dessen Bau und Anordnung mich nicht befriedigte, die Ele- mente der Allegorie, welche der damaligen Schulgelehrsamkeit und sicher nicht dem Künstler angehören; hingegen unterlag das eigentlich Malerische der Ausführung den Reinigungen und Wiederherstellungen ungleich mehr, als die gegenüberlie- gende Wand, welche Vasari dem Simon Martini beylegt. Dessenungeachtet glaubte ich in jenen halberloschenen Male- reyen, welche für die Arbeit des Taddeo gelten, mehr gewalt- same Wendungen, mehr Ungleichheiten in den Verhältnissen wahrzunehmen, als in den früher bezeichneten Werken. In der Decke dieses Saales, welche Vasari ebenfalls unserm Flo- rentiner beymißt, mehren sich diese Flüchtigkeiten und Verse- hen ins Unendliche; weßhalb ich Bedenken trage, eine Angabe zu unterschreiben, für welche Vasari der einzige Bürge ist. -- Hingegen dürfte eine schöne Federzeichnung in der Sammlung der öffentlichen Gallerie zu Florenz (cartella degli antichi), welche dort für Agnolo Gaddi gilt, in Ansehung ihrer straff angezogenen Falten, ihrer stätigen Proportion, wie vornehmlich ihrer schönen, anmuthvollen Köpfe, wahrscheinlicher unserem Taddeo angehören.
Dieser Künstler legte sich, wie die meisten Maler seiner Zeit, auch auf die Baukunst; er soll die alte Brücke zu Flo- renz nach der Ueberschwemmung von 1333. wiederhergestellt haben, und ward in der Folge sicher zu den Berathungen der Domverwaltung gerufen. Aus derselben Quelle lernen wir, daß er nicht, wie Vasari mit gewohntem Leichtsinn annimmt, im Jahre 1350. gestorben sey; denn es ward ihm noch im Jahre 1366. Aug. 20. eine Arbeit behuf des Dombaues auf- getragen. *)
*)Arch. dell' op. del Duomo di Fir. liber stanziamentorum
II. 6
deſſen Bau und Anordnung mich nicht befriedigte, die Ele- mente der Allegorie, welche der damaligen Schulgelehrſamkeit und ſicher nicht dem Kuͤnſtler angehoͤren; hingegen unterlag das eigentlich Maleriſche der Ausfuͤhrung den Reinigungen und Wiederherſtellungen ungleich mehr, als die gegenuͤberlie- gende Wand, welche Vaſari dem Simon Martini beylegt. Deſſenungeachtet glaubte ich in jenen halberloſchenen Male- reyen, welche fuͤr die Arbeit des Taddeo gelten, mehr gewalt- ſame Wendungen, mehr Ungleichheiten in den Verhaͤltniſſen wahrzunehmen, als in den fruͤher bezeichneten Werken. In der Decke dieſes Saales, welche Vaſari ebenfalls unſerm Flo- rentiner beymißt, mehren ſich dieſe Fluͤchtigkeiten und Verſe- hen ins Unendliche; weßhalb ich Bedenken trage, eine Angabe zu unterſchreiben, fuͤr welche Vaſari der einzige Buͤrge iſt. — Hingegen duͤrfte eine ſchoͤne Federzeichnung in der Sammlung der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz (cartella degli antichi), welche dort fuͤr Agnolo Gaddi gilt, in Anſehung ihrer ſtraff angezogenen Falten, ihrer ſtaͤtigen Proportion, wie vornehmlich ihrer ſchoͤnen, anmuthvollen Koͤpfe, wahrſcheinlicher unſerem Taddeo angehoͤren.
