelter Kun&#x017F;tfreunde mit vielem Danke<lb/>
aufgenommen wurde, eben weil es aus den Quellen<lb/>
ge&#x017F;chöpft i&#x017F;t und eigene An&#x017F;ichten enthält. Vielleicht<lb/>
wird es in die&#x017F;er Art Literatur, welche compilatori&#x017F;che<lb/>
Arbeiten über&#x017F;chwemmt haben, Veranla&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;eyn, künf-<lb/>
tig Autoritäten, denen man bald blindlings zu folgen,<lb/>
bald ohne Gründe zu wider&#x017F;prechen gewohnt war, ei-<lb/>
ner &#x017F;trengen, aber gerechten Kritik zu unterwerfen;<lb/>
zudem, nach der Stellung und Lage eines Jeden, auch<lb/>
die hand&#x017F;chriftlichen Quellen zu benutzen, aus die&#x017F;en<lb/>
neue That&#x017F;achen, oder Berichtigungen angenommener<lb/>
Irrthümer an das Licht zu ziehn, endlich die Kun&#x017F;t-<lb/>
ge&#x017F;chichte nicht länger als ein Aggregat von Zufällig-<lb/>
keiten und abgeri&#x017F;&#x017F;enen That&#x017F;achen, &#x017F;ondern als ein zu-<lb/>
&#x017F;ammenhängendes, gleich&#x017F;am organi&#x017F;ches Ganze aufzu-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>War nun freylich meine Arbeit nicht eigentlich<lb/>
darauf angelegt, alles Erreichbare in &#x017F;ich einzu&#x017F;chlie-<lb/>
ßen, &#x017F;o konnte ich doch den Wun&#x017F;ch nicht bewältigen,<lb/>
ihr durch Einiges über die Epoche der höch&#x017F;ten Ent-<lb/>
wickelung der neueren Kun&#x017F;t, be&#x017F;onders über <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName>,<lb/>
gleich&#x017F;am den Schluß&#x017F;tein zu geben. Ver&#x017F;chiedene bis-<lb/>
her, theils nicht er&#x017F;chöpfte, theils noch ganz unberührte<lb/>
Quellen der Ge&#x017F;chichte die&#x017F;er Zeit waren mir ihrer<lb/>
Stelle nach bekannt: das Hausarchiv der Gonzaga zu<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IV/0010] bot; in der Folge geſtaltete ſich aus dieſen Materia- lien ein Buch, welches, ungeachtet der großen Män- gel ſeiner Redaction, doch in dem, freylich beſchränkten Kreiſe ungeheuchelter Kunſtfreunde mit vielem Danke aufgenommen wurde, eben weil es aus den Quellen geſchöpft iſt und eigene Anſichten enthält. Vielleicht wird es in dieſer Art Literatur, welche compilatoriſche Arbeiten überſchwemmt haben, Veranlaſſung ſeyn, künf- tig Autoritäten, denen man bald blindlings zu folgen, bald ohne Gründe zu widerſprechen gewohnt war, ei- ner ſtrengen, aber gerechten Kritik zu unterwerfen; zudem, nach der Stellung und Lage eines Jeden, auch die handſchriftlichen Quellen zu benutzen, aus dieſen neue Thatſachen, oder Berichtigungen angenommener Irrthümer an das Licht zu ziehn, endlich die Kunſt- geſchichte nicht länger als ein Aggregat von Zufällig- keiten und abgeriſſenen Thatſachen, ſondern als ein zu- ſammenhängendes, gleichſam organiſches Ganze aufzu- faſſen. War nun freylich meine Arbeit nicht eigentlich darauf angelegt, alles Erreichbare in ſich einzuſchlie- ßen, ſo konnte ich doch den Wunſch nicht bewältigen, ihr durch Einiges über die Epoche der höchſten Ent- wickelung der neueren Kunſt, beſonders über Raphael, gleichſam den Schlußſtein zu geben. Verſchiedene bis- her, theils nicht erſchöpfte, theils noch ganz unberührte Quellen der Geſchichte dieſer Zeit waren mir ihrer Stelle nach bekannt: das Hausarchiv der Gonzaga zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/10
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/10>, abgerufen am 24.11.2024.