Dieſer Kuͤnſtler legte ſich, wie die meiſten Maler ſeiner Zeit, auch auf die Baukunſt; er ſoll die alte Bruͤcke zu Flo- renz nach der Ueberſchwemmung von 1333. wiederhergeſtellt haben, und ward in der Folge ſicher zu den Berathungen der Domverwaltung gerufen. Aus derſelben Quelle lernen wir, daß er nicht, wie Vaſari mit gewohntem Leichtſinn annimmt, im Jahre 1350. geſtorben ſey; denn es ward ihm noch im Jahre 1366. Aug. 20. eine Arbeit behuf des Dombaues auf- getragen. *)
*)Arch. dell’ op. del Duomo di Fir. liber stanziamentorum
II. 6
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0099"n="81"/>
deſſen Bau und Anordnung mich nicht befriedigte, die Ele-<lb/>
mente der Allegorie, welche der damaligen Schulgelehrſamkeit<lb/>
und ſicher nicht dem Kuͤnſtler angehoͤren; hingegen unterlag<lb/>
das eigentlich Maleriſche der Ausfuͤhrung den Reinigungen<lb/>
und Wiederherſtellungen ungleich mehr, als die gegenuͤberlie-<lb/>
gende Wand, welche <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> dem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118731394">Simon Martini</persName> beylegt.<lb/>
Deſſenungeachtet glaubte ich in jenen halberloſchenen Male-<lb/>
reyen, welche fuͤr die Arbeit des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118716077">Taddeo</persName> gelten, mehr gewalt-<lb/>ſame Wendungen, mehr Ungleichheiten in den Verhaͤltniſſen<lb/>
wahrzunehmen, als in den fruͤher bezeichneten Werken. In<lb/>
der Decke dieſes Saales, welche <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> ebenfalls unſerm Flo-<lb/>
rentiner beymißt, mehren ſich dieſe Fluͤchtigkeiten und Verſe-<lb/>
hen ins Unendliche; weßhalb ich Bedenken trage, eine Angabe<lb/>
zu unterſchreiben, fuͤr welche <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> der einzige Buͤrge iſt. —<lb/>
Hingegen duͤrfte eine ſchoͤne Federzeichnung in der Sammlung<lb/>
der oͤffentlichen Gallerie zu <placeName>Florenz</placeName> (<hirendition="#aq">cartella degli antichi</hi>),<lb/>
welche dort fuͤr <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118716069">Agnolo Gaddi</persName> gilt, in Anſehung ihrer ſtraff<lb/>
angezogenen Falten, ihrer ſtaͤtigen Proportion, wie vornehmlich<lb/>
ihrer ſchoͤnen, anmuthvollen Koͤpfe, wahrſcheinlicher unſerem<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118716077">Taddeo</persName> angehoͤren.</p><lb/><p>Dieſer Kuͤnſtler legte ſich, wie die meiſten Maler ſeiner<lb/>
Zeit, auch auf die Baukunſt; er ſoll die alte Bruͤcke zu <placeName>Flo-<lb/>
renz</placeName> nach der Ueberſchwemmung von 1333. wiederhergeſtellt<lb/>
haben, und ward in der Folge ſicher zu den Berathungen der<lb/>
Domverwaltung gerufen. Aus derſelben Quelle lernen wir,<lb/>
daß er nicht, wie <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> mit gewohntem Leichtſinn annimmt,<lb/>
im Jahre 1350. geſtorben ſey; denn es ward ihm noch im<lb/>
Jahre 1366. Aug. 20. eine Arbeit behuf des Dombaues auf-<lb/>
getragen. <notexml:id="fn12i"n="*)"place="foot"next="#fn12f"><hirendition="#aq">Arch. dell’ op. del Duomo di <placeName>Fir.</placeName> liber stanziamentorum</hi></note></p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II.</hi> 6</fw></div><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[81/0099]
deſſen Bau und Anordnung mich nicht befriedigte, die Ele-
mente der Allegorie, welche der damaligen Schulgelehrſamkeit
und ſicher nicht dem Kuͤnſtler angehoͤren; hingegen unterlag
das eigentlich Maleriſche der Ausfuͤhrung den Reinigungen
und Wiederherſtellungen ungleich mehr, als die gegenuͤberlie-
gende Wand, welche Vaſari dem Simon Martini beylegt.
Deſſenungeachtet glaubte ich in jenen halberloſchenen Male-
reyen, welche fuͤr die Arbeit des Taddeo gelten, mehr gewalt-
ſame Wendungen, mehr Ungleichheiten in den Verhaͤltniſſen
wahrzunehmen, als in den fruͤher bezeichneten Werken. In
der Decke dieſes Saales, welche Vaſari ebenfalls unſerm Flo-
rentiner beymißt, mehren ſich dieſe Fluͤchtigkeiten und Verſe-
hen ins Unendliche; weßhalb ich Bedenken trage, eine Angabe
zu unterſchreiben, fuͤr welche Vaſari der einzige Buͤrge iſt. —
Hingegen duͤrfte eine ſchoͤne Federzeichnung in der Sammlung
der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz (cartella degli antichi),
welche dort fuͤr Agnolo Gaddi gilt, in Anſehung ihrer ſtraff
angezogenen Falten, ihrer ſtaͤtigen Proportion, wie vornehmlich
ihrer ſchoͤnen, anmuthvollen Koͤpfe, wahrſcheinlicher unſerem
Taddeo angehoͤren.
Dieſer Kuͤnſtler legte ſich, wie die meiſten Maler ſeiner
Zeit, auch auf die Baukunſt; er ſoll die alte Bruͤcke zu Flo-
renz nach der Ueberſchwemmung von 1333. wiederhergeſtellt
haben, und ward in der Folge ſicher zu den Berathungen der
Domverwaltung gerufen. Aus derſelben Quelle lernen wir,
daß er nicht, wie Vaſari mit gewohntem Leichtſinn annimmt,
im Jahre 1350. geſtorben ſey; denn es ward ihm noch im
Jahre 1366. Aug. 20. eine Arbeit behuf des Dombaues auf-
getragen. *)
*) Arch. dell’ op. del Duomo di Fir. liber stanziamentorum
II. 6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/99>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